Antrag: Orientierungshilfe für Lebenslanges Lernen schaffen – Modellprojekte für Bildungsberatung einrichten

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Landtag stellt fest:

Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass die Qualifizierung der Menschen durch Lebenslanges Lernen ohne unterstützende Strukturen eines Bildungsberatungssystems nicht oder nur sehr begrenzt realisierbar ist. Ein Ausbau der Bildungsberatung ist zwingende Voraussetzung, um die  Durchlässigkeit unseres Bildungssystems zu erhöhen und die Teilnahmequote an Weiterbildungsmaßnahmen zu steigern. Auch als zentraler Baustein zur Bekämpfung des Fachkräftemangels ist daher der Ausbau einer unabhängigen, regionalen Bildungsberatung, die sich auf gemeinsame Qualitätsstandards verpflichtet, in Niedersachsen unbedingt notwendig.

Bildungsberatung ist folglich ein unverzichtbarer Bestandteil Lebenslangen Lernens. Da sie nur unabhängig von Anbieterinteressen den qualitativen Anforderungen einer für alle Menschen zugänglichen Beratung gerecht wird, die diese in die Lage versetzt, auf möglichst breiter Informationsbasis eigenständig eine Bildungs-, Ausbildungs- oder Berufsentscheidung zu treffen, muss sie als Teil der Daseinsvorsorge mit öffentlichen Mitteln sichergestellt werden.

Das Niedersächsische Erwachsenenbildungsgesetz vom 23.11.2004 führt zwar in § 1, Abs. 1 neben der Durchführung von Bildungsmaßnahmen die Bildungsberatung als gleichberechtigte Aufgabe der Erwachsenenbildung auf und erkennt damit die Notwendigkeit von Bildungsberatung an, es fehlen allerdings Förderinstrumente zum Aufbau regionaler Netzwerke trägerunabhängiger Beratung. Die bisher von der Landesregierung geplanten Maßnahmen zum Aufbau solcher Bildungsberatungszentren sind im Haushalt nur unzureichend berücksichtigt und bedürfen einer Konkretisierung der Förder- und Umsetzungskriterien.

Der Landtag fordert die Landesregierung daher auf,

  1. angebunden an die Strukturen des Projektes "Lernende Regionen", oder andere bereits bestehende regionale Verbünde, ein niedersächsisches Netzwerk regionaler Bildungsberatungsangebote aufzubauen,
  2. hierzu als erstem Schritt bis zu 5 Modellprojekte trägerunabhängiger Bildungsberatung zu installieren und diese mit insgesamt 1 Mio. € pro Jahr für die Dauer von drei Jahren zu fördern. Die Vergabe der Mittel erfolgt über die Niedersächsische Agentur für Erwachsenen- und Weiterbildung,
  3. durch die Vorgabe formaler und inhaltlicher Qualitätsstandards bei der Projektförderung die Weiterentwicklung der Qualitätssicherung in der Bildungsberatung sicherzustellen. Dazu gehören:
    1. die Einbindung der Bildungsberatung in regionale Netzwerke,
    2. die Qualifizierung von Beraterinnen und Beratern,
    3. die Gewährleistung der Trägerneutralität,
    4. die Einrichtung niedrigschwelliger Angebote, die neben einem Überblick über vorhandene Bildungsangebote und deren Finanzierungsmöglichkeiten auch Selbstlernangebote und Instrumente zur Ermittlung der persönlichen Kompetenzen und Fähigkeiten bereithalten,
    5. die Unterziehung der Beratungseinrichtungen unter einen kontinuierlichen Qualitätssicherungsprozess,
    6. die Dokumentation des Beratungshandelns anhand von Kennzahlen und Indikatoren.
  4. die Modellprojekte einer wissenschaftlichen Evaluation zu unterziehen.

