Antrag: Niedersachsens wirtschaftspolitischer Interventionsplan nach der Bankenkrise

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Die weltweite Finanzkrise wirkt sich auf die niedersächsische Wirtschaft zunehmend negativ aus und wird absehbar noch dramatischere Formen annehmen. Trotz dreistelliger Milliardenhilfe für die Banken zur Bewältigung der Finanzmarktkrise wird ein Durchschlagen der Belastungen auf die Wirtschafts- und Arbeitsmarktsituation nicht verhindert werden können. Mit der Bankenkrise kündigt sich ein massiver konjunktureller Wirtschaftsabschwung an, der ähnlich tiefe und langfristige Spuren hinterlassen wird wie die wirtschaftlichen Einbrüche nach der IT-Krise im Jahr 2000 und nach den Anschlägen vom 11. September 2001. Die aktuellen Wertverluste an den Aktienmärkten sind in ähnlicher Dimension eingetreten wie damals. Auch die Verunsicherung der VerbraucherInnen und der Wirtschaft hat ein vergleichbares Ausmaß wie vor sieben Jahren erreicht. Vor diesem Hintergrund sind dringend Anpassungsmaßnahmen im Landeshaushalt und der politischen Schwerpunktsetzung in Niedersachsen notwendig, die die Binnenkonjunktur kurzfristig stabilisieren durch vermehrte öffentliche und private Zukunftsinvestitionen, ohne neue öffentliche Schulden.

Die Landesregierung wird deshalb aufgefordert, folgende Maßnahmen zu ergreifen:

  1. Vom Neubau des Landtages wird abgesehen. Stattdessen sind möglichst viele Landesliegenschaften in den nächsten fünf Jahren nach einer Effizienzliste energetisch zu sanieren. Das Land beteiligt sich dafür mit den ersparten (Landtags-)Neubaukosten von 50 Mio. Euro an einer neu zu gründenden Public-Private-Partnership-Gesellschaft, die mit einem Gesamtbudget von 500 Mio. Euro in den kommenden fünf Jahren das Sanierungsprogramm ausführen wird und sich aus den damit ersparten Energiekosten refinanziert. Die Modernisierung des Landtages auf Grundlage des Wettbewerbsergebnisses 2002 wird Teil der vorrangigen Bauprojekte.
  2. Mithilfe der energetischen Sanierung privater und kommunaler Wohn- und Geschäftsgebäude ist die Bauwirtschaft zu unterstützen. Dies soll geschehen durch ein neu aufgelegtes Aquisitionsprogramm der N-Bank. Dabei sollen KFW-Mittel eingesetzt und von der N-Bank beworben und kostenfrei durchgeleitet werden. Als Zielwert sind damit 200 Mio. Euro/a KFW-Mittel für Investitionen in Niedersachsen einzuwerben. Daneben soll sich das Land 2009 ff. (durch anteilige Mitfinanzierung) am stark nachgefragten Bundesprogramm zur Verbesserung der sozialen und kulturellen Infrastruktur beteiligen.
  3. In der Wirtschaftsförderung ist ein Schwerpunkt auf den Klimaschutz zu setzen, und mithilfe eines Klima-Innovationsfonds, der über 55 Millionen Euro/a verfügt, sind Fördermittel direkt zu vergeben. Zu unterstützen sind dabei vor allem Branchen im Bereich der regenerativen Energieerzeugung und Effizienzwirtschaft. Für die Stärkung und Unterstützung der kleinen und mittleren Unternehmen sind innovative regionale Projekte in den Zukunftsbranchen Klimaschutz und regenerative Energieerzeugung zu entwickeln und auf Landesebene zu koordinieren. Unter anderem soll auf Landesebene eine Koordinierungsstelle für das Projekt Ökoprofit eingerichtet werden durch die mit insgesamt 300.000 €/a Landesfördermittel Privatinvestitionen bis zur Höhe von 50 Mio. Euro/a induziert werden.
  4. Die Arbeitsmarktförderung des Landes und des Bundes ist auf den Vorjahreswert zu verstärken und nicht zurückzufahren. Für schwer vermittelbare gering qualifizierte Arbeitslose ist die Qualifizierungsförderung zu verbessern. Die Möglichkeit für öffentliche Arbeit mit Harz IV Empfängern ist im breiten Umfang in den Kommunen einzuführen.
  5. Anstatt in Niedersachsen am mittelfristigen Neubau der Autobahnen A 39, A 33 und A 22 festzuhalten, werden die dafür ohnehin viel zu geringen Mittel des Bundesverkehrswegeplanes von 500 Mio. Euro Bundesmittel für den kurzfristigen durchgehenden 6- plus 2-spurigen Ausbau von A 7 und A 2 und deren vollständige Ausstattung mit Effizienz und Verkehrssicherheit optimierender Telematik-Steuerung eingesetzt. Parallel werden die Ortsumgehungen im Zuge der B 73 zwischen Stade und Cuxhaven, an der B 4 um Melbeck und an der B 74 um Bremervörde aus den eingesparten Mitteln mit Vorrang realisiert.
  6. Die für die Y-Trasse im Bundesverkehrswegeplan mittelfristig vorgesehenen 1,3 Mrd. Euro werden stattdessen kurzfristig in ein niedersächsisches Schienenausbau-Programm "Hafenhinterland" mit folgenden Schwerpunkten investiert: Ausbau vorhandener DB- und NE-Bahnstrecken sowie der Knoten Bremen und Hannover. Niedersachsen gibt in den kommenden 10 Jahren 5 Mio. Euro pro Jahr dazu und wirbt bei Hamburg und Bremen um eine gleich hohe Beteiligung.
  7. Die vom Bund und Hamburg für die Vertiefung der Elbe eingeplanten 400 Mio. Euro öffentliche Mittel werden nicht für die Elbvertiefung, sondern für die kurzfristige Ertüchtigung des Bahnknotens Hamburg, ggf. mit dem Neubau einer Güterumgehungsbahn vom Hafen durch Harburg oder ähnlich effektive entsprechende Baumaßnahmen, eingesetzt.

