Antrag: Schienenverkehrsausbau für Niedersachsen vorausschauend planen und umsetzen!

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Nach der öffentlichen Vorstellung Gutachtens des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) zum Hafenhinterlandverkehr auf der Schiene Ende des Jahres 2008 hatte die Landesregierung, über die bereits angegangene Ertüchtigung des Netzes der Eisenbahnen und Verkehrsbetriebe Elbe-Weser (EVB) hinaus, kurzfristig weitere detaillierte Untersuchungen in Aussicht gestellt, um die Aussagen des Gutachtens zu verifizieren und zu konkretisieren.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Herausforderungen an und die perspektivische Nachfrage nach Schienenverkehr in und durch Niedersachsen absehbar noch stark wachsend sind:

  • Trotz der derzeitigen Wirtschaftskrise wird bei einer erwarteten baldigen Erholung des Welthandels aus den Nordseehäfen allein in den kommenden 10 Jahren eine Verdoppelung der Nachfrage für Schienengüterverkehr erwartet. Auch in den Jahren danach wird eine weiter stark zunehmende Nachfrage prognostiziert.
  • Die Forderung der EU nach grenzübergreifenden Güterverkehrskorridoren im Rahmen der Transeuropäischen Verkehrsnetze (TEN-T) bedeutet für Niedersachsen sowohl auf der Nord-Süd-Achse als auch auf der Ost-West-Achse mit voraussichtlichem Schnittpunkt in der Region Hannover die Erstellung von zwei leistungsstarken, neuen oder zumindest neu ausgebauten Bahntrassen mit Vorrang für Güterverkehr innerhalb von drei Jahren nach Inkrafttreten einer entsprechenden EU-Verordnung.
  • Diesen wirtschafts- und klimapolitisch bedingten starken Nachfrageentwicklungen im Schienengüterverkehr stehen derzeit in Niedersachsen Bedenken um den damit ggf. gefährdeten Bestandserhalt und die bedarfsgerechte Entwicklungsfähigkeit des Schienenpersonennah- und -fernverkehres und die Sorgen von gegenwärtigen und zukünftigen Gleisanrainern hinsichtlich der mit diesen Entwicklungen verbundenen Lärmzunahme entgegen.

Die Landesregierung wird aufgefordert, die drei dargestellten Entwicklungen durch vorausschauende Planung und darauf aufbauende bedarfsgerechte Investitionen in Infrastruktur und rollendes Material in einen gegenseitig verträglichen Ausgleich zu bringen und dafür:

  1. umgehend die Umsetzung weiterer kurzfristig machbarer Empfehlungen zum Ausbau vorhandener Strecken aus dem vom DLR 2008 erstellten Gutachten aufgrund einer sauberen Kosten-/Nutzenabwägung und Prioritätenreihung einzuplanen und eine Zeit- und Kostenplanung mit DB, NE-Bahnen und Bundesregierung abgestimmt dem Landtag vorzulegen,
  2. ein zusätzliches vertiefendes Gutachten zur notwendigen weiteren Schieneninfrastrukturentwicklung unter Berücksichtigung der oben genannten Anforderung zur bedarfsgerechten und verträglichen Befriedigung der stark wachsenden Nachfrage zu beauftragen. Dies soll ausdrücklich in Varianten sowohl unter Einbeziehung der sogenannten Y-Trasse als auch in Varianten mit Alternativen zu diesem, hinsichtlich der regionalen Verträglichkeit, des möglichen Nutzens, der Bau- und Betriebskosten und des Umsetzungshorizontes, umstrittenen Großprojekt erfolgen. Dabei sollen jeweils mit voraussichtlichen Kosten und Umsetzungsschritten versehene Alternativen für die Zeit bis 2020 und für den Zeitraum bis 2030 noch im Jahr 2010 erarbeitet und dem Landtag vorgelegt werden.

