Antrag: Sichere Daten für die Bürgerinnen und Bürger Europas – EU-Datenschutz-Grundverordnung zügig beschließen

Fraktion der SPD 
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Landtag stellt fest:

  • angesichts der Enthüllungen über die massenhafte Ausspähung personenbezogener Daten von Bürgerinnen und Bürgern die Forderung nach einer zeitgemäßen und umfassenden Reform des Datenschutzes oberste Priorität hat;
  • es angesichts der grenzüberschreitenden Datenverkehre im digitalen Zeitalter eines europäischen Rechtsrahmens bedarf, der den Schutz personenbezogener Daten für alle Bürgerinnen und Bürger Europas sicherstellt;
  • in diesem Rahmen ein Normengerüst geschaffen werden muss, das alle in der Europäischen Union tätigen Institutionen und Unternehmen erfasst und dadurch deren innereuropäische und grenzüberschreitende Datenverkehre einem einheitlichen Datenschutzstandard unterliegen;
  • die derzeit gültige Datenschutzrichtlinie 95/46/EG aus dem Jahr 1995 diesen Ansprüchen nicht genügt und deshalb durch eine umfassende Datenschutz-Grundverordnung ersetzt werden sollte;
  • bereits im Jahr 2010 ein Konsultationsverfahren stattfand, auf dessen Grundlage das Europäische Parlament am 07.07.2011 nahezu einstimmig eine Resolution verabschiedete, woraus ein Vorschlag der Europäischen Kommission vom 25. Januar 2012 resultierte, der in eine Änderungsfassung des Innenausschusses des Europäischen Parlaments mündete und am 21. Oktober 2013 wiederum nahezu einstimmig beschlossen wurde;  die Verhandlungen im Ministerrat bisher bedauerlicherweise noch nicht weit fortgeschritten sind, womit  das Gesamtverfahren nun insgesamt fast 4 Jahre andauert;
  • durch Änderungsvorschläge in den EU-Gremien im Verlauf der Verhandlungen den zentralen Kritikpunkten insbesondere des deutschen Bundesrates weitgehend Rechnung getragen werden konnte;
  • durch eine EU-Datenschutz-Grundverordnung die Chance besteht, eine effektive und kohärente Durchsetzung des Schutzes personenbezogener Daten in allen Teilen des EU-Binnenmarktes und der Institutionen der Europäischen Union und ihrer Mitgliedsstaaten zu erreichen und damit einen einheitlich hohen Mindeststandard des Datenschutzes zu gewährleisten;
  • angesichts der anhaltenden Verletzungen der Datenschutzrechte der Bürgerinnen und Bürger in der EU und der erheblichen Dauer des Verfahrens die Verhandlungen für eine Datenschutz-Grundverordnung noch  im Jahr 2014 abgeschlossen werden sollten.

 Der Landtag fordert die Landesregierung daher auf,

  • sich für eine Verabschiedung einer Datenschutz-Grundverordnung noch vor dem Ende des Jahres 2014 einzusetzen und dafür auf Bundesebene darauf hinzuwirken, dass im EU-Ministerrat bis zum Sommer eine zügige Einigung auf ein Mandat für ein Trilog-Verfahren mit dem Europäischen Parlament erreicht wird;
  • sich in den Verhandlungen für ein hohes verbindliches Datenschutzniveau einzusetzen, das die aktuelle technische Entwicklung des Datenverkehrs in unserer Zeit aufnimmt und die bisherige Datenschutzrichtlinie 95/46/EG aktualisiert;
  • sich insbesondere für die Einführung eines strikten Sanktionsmechanismus und eines verbindlichen Kohärenzverfahrens für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden einzusetzen, so dass ein Unterlaufen der gemeinsamen Datenschutz-Standards durch einzelne Mitgliedsstaaten verhindert wird.

Begründung

Wir leben im Zeitalter der Informationsgesellschaft, in der unser Leben und Arbeiten wie nie zuvor durch digitale Daten und deren Anwendung beeinflusst wird. Ein Großteil dieser Datenerhebungen geschieht mit unserer formalen Zustimmung, dennoch aber unmerklich und ohne hinreichende Aufklärung und Transparenz: Im Alltagsleben ist uns häufig nicht bewusst, wie personenbezogene Daten durch Unternehmen und staatliche Stellen erhoben und weltumspannend verarbeitet werden. Und zugleich erfahren wir täglich neue Enthüllungen über die Praktiken von Geheimdiensten, die personenbezogene Daten von Millionen Bürgerinnen und Bürgern ausspähen und sich dabei öffentlicher und demokratischer Kontrolle entziehen. Daher gilt: Der Datenschutz ist wichtiger, aber auch gefährdeter denn je.

Das europäische Datenschutzrecht basiert heute noch immer auf einer Grundlage von 1995 – seinerzeit war das Internet tatsächlich noch Neuland. Die geltende Datenschutz-Richtlinie 95/46/EG ist der Rechtsrahmen, an dem sich auch fast zwei Jahrzehnte später die 28 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union noch immer orientieren. Deshalb ist es unabdingbar, dass das europäische Datenschutzrecht endlich an die Realität einer digitalisierten Lebenswelt im 21. Jahrhundert angepasst wird.

Im Zeitalter der Digitalisierung steht der Datenschutz vor neuen Herausforderungen, denen allein im nationalen Maßstab nicht hinreichend effektiv begegnet werden kann. Im Kern geht es darum, das Niveau des Datenschutzes in der gesamten Europäischen Union einheitlich anzugleichen und damit einen Flickenteppich nationalstaatlicher Regelungen aufzulösen, die im Zeitalter des grenzüberschreitenden Datenverkehrs ohnehin überholt erscheinen bzw. überarbeitungsbedürftig sind. Gleich, ob es um Arbeitnehmerdatenschutz, Vorratsdatenspeicherung, Massenüberwachung oder die Unabhängigkeit der Datenschutzkontrolle geht: Die europäische Ebene spielt eine zentrale Rolle für die effektive Durchsetzung eines zukunftsfähigen Datenschutzes.

Mit dem jetzt vorliegenden Entwurf, der Gegenstand der Verhandlungen zwischen dem Europäischen Parlament und dem Ministerrat ist, sind eine Vielzahl von Änderungsvorschlägen seitens der Mitgliedsstaaten aufgenommen worden; somit liegt eine vielversprechende Verhandlungsgrundlage vor. Darin weitestgehend aufgenommen sind auch die Kritikpunkte des Bundesrates (zu viele delegierte Rechtsakte, zu wenig Spielraum für die Verarbeitungsgrundlagen und spezielle Datenschutzregeln im behördlichen Bereich), der am 30. März 2012 gegen den Kommissionsentwurf Subsidiaritätsrüge erhoben hatte.

Zu guter Letzt kommt es darauf an, eine EU-Datenschutz-Grundverordnung durchzusetzen, mit der das Recht auf Datenschutz für alle Bürgerinnen und Bürger einheitlich auf hohem Niveau verankert wird. Zu dieser Qualitätsverbesserung gehört die Forderung nach einem Recht für jeden Einzelnen auf Löschung, Auskunft und Korrektur von Daten, die durch andere erhoben werden. Dazu gehört auch die explizite Einwilligung, wenn es zur Verarbeitung von Daten kommen soll. Und nicht zuletzt muss es eine Informationspflicht und mehr Transparenz bei der Weitergabe von Daten geben, was auch den Datenverkehr an Drittstaaten einschließt. Abschließend muss der Kanon dieser Regeln bei Verstoß mit klaren Sanktionen belegt sein.

Zurück zum Pressearchiv