Begründung

Die Bankenkrise und der Konjunktureinbruch wirken sich bereits jetzt unmittelbar auf Wirtschaft und öffentliche Haushalte aus und werden bald auch die Situation am Arbeitsmarkt wieder verschärfen.

Im Vergleich zum Vorjahresmonat ging der Export in Deutschland im August um 2,5 Prozent zurück. Der traditionell starke Maschinenbau meldete 10 Prozent weniger Aufträge. Die Lufthansa meldet einen deutlichen Rückgang der Geschäftsreisen. Opel bittet bereits direkt um Staatshilfen. Auch der Volkswagen-Konzern stellt aufgrund von Auftragseinbrüchen immer wieder seine Produktion ein. Die Banken haben nach jahrelangen Lockerungen ihre Richtlinien für die Vergabe von Krediten an Unternehmen wieder deutlich verschärft. Die korrigierten Wachstumsprognosen lassen vermuten, dass 2009 in Niedersachsen mehr als 400 Millionen Euro weniger Steuern eingenommen werden. Die Verschärfung der sozialen Situation z.B. durch den Verlust von Arbeitsplätzen infolge einer Wirtschaftsflaute wird die Ausgabeseite des Landeshaushaltes zusätzlich belasten.

Bislang negiert die niedersächsische Landesregierung diese zum Teil dramatischen Entwicklungen: Der Haushaltsentwurf 2009 und die dazugehörige Mittelfristige Finanzplanung sind damit aber Makulatur. Um die Folgen der Bankenkrise und des Konjunktureinbruchs wirksam abfedern zu können, bedarf es jetzt einer kritischen und umfassenden Neubewertung der bisherigen Finanzierungsschwerpunkte und einer entsprechenden Umsetzungen neuer Prioritätensetzungen.

Im Einzelnen bedeutet das:

