Antrag: Schule ohne Sitzenbleiben

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Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Hannover, den 12.09.2005

Schule ohne Sitzenbleiben
Der Landtag wolle beschließen:
Entschließung
Der Landtag fordert die Landesregierung auf, beginnend mit dem Schuljahr 2006/2007 Modellversuche "Schule ohne Sitzenbleiben" auszuschreiben. Hierfür sollen sich interessierte Schulen bis Anfang Juni 2006 bewerben können.
Voraussetzung für die Bewerbung ist ein in der Gesamtkonferenz abgestimmtes Konzept zur Förderung leistungsschwacher Schüler und Schülerinnen.
Den teilnehmenden Schulen werden Fortbildungs- und Beratungsangebote für Lehrerinnen und Lehrer sowie für Eltern geboten. Die teilnehmenden Schulen bekommen aus den Mitteln, die durch den Verzicht auf das Sitzenbleiben eingespart werden, zusätzliche Personalkapazitäten für notwendige Förderangebote.
Die Modellversuche sind wissenschaftlich zu begleiten und qualitativ auszuwerten.
Begründung
Im Unterschied zu vielen ausländischen Schulsystemen wird in deutschen Schulen bei auftretenden Leistungsproblemen mit dem Verfahren des "Sitzenbleibens" gearbeitet. Es liegen jedoch zahlreiche Forschungsarbeiten vor, wonach durch die Wiederholung eines Schuljahrgangs allein kein zusätzlicher Lerneffekt entsteht, sondern im Gegenteil die Lernentwicklung erheblich beeinträchtigen kann. Untersuchungen haben gezeigt dass das "Sitzenbleiben" in vielen Fällen als eine negative Bewertung aufgefasst wird, die die ganze Person betrifft, und damit das Vertrauen der Schüler und Schülerinnen in ihre eigenen Fähigkeiten nachhaltig untergräbt "Sitzenbleiber" gehören oftmals schon nach zwei Jahren wieder zu den leistungsschwächsten Schülern und Schülerinnen ihrer Klasse. Die europäische Studie des Informationsnetzes EURYDICE kommt deshalb zu dem Schluss: "Die Wiederholung ist in der Mehrzahl der Fälle für die Entwicklung des Kindes nachteilig."
Sitzenbleiben ist in den Spitzenländern der PISA-Studie kein Thema. Die skandinavischen Länder sowie Japan haben die Klassenwiederholung vor Jahren abgeschafft.
In Niedersachsen müssen jedes Jahr ca. 20.000 Schülerinnen und Schüler eine Klasse wiederholen. Das kostet das Land rund 80 Mio. € jährlich. Diese Mittel können sehr viel effektiver für die gezielte Förderung von Kindern mit Schulschwierigkeiten eingesetzt werden. Schulen, die an einem Modellversuch "Schule ohne Sitzenbleiben" teilnehmen, sollen deshalb die Mittel, die durch den Verzicht auf das Sitzenbleiben eingespart werden, für die gezielte individuelle Förderung von Schülerinnen und Schüler zur Verfügung gestellt werden.


Fraktionsvorsitzende

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