Begründung

Wachsende Anforderungen in der Arbeitswelt, die Ausdifferenzierung von Berufs- und Bildungsbiografien und die Vielfalt der Bildungsangebote erschweren den Überblick über bestehende Ausbildungs- und Weiterbildungsangebote. Die Folge ist ein enorm gestiegener Orientierungsbedarf. Die vorhandenen Beratungsangebote der Agentur für Arbeit, der ARGEn und Optionskommunen, der Kammern und der Universitäten reichen längst nicht mehr aus, um diesem Beratungsbedarf gerecht zu werden. Daher ist es notwendig, Bildungsberatung als eigenständiges Tätigkeitsfeld im Bildungsbereich zu profilieren.

Eine wesentliche Aufgabe der Weiterentwicklung der Bildungsberatung liegt im Erreichen derjenigen Zielgruppen, die bisher im Bildungssystem unterrepräsentiert sind. Ihnen müssen Bildungsangebote aufgezeigt werden, mit denen sie einen Kompetenzzuwachs erreichen, den sie auf dem Arbeitsmarkt verwerten können. Dabei müssen sie auch über die bestehenden Finanzierungsmöglichkeiten informiert werden. Die niedrige Zahl von Studierenden ohne klassischen Hochschulzugang macht beispielhaft deutlich, dass Projekte wie die "Offenen Hochschule" nur greifen können, wenn sie durch eine professionelle Bildungsberatung flankiert werden.

Systematische und professionelle Bildungsberatung ist dabei als Aufgabe der Daseinsvorsorge zu sehen, die von staatlichen Institutionen vorgehalten und finanziert werden muss. Nur so kann gewährleistet werden, dass sie unabhängig von Anbieterinteressen neutral gestaltet und allen Menschen offen zugänglich ist.

Bei der Einrichtung der dafür notwendigen Beratungsangebote kann auf die im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projektes "Lernende Regionen – Förderung von Netzwerken" geschaffenen Strukturen und Erfahrungen zurückgegriffen werden. In Niedersachsen haben unterschiedliche Träger der Erwachsenenbildung im Rahmen dieses Projektes mit großem Erfolg notwendige Entwicklungen zur Förderung des Lebenslangen Lernens in Niedersachsen angestoßen. Das Thema "Aufbau von Bildungsberatungs- und Lernzentren" hat sich in länderübergreifenden Fachdiskussionen, an denen sich auch Niedersachsen beteiligt hat, als die zentrale Herausforderung für die Zukunft einer Wissensgesellschaft herauskristallisiert. Die in Niedersachsen bereits geknüpften Netzwerke und erworbenen Kompetenzen sollten daher beim Aufbau solcher Zentren genutzt werden.

Langfristig ist ein flächendeckendes Netz von Bildungsberatungs- und Lernzentren in Niedersachsen zu errichten. In einem ersten Schritt sollen daher bis zu 5 Modellprojekte eingerichtet werden.  Diese Modellprojekte sollen einen Beitrag zur Weiterentwicklung von Qualitätsstandards in der Bildungsberatung leisten und Erfahrungen in der Praxis sammeln, die dank einer begleitenden Qualitätskontrolle und einer abschließenden Evaluation nach Abschluss der Modellphase, dann in die Festlegung landesweit verbindlicher Kriterien zur Einrichtung neuer Bildungsberatungszentren einfließen können. Die Modellprojekte werden landesseitig mit insgesamt 1 Mio. €/a über einen Zeitraum von drei Jahren gefördert.

Die Modellprojekte müssen vorab festzulegende, wissenschaftlich fundierte Qualitätsstandards einhalten. So müssen die AntragstellerInnen die Einbindung in ein regionales Netzwerk von Bildungs- und Ausbildungseinrichtungen nachweisen. Die im Modellprojekt arbeitenden BeraterInnen müssen entsprechend qualifiziert werden. Um eine neutrale, d.h. von Anbieterinteressen unbeeinflusste Beratung zu gewährleisten, muss die AntragstellerIn Ihre Trägerunabhängigkeit sicherstellen. Neben der Information über vorhandene Bildungsangebote muss das Beratungsangebot auch eine individuelle Lernberatung einschließen. Die am Modellprojekt beteiligten Bildungseinrichtungen haben sich einer ständigen Qualitätssicherung zu unterziehen und müssen ihre Beratungsleistungen anhand von Kennzahlen und Indikatoren dokumentieren.

Fraktionsvorsitzender

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