Begründung

Der kurzfristig machbare Ausbau von bereits vorhandenen Strecken schafft Kapazitäten, die für den Hafenhinterlandverkehr dringend benötigt werden, sobald die Wirtschaft wieder Fuß fasst. Diese Maßnahmen, ablesbar aus dem DLR Gutachten 2008, befriedigen aber nur das erwartete Nachfragewachstum von wenigen Jahren.

Für alle drei beschriebenen großen Anforderungspakete wird es deshalb mittel- und langfristig erforderlich sein, darüber hinaus gehend zusätzliche Gleise an vorhandenen Strecken, Kurven zum Ersatz von Kopfbahnhöfen, Ortsumgehungen, Lückenschlüsse und neue Verbindungen zwischen vorhandenen Gleisen mit jeweils entsprechendem aktiven und passiven bzw. quellenbezogenem Lärmschutz zu prüfen und zu sinnvollen Umsetzungspaketen in einer norddeutschen Gesamtkonzeption für den Schienenausbau zusammenzuführen. Die Maßnahmen zugunsten des Hafenhinterlandverkehrs müssen auch im Kontext der Planungen zu den Transeuropäischen Verkehrsnetzen (TEN-T) abgestimmt und vorangetrieben werden, damit die erforderliche Einbindung in den TEN-Prozess erfolgt.

Der Schieneninfrastrukturausbau soll im Rahmen der Gutachtenerarbeitung in alternativen Varianten konkret ausgearbeitet und priorisiert werden. Die bisherige Untätigkeit der Landesregierung dazu ist angesichts der absehbaren Verkehrsnachfrage und der begrenzten verfügbaren Mittel verantwortungslos und inakzeptabel.

Stattdessen hat sich die Landesregierung bisher fast allein auf ihr Prestigeprojekt Y-Trasse fixiert und noch keine weiteren Anstrengungen zur Umsetzung der in dem DLR-Gutachten empfohlenen Erarbeitung von Alternativen und Ergänzungen unternommen. Dies ist vor allem deshalb problematisch, weil die in dem DLR Gutachten bereits ansatzweise aufgezeigten Alternativen nach derzeitigem Stand kostengünstiger und schneller umsetzbar erscheinen als das Hochgeschwindigkeitsprojekt Y-Trasse. Das Y wird laut Zeitungsberichten wegen seiner unkalkulierbar hohen Kosten und der langen Umsetzungszeit auch von der DB inzwischen auf einer "Streichliste" geführt, weil für dieses Vorhaben lediglich Planungsmittel eingestellt sind – die Finanzierung des eigentlichen Baus der Y-Trasse ist überhaupt nicht abgesichert.

Es ist deshalb dringendes Interesse der niedersächsischen und norddeutschen Wirtschaft insgesamt, der Hafen- und Logistikwirtschaft im Besonderen, aber nicht zuletzt auch der vielen Betroffenen von zunehmendem Verkehr und der Steuerzahler, dass hier im Zuge einer sorgfältigen und tiefgehenden Abwägung von Varianten nur die effizienteste, kostengünstigste und verträglichste Gesamtkonzeption zum Schienenausbau zur Umsetzung kommt.

Andernfalls drohen erhebliche wirtschaftsschädliche Ausbauverzögerungen mit vermeidbarem zusätzlichen Güterverkehrsdruck auf das Straßennetz, sowie immerwährender unproduktiver Streit um Teilprojekte, die für sich genommen naturgemäß nicht ausreichen und überzeugen können. Damit bliebe auf lange Zeit der dringend notwendige norddeutsche Schienenausbau nur Stückwerk.

Ergänzend zu dem erforderlichen Gesamtgutachten für die Zukunft der Bahn im Norden, ist auch bei der von Bund und Land beabsichtigten Wiederaufnahme der Y-Planung, die dabei in der Vergangenheit nicht erfolgte gründliche Untersuchung von geeigneten Alternativen für diese, inzwischen nicht mehr vorrangig für Hochgeschwindigkeit, sondern für einen Mischbetrieb mit Güterverkehr, vorgesehene Neubaumaßnahme jetzt mit der nötigen Tiefe und Sorgfalt durchzuführen.

Fraktionsvorsitzender

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