Antrag: Resolution des Niedersächsischen Landtags zur aktuellen Krise bei Volkswagen
Fraktion der SPD
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Der Landtag wolle beschließen:
Entschließung
Die Krise bei Volkswagen ist das Resultat mehrerer wirtschaftlicher und struktureller Herausforderungen.
Die daraus resultierenden Debatten um Werksschließungen und die Verunsicherung der Beschäftigten und der Öffentlichkeit machen deutlich, dass Volkswagen, als einer der größten Arbeitgeber Niedersachsens schnellstmöglich in ruhiges Fahrwasser kommen muss. Auch die Zulieferer sind in besonderem Maße von dieser Entwicklung betroffen.
Der Landtag erkennt an:
- Volkswagen spielt eine zentrale Rolle in der niedersächsischen Wirtschaft und ist entscheidend für die regionale Wertschöpfung und die Sicherung von Arbeitsplätzen.
- Eine Sozialpartnerschaft, die die Beschäftigten einbezieht und den Dialog zwischen Management, Gewerkschaften und Betriebsräten fördert, ist essentiell für eine sozialverträgliche Transformation.
- Der Transformationsprozess hin zur Elektromobilität ist unumgänglich, um die Wettbewerbsfähigkeit von Volkswagen zu sichern und die Klimaziele zu erreichen.
- Niedersachsen ist mit seiner Nähe zu erneuerbaren Energien, einem umfassenden Netzwerk an Zulieferern und seiner guten Infrastruktur prädestiniert, die Elektromobilität entscheidend mitzugestalten
Der Landtag bittet die Landesregierung, sich für die folgenden Punkte einzusetzen:
1. Arbeitsplätze sichern und Sozialpartnerschaft stärken:
- Wir begrüßen, dass der Vorstand und die IG Metall beschlossen haben, zeitnah Gespräche über die Haustarifvereinbarungen bei Volkswagen aufzunehmen. Einschnitte dürfen nicht allein zu Lasten der Belegschaften gehen. Ein neuer, langfristiger Beschäftigungssicherungsvertrag muss weiterhin sicherstellen, dass Arbeitsplätze geschützt und alle Standorte in Niedersachsen erhalten bleiben. Umschulungen und Weiterbildungen für die Beschäftigten sind notwendig, um sie auf die Zukunft vorzubereiten.
- Es liegt darüber hinaus in der Verantwortung des Vorstandes, Vorschläge für einen zukunftsfähigen und modernen VW – Konzern vorzulegen.
2. Transformation und Elektromobilität fördern:
- Bundesweit muss die Transformation hin zur Elektromobilität beschleunigt werden, indem günstige staatliche Rahmenbedingungen geschaffen und bürokratische Hürden abgebaut werden.
- Der Bund muss neue Anreize zum Kauf von E-Autos initiieren, um den Absatz in der aktuellen Krise anzukurbeln.
- Der VW-Vorstand muss seinerseits schnellstmöglich die Grundlage für ein attraktives und für alle bezahlbares Angebot im E-Auto-Segment legen. Es bedarf eines E-Volkswagens.
3. Strompreise senken
- Für den Kauf von E-Autos ist die Entwicklung der Strompreise von hoher Bedeutung. Wir begrüßen daher den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien und der Stromnetze. Ebenso ist es richtig, dass die Bundesnetzagentur zum 1.1.2025 ein neues Berechnungsmodell implementiert, um in Regionen mit vielen erneuerbaren Energien die Netzentgelte erheblich zu senken. Wir wollen weitere Anreize für günstige Strompreise etwa durch „Nutzen statt Abregeln“ oder dynamische Stromtarife gerade für die Ladesäuleninfrastruktur schaffen. Ebenso gilt es, die Rahmenbedingungen für günstigen Ladestrom in Zeiten und Regionen zu unterstützen, in denen es besonders hohe Überschüsse von erneuerbaren Energien gibt.
- Um die Strompreise für Kundinnen und Kunden weiter zu senken, sollten die Strompreise von erzeugungsfremden Abgaben befreit und die Stromsteuer auf das europäische Mindestniveau abgesenkt werden. Ebenso sollte der notwendige Ausbau der Netzinfrastruktur - wie andere Infrastruktur auch - durch den Bundeshaushalt und nicht die Stromkunden bezahlt werden
4. Infrastruktur und Investitionen sicherstellen:
- Die Ladeinfrastruktur muss massiv ausgebaut werden, um das Ziel der Versorgungssicherheit zu erreichen. Eine maßgebliche Rolle spielt hier die Versorgungsauflage für Tankstellen, die inhaltlich verschärft und auf Betreiber von weniger als 200 Tankstellen ausgedehnt werden sollte.
- Ebenso sind Lademöglichkeiten am Arbeitsplatz und Wohnort weiter auszubauen.
- Intelligente Ladefunktionen (Vehicle to grid, vehicle to home) bieten die Chance für ein effizienteres und kostensparendes Energiemanagement. Das Land setzt sich gegenüber bei Bund für eine Verbesserung der gesetzlichen Grundlagen ein.
