Antrag: Qualfreies Lebensende bei landwirtschaftlich genutzten Tieren: Tierschutzverstöße beim Schlachten verhindern

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Mit dem Tierschutzgesetz gibt es  in Deutschland eine eindeutige Rechtslage, die besagt, dass das Schlachten von Wirbeltieren ohne vorherige Betäubung untersagt ist (Generalverbot mit Ausnahmeerlaubnisvorbehalt, §4 TierSchG). Angehörige von Religionsgemeinschaften, die das Schächten vorschreiben, können unter Berufung auf die im Grundgesetz verankerte Religionsfreiheit eine Ausnahmegenehmigung beantragen. Der Regelfall ist nicht vorgesehen und würde dem Tierschutzauftrag auch widersprechen. Auch wenn juristisch die Religionsfreiheit im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland als höheres Gut eingestuft wird, so ist doch der Schutz der Tiere als Staatsziel festgeschrieben und muss berücksichtigt werden.

In Niedersachsen gibt es zurzeit nur einen Schlachtbetrieb, dem diese Ausnahmegenehmigung erteilt wurde. Es handelt sich um jährlich schwankende Zahlen im unteren dreistelligen Bereich.

Der Landtag begrüßt, dass sich stattdessen mehrheitlich moderne Sichtweisen in den Religions-gemeinschaften durchsetzen, die das Schächten mit z. B. der Elektrokurzzeitnarkose als vereinbar mit ihrer Religion ansehen.

Im Mittelpunkt der gesellschaftlichen Diskussion um mehr Tierschutz stehen aber vielmehr Nottötungen und Schlachtung generell und die damit verbundenen zum Teil mangelhaften Betäubungsmaßnahmen.

Durch eine Studie der Tierärztlichen Hochschule Hannover wurde festgestellt, dass Nottötungen bei todkranken Schweinen, die im landwirtschaftlichen Betrieb von Laien durchgeführt werden, häufig zu spät und fehlerhaft erfolgen.

In deutschen Schlachthöfen werden jährlich ca. 755 Millionen Tiere, davon ca. 65 Millionen Säugetiere und ca. 690 Millionen Tiere beim Geflügel, geschlachtet. Dabei kommt es aus den unterschiedlichsten Gründen immer wieder zu Fehlbetäubungen. Bei Schweinen liegt es z.B. an zu geringen Konzentrationen des Betäubungsgases CO2 oder an zu kurzen Einwirkzeiten. Bei der Elektrobetäubung sind ebenfalls zu kurze Stromflussdauern oder zu geringe Stromstärken festzustellen.  Bei Rindern wird das Bolzenschussgerät am Stirnknochen häufig falsch angesetzt, weil die Tiere unruhig sind. Überprüfungen der Wirksamkeit der Betäubung bei der Schlachtung von Rindern und Schweinen ergaben Fehlbetäubungsraten von 0,1 bis 12 %, je nach Betäubungsverfahren und Schlachthof. Bei der Betäubung von Hühnern und Hähnchen im Elektrowasserbad kommt es häufig zu Stromschlägen vor dem Eintreten der Betäubungswirkung, bei einigen Anlageformen muss eher von Elektroimmobilisation denn von Betäubung gesprochen werden. Daraus resultiert, dass Tiere nicht ausreichend betäubt oder unbetäubt und bei erhaltenem Wahrnehmungs- und Empfindungsvermögen den Schlachtvorgang bzw. die Brühanlage durchleben.

Dringender Handlungsbedarf besteht also zur Verbesserung der Betäubung und deren Überwachung bei der "Normalschlachtung" von Rindern, Schweinen, Geflügel und anderen Tierarten, einschließlich Fischen aus Aquakulturen. Jede Betäubungsmethode hat aus der Sicht des Tierschutzes systematische Nachteile, die es zu beseitigen gilt. Sollte dies nicht möglich sein, sind diese Verfahren durch bessere zu ersetzen. So weist schon der Verfügungsgrund Nr. 6 der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 zum Tierschutz bei der Tötung darauf hin, dass die nicht sofort wirksame CO2-Betäubung nur solange toleriert werden kann, wie praktikable Alternativen nicht zur Verfügung stehen. In der sogenannten Einleitungsphase erleiden die Tiere bis zu 20 Sekunden bei vorhandenem Wahrnehmungs- und Empfindungsvermögen den bei Säugetieren größtmöglichen Erstickungsstress, da die Atmung über den CO2-Gehalt im Blut reguliert wird. Physikalische Verfahren wie der Bolzenschuss oder die Elektrobetäubung erfordern eine Vereinzelung und eine Fixierung der Tiere für den vom Gesetz geforderten genauen und ausreichend langen Ansatz der Betäubungsgeräte. Beides führt zu Stress und Abwehrreaktion, die wiederum den Ansatz erschweren.

Hier ist eine weitgehende Überwachung des Schlachtbetriebes gefordert, um die Anforderungen des Tierschutzes sicher zu stellen. Presse- und Fernsehberichte in der jüngsten Vergangenheit zeigen jedoch das Gegenteil, Schlachtbetriebe werden trotz der ständigen Anwesenheit der zuständigen Behörde nur unzureichend, in Tierschutzfragen teilweise gar nicht überwacht.

Der Landtag fordert von der Landesregierung:

  • Die Landesregierung entwickelt in Zusammenarbeit mit der Tierärztekammer eine Strategie, die Kompetenzen beim Thema Nottötungen zu verbessern. Für Tierhalterinnen und Tierhalter soll eine Fortbildung verpflichtend werden, um eine sichere Feststellung der Notwendigkeit von Nottötungen und deren tierschutzgerechter Ausführung zu gewährleisten
  • Die Landesregierung setzt sich mit einer Bundesratsinitiative dafür ein, dass künftig Alternativen zur CO2-Betäubung wissenschaftlich untersucht und weiterentwickelt werden.
  • Die Landesregierung weist die zuständigen Behörden in den Schlachtbetrieben per Erlass an, die Überwachung des Tierschutzes in den Schlachtbetrieben methoden- und verfahrensspezifisch auszurichten und zu verstärken und dabei alle Verfahrensabschnitte von der Entladung der Tiere von den Fahrzeugen bis zum Ende der Entblutung einzubeziehen. Das amtliche Personal wird angewiesen, sich jährlich in einem Umfang fortzubilden, der der technischen Entwicklung und dem wissenschaftlichen Kenntnisstand angepasst ist.
  • Die Landesregierung wird aufgefordert, Gespräche zur Reduzierung bzw. zur Aufgabe des betäubungslosen Tötens aufgrund der Ausnahmeregelung nach Paragraph 4 Tierschutzgesetz mit den Religionsgemeinschaften fortzusetzen.
Zurück zum Pressearchiv