Antrag: Qualität der frühkindlichen Bildung in Niedersachsen verbessern – Ausstattungsstandards für Kindertagesstätten anheben

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Landtag stellt fest:

Es ist inzwischen unstrittig, dass frühkindliche Bildung und Betreuung in der Familie und in Kindertagesstätten die Grundlage erfolgreicher Bildungsbiographien bildet und deshalb dringend gestärkt werden muss.

Tatsächlich aber hinkt Niedersachsen nicht nur beim quantitativen Ausbau des Angebotes an Krippen-Plätzen hinterher und ist bundesweites Schlusslicht. Auch bei der qualitativen Ausstattung der Kindertagesstätten hat es in Niedersachsen seit der Verabschiedung des Gesetzes über Tageseinrichtungen für Kinder (Kita-Gesetz) am 16. Dezember 1992 keine wesentlichen Fortschritte mehr gegeben. Auch die finanzielle Ausstattung der Kindertagesstätten ist seitdem nicht wesentlich verbessert worden.

Der Landtag fordert deshalb die Landesregierung auf:

1. Die Personalausstattung der Kindertagesstätten wird schrittweise verbessert.

Der Personalschlüssel wird in den Krippen in einem ersten Schritt bis 2009 verbessert auf eine pädagogische Fachkraft für höchstens 5 Kinder. Dieser Personalschlüssel ist für Unter-3-Jährige auch in altersgemischten Kita-Gruppen sicherzustellen.

Der Personalschlüssel in Kita-Gruppen für 3- bis 6-Jährige wird in einem ersten Schritt bis 2011 verbessert auf eine pädagogische Fachkraft für höchstens 10 Kinder.

2. Das Ausbildungsniveau der Kita-Erzieherinnen und –Erzieher wird angehoben.

Es wird angestrebt, dass die Gruppenleiterinnen und – leiter der Kindertagesstätten über eine Hochschulausbildung verfügen.

Das Land schafft zügig die hierfür notwendigen Aus- und Weiterbildungskapazitäten.

In der Aus- und Weiterbildung wird auch die interkulturelle Kompetenz der Kita-Erzieherinnen und –Erzieher gestärkt. Die Landesregierung setzt sich darüber hinaus dafür ein, dass der Anteil der Zuwandererinnen und Zuwanderer unter den Kita-Erzieherinnen und –Erzieher deutlich erhöht wird.

3. Die Qualitätsentwicklung der Kindertagesstätten wird verstärkt.

Auf der Grundlage des Orientierungsplans für Bildung und Erziehung werden verbindliche Bildungsstandards für die Kindertagesstätten entwickelt.

Gemeinsam mit den Trägern der Kindertagesstätten werden Qualitätsmanagementsysteme entwickelt, die die Arbeit der Kindertagesstätte extern evaluieren und zertifizieren (Kita-Inspektion).

Das Land stellt sicher, dass den Kindertagesstätten landesweit ausreichende fachliche Unterstützungsangebote für die Fort- und Weiterbildung zur Verfügung stehen.

Begründung

In den Kindertagesstätten wird die Grundlage für die gesamte Bildungsbiografie der Kinder und Jugendlichen gelegt. Es ist deshalb mittlerweile unstrittig, dass die Kindertagesstätten zu hochqualifizierten Bildungseinrichtungen ausgebaut werden müssen.

Tatsächlich aber hat sich in Niedersachsen in den letzten Jahren sehr wenig getan. Beim quantitativen Ausbau der Kita-Plätze ist Niedersachsen bundesweites Schlusslicht. Niedersachsen hat die niedrigste Kita-Besuchsquote bei den unter-3-jährigen Kindern und die zweitniedrigste Kita-Besuchsquote bei den 3- bis 6-jährigen Kindern. Auch bei der qualitativen Weiterentwicklung der Kitas ist Niedersachsen schwach. Seit der Verabschiedung des Kita-Gesetzes im Jahr 1992 sind die Ausstattungsstandards nicht mehr angehoben worden. Im Gegenteil, das Modellkommunengesetz ermöglicht die Aussetzung der Mindeststandards für das Raumangebot in den Kitas. Auch zusätzliche Finanzmittel wurden für die Verbesserung der Ausstattung der Kitas nicht zur Verfügung gestellt.