- Kommunen und Betreiber von Ladeinfrastruktur sollen auf standardisierte, vereinfachte Genehmigungsprozesse zurückgreifen.
- Der Erlass eines Bundesbeschleunigungsgesetzes für den Ausbau der Ladeinfrastruktur sollte geprüft werden.
5. Sondervermögen Transformation im Grundgesetz verankern:
- Es gibt bei der Finanzierung großer öffentlicher Zukunftsaufgaben in Deutschland einen Reformbedarf. Um den Herausforderungen der Transformation generell, insbesondere aber in der Automobilindustrie als Leitindustrie gerecht zu werden und dringend notwendige Investitionen in Infrastruktur, Ladeinfrastruktur sowie Forschung und Entwicklung zu ermöglichen, brauchen wir zusätzliche Investitionsmöglichkeiten.
- Damit die Schuldenbremse nicht länger eine Investitionsbremse ist, muss sie reformiert werden. Die strukturelle Kreditaufnahmemöglichkeit sollte mit den EU-Vorgaben harmonisiert und zu Gunsten der Länder angehoben werden.
- Darüber hinaus sollte analog zum Bundeswehrsondervermögen ein kreditfinanziertes „Sondervermögen Transformation“ im Grundgesetz verankert werden. Dies ist ohne Konflikt mit der Schuldenbremse möglich. Dieses Sondervermögen würde es ermöglichen, gezielt in Zukunftsprojekte wie den Ausbau der Elektromobilität, Dekarbonisierung und Digitalisierung zu investieren, ohne das langfristige Haushaltsgleichgewicht zu gefährden.
6. Langfristige Wettbewerbsfähigkeit sichern:
- Um den internationalen Herausforderungen, insbesondere durch asiatische Hersteller, gerecht zu werden, muss Volkswagen verstärkt in innovative Technologien und neue Märkte investieren können. Niedersachsen muss seine Position als führender Standort in der Automobilbranche festigen und ausbauen. Dies kann langfristig nur gelingen, indem die jetzigen Standorte gehalten und zukunftsfähig gemacht werden. Für die Ansiedlung einer weiteren Batteriezellfertigung zum Erhalt der Wertschöpfungstiefe sind wettbewerbsfähige Industriestrompreise eine Voraussetzung. Die Bundesregierung ist aufgefordert, mit der EU-Kommission über die Ausweitung der Strompreiskompensation auf die Batteriezellfertigung zu verhandeln. Zudem muss zur langfristigen Stabilisierung der Ausbau der Stromnetze aus dem Bundeshaushalt finanziert werden.
- Wir wollen das Potenzial der erneuerbaren Energien, insbesondere der Windenergie, effizient nutzen und die Hafeninfrastruktur weiterentwickeln. Durch die Bereitstellung von bezugsfertigen Gewerbeflächen mit leistungsfähiger Energieinfrastruktur wird das Land attraktiv für energieintensive Unternehmen und zudem auch für Zulieferunternehmen von Volkswagen. So können neue Betriebe angesiedelt und bestehende Unternehmen langfristig an den Standort gebunden werden.
- Wir benötigen eine noch engere Zusammenarbeit zwischen dem Bund und der EU, um die deutschen und europäischen Hersteller im globalen Wettbewerb zu unterstützen. Dazu gehört die Anpassung der rechtlichen Rahmenbedingungen, die Sicherstellung eines fairen Wettbewerbs und der Abbau von Handelshemmnissen. Zudem sollen Kooperationen und Joint Ventures gefördert werden, um den Technologievorsprung auszubauen.
- Der beschlossene europaweite Umstieg auf Elektromobilität muss weiterverfolgt werden. Dazu gehören auch die europäischen CO2-Flottenziele. Bisher werden diese jahresweise bemessen und benachteiligten Unternehmen in der Transformation gegenüber Unternehmen, die als Hersteller von E-Autos gestartet sind. Um den Unternehmen das Erreichen der CO2-Flottengrenzwerte zu erleichtern, fordern wir die Bundesregierung und die EU-Kommission auf, die zurzeit geltende sprunghafte Absenkung des Grenzwertes durch eine schrittweise Absenkung zu ersetzen, ohne die Gesamtziele in Frage zu stellen.
Begründung
Die Zukunftsfähigkeit von Volkswagen ist nicht nur für das Unternehmen selbst, sondern auch für die wirtschaftliche Stabilität des Landes Niedersachsen von entscheidender Bedeutung. Angesichts des wachsenden globalen Wettbewerbs und der notwendigen Transformation hin zu nachhaltiger Mobilität ist es entscheidend, dass das Unternehmen sowohl wirtschaftlich als auch sozial abgesichert wird. Die Landesregierung muss dabei eine zentrale Rolle spielen, indem sie die richtigen politischen Weichen stellt und die Transformation aktiv unterstützt.