  1. Der Neubau des Landtags würde voraussichtlich 50 Millionen Euro Steuergeld kosten. Zusätzlich ist der Neubau eines Gefängnisses in Bremervörde geplant. Dieses Geld wird effektiver und nachhaltiger investiert, wenn das Land mit Unterstützung von Privaten und Banken selbst beispielgebend seine Gebäude umfassend energetisch modernisiert. Damit würde sich das Land langfristig von den stetig steigenden Energiekosten entkoppeln und künftig viel Geld für Heizung und Strom sparen können. Die Mittel des Landes sind mit einem Anteil von 10 Prozent einer PPP-Contracting-Gesellschaft zuzuführen. An der Gesellschaft sollen sich auch die Finanzwirtschaft und die Bauwirtschaft beteiligen. Die Gesellschaft soll in den kommenden fünf Jahren ein umfassendes energetisches Sanierungsprogramm der Landesgebäude nach einer Effizienzliste abarbeiten. Dabei sind auch der Landtag, die Ministerien und energetisch schlecht ausgestattete Justizvollzugsanstalten (soweit die Substanz sanierungswürdig ist) in die ersten Maßnahmenkataloge einzubinden.
  2. Den Auswirkungen des Wirtschaftseinbruches auf die Bauwirtschaft ist entgegen zu wirken, indem die nötige Sanierung von privaten und kommunalen Gebäuden in einem stärkeren Maß als bislang in Niedersachsen mit KFW Mitteln gefördert wird. Daneben ist das sinnvolle Bundesprogramm, das die energetische Sanierung der sozialen und kulturellen Infrastruktur der Kommunen vorsieht, durch Landesmittel gegenzufinanzieren. In Kooperation mit dem Handwerk sowie den Architekten- und Ingenieurkammern wird zudem eine landesweite Informations- und Beratungskampagne gestartet, bei der unter anderem auch die komplexen Herausforderungen zur energetischen Sanierung denkmalgeschützter Gebäude in den Fokus genommen werden.
  3. Der unspezifische Wirtschaftsförderfonds des Landes wird in einen gezielt auf Klimaschutz und Innovationen ausgerichteten Förderfonds umgewandelt. Zusätzlich werden diesem Topf auch andere, bisher wenig effiziente Investitionsbudgets zugeführt. Nicht nur der Bund für Steuerzahler beklagt, dass jährlich viele Millionen Euro in Niedersachsen verschwendet werden, weil sie für teure, ineffektive und überflüssige Symbolprojekte ausgegeben werden. So würde z.B. die geplante Elbbrücke zum Amt Neuhaus für 40 Millionen Euro bei 5.000 dadurch verbessert erschlossenen EinwohnerInnen eine Luxusausgabe werden, die sich Niedersachsen nicht mehr leisten sollte. Angesichts der zu erwartenden Einbrüche bei den Haushaltseinnahmen ist es künftig noch wichtiger als bisher, die öffentlichen Mittel nachhaltig einzusetzen. Kleine und mittlere Betriebe (KMU) stehen dabei im Mittelpunkt der Bemühungen. Mit innovativen Projekten sollen die KMU unterstützt werden. Dies kann zum Beispiel gelingen mit regional abgestimmten Profilierungskonzepten in der Tourismuswirtschaft. Oder aber auch durch das Projekt Ökoprofit, das teilnehmenden Unternehmen hilft, Kosten und Ressourcen zu sparen.
  4. Aktuell plant die Landesregierung für das kommende Haushaltsjahr, die Mittel für Arbeit und Qualifizierung im Vergleich zu den Vorjahren zu verringern. Aufgrund der Finanzkrise, die schon jetzt zu massiven Einbrüchen bei den Aufträgen der niedersächsischen Unternehmen geführt hat, ist damit zu rechnen, dass die Arbeitslosigkeit wieder steigen wird. Daher sind alle Bemühungen für einen starken Arbeitsmarkt mindestens auf dem Niveau der vergangenen Jahre zu halten. Noch besser wäre es allerdings, die Unterstützung auszuweiten.
  5. Die Autobahnen A 39, A 33 und A 22 sind verkehrspolitisch unsinnig und sowohl ökologisch als auch haushalterisch schädlich. Die durch diese Vorhaben gebundenen Mittel wären besser in den Ausbau bereits vorhandener und überlasteter Strecken investiert. Bei der A 7 und A 2 handelt es sich um extrem unfallträchtige Autobahnen, auf denen die Situation durch eine umfassende telematische Verkehrssteuerung deutlich entschärft werden könnte. Wegen der Planungen für die A 39 und A 22 wurde der Bau diverser Ortsumgehungen vernachlässigt. Dieses Versäumnis ist nun aufzuholen, soweit nicht durch eine Maut auf den betroffenen Bundesstraßen für LKW Durchgangsverkehr bereits eine ausreichende Entlastung der Anwohner erreicht werden kann.
  6. Für den Bau der Y-Trasse sind im Bundesverkehrswegeplan 1,3 Mrd. Euro vorgesehen. Der Bau würde bis zum Jahr 2020 dauern. Bereits ab dem Jahr 2012 wird jedoch eine Kapazitätslücke im Schienengüterverkehr klaffen, die sich aufgrund der prognostizierten Güterverkehrssteigerungen bis 2025 noch weiter öffnen wird. Deshalb sind die genannten kurzfristigen Maßnahmen zum Schienenausbau im Hafenhinterland zu ergreifen, um der Nachfrage frühzeitig gerecht werden zu können.
  7. Die gleichzeitige öffentliche Finanzierung des Tiefwasserhafens in Wilhelmshaven und der Elbvertiefung zum Hamburger Hafen ist nun auch wegen der finanziellen Prioritätensetzung nicht mehr sinnvoll. Sinnvoller wäre es, die Hinterlandanbindung der Häfen zu optimieren und zu diesem Zweck sowohl den Bahnknoten Hamburg als auch den Harburger Bereich zu ertüchtigen.

Fraktionsvorsitzender

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