Die Personalausstattung der niedersächsischen Kitas liegt deutlich unter den Empfehlungen der EU. Während die EU bei den Unter-2-Jährigen eine pädagogische Fachkraft für 3 Kinder und bei den Unter-3-Jährigen eine pädagogische Fachkraft für 5 Kinder empfiehlt, liegt die Mindestausstattung in den Krippen in Niedersachsen noch immer bei einer pädagogischen Fachkraft je 7,5 Kinder (2 Kräfte für eine Gruppe mit maximal 15 Kindern). Für die 3- bis 6-Jährigen empfiehlt die EU eine pädagogische Fachkraft für 5 bis 8 Kinder. In Niedersachsen hingegen ist eine pädagogische Fachkraft je 12,5 Kinder (2 pädagogische Fachkräfte für eine Gruppe mit maximal 25 Kindern) vorgesehen. Eine intensive Förderung der Kinder ist bei diesem Personalschlüssel kaum möglich. In einem ersten Schritt soll deshalb in Niedersachsen der Betreuungsschlüssel auf eine pädagogische Fachkraft pro 5 Kindern in den Krippengruppen und 1 Pädagogische Fachkraft pro 10 Kindern in den Kindergartengruppen (3- bis 6-Jährige) verbessert werden.

Das Ausbildungsniveau der Fachkräfte der Kindertagesstätten liegt deutlich unter europäischem Niveau. Lediglich 3,9% der Kita-Fachkräfte verfügen über einen Hochschulabschluss. Demgegenüber haben knapp 25% der Kita-Mitarbeiterinnen und –mitarbeiter nicht einmal einen Fachschulabschluss als Erzieher/in oder Heilpädagoge/in. Die Kapazitäten für die Hochschulausbildung von Kita-Erzieherinnen und –erziehern und für die berufsbegleitende Weiterbildung müssen deshalb zügig deutlich ausgebaut werden. Anzustreben ist, dass zumindest die Gruppenleiterinnen und –leiter der Kitas über eine Hochschulausbildung verfügen.

Angesichts der Tatsache, dass bereits 22% der Kindern in den niedersächsischen Kindertagesstätten mindestens ein Elternteil ausländischer Herkunft haben, muss insbesondere auch die interkulturelle Kompetenz der Erzieherinnen und Erzieher gestärkt und der Anteil der Erzieherinnen und Erzieher mit Migrationsgrund erhöht werden, um diese Kinder gut fördern zu können.

Auch hinsichtlich der Qualitätssicherung hat der "Länderreport Frühkindliche Bildungssysteme 2008" der Bertelsmann-Stiftung Niedersachsen ein eher schlechtes Zeugnis ausgestellt. Zwar hat Niedersachsen in Kooperation mit den freien Trägern 2005 den "Orientierungsplan für Bildung und Erziehung" herausgegeben. Über Informationsveranstaltungen zu diesem Plan hinaus werden die Kita-Mitarbeiterinnen und –mitarbeiter jedoch nicht für Anwendung und Umsetzung dieses Bildungsplans qualifiziert und es gibt keine Umsetzungskontrolle in allen Kitas. Notwendig ist die Entwicklung verbindlicher Bildungsstandards auf der Grundlange des Orientierungsplans und eine regelmäßige interne und externe Evaluation. Gemeinsam mit den freien Trägern muss das Land hierfür ein Qualitätssicherungssystem aufbauen und ein flächendeckendes Unterstützungsangebot für die Qualitätsentwicklung und Fortbildung für die Kitas sicherstellen.

Die Elementarbildung ist in Niedersachsen deutlich unterfinanziert. Die OECD empfiehlt, 1 % des Bruttoinlandsproduktes für die Elementarbildung aufzuwenden. Niedersachsen hingegen wendet nur 0,41% des BIP für die Elementarbildung auf, noch weniger als der Bundesdurchschnitt von 0,5%. Während im Bundesdurchschnitt 3,3 % der öffentlichen Mittel für die frühkindliche Bildung aufgebracht werden, sind es in Niedersachsen nur 3,1% (vgl. Länderreport der Bertelsmann-Stiftung). Das notwendige zusätzliche Personal für die Kindertagesstätten und dessen bessere Qualifizierung sind nur möglich, wenn hierfür erhebliche zusätzliche Finanzmittel aufgebracht werden. Diese sind allein durch Umschichtungen innerhalb des Landeshaushaltes kaum zu erbringen. Das Land muss sich deshalb beim Bund dafür einsetzen, die überschüssigen Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag in einen "Bildungssoli" einzubringen und diesen an die für die Bildung zuständigen Länder weiterzuleiten. Niedersachsen würde dadurch für die Jahre von 2010 bis 2019 ein Betrag von ca. 2,15 Milliarden € zusätzlich zur Verfügung stehen.

Parlamentarische Geschäftsführerin

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