Antrag: Niedersachsens Stimme in Europa stärken: Beteiligung des Landtages in Angelegenheiten der Europäischen Union ausbauen

Fraktion der SPD
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Landtag stellt fest, dass

  • die Rechtssetzung der Europäischen Union zunehmend die Gestaltungssphäre nationaler und subnationaler Parlamente prägt. Ein Großteil der von Bund und Ländern gesetzten Normen so­wie die Verwaltungspraxis auf allen Ebenen der Mitgliedstaaten ist mittlerweile an Vorgaben des Unionsrechts gebunden bzw. ist die Ausführung und Umsetzung von Unionsrecht.
  • die Interessen der Länder bei der europäischen Gesetzgebung zwar in erster Linie durch den Bund gewahrt werden. Jedoch misst das Unionsrecht seit Inkrafttreten des Vertrags von Lissa­bon zum 01.12.2009 dem Bundesrat gemäß Artikel 12 EUV eine eigenständige Bedeutung im Institutionengefüge der Europäischen Union zu.
  • nach Artikel 23 Abs. 2 Satz 1 GG der Bundesrat in Angelegenheiten der Europäischen Union mitwirkt. Die Bundesregierung hat Stellungnahmen des Bundesrats bei der Festlegung der Ver­handlungsposition im Rat der Europäischen Union nach Maßgabe des Gesetzes über die Zu­sammenarbeit von Bund und Ländern (EuZBLG) zu berücksichtigen. Weitere Rechte und Pflichten begründet das Gesetz über die Wahrnehmung der Integrationsverantwortung des Bundestages und des Bundesrates in Angelegenheiten der Europäischen Union (IntVG) vom 22.09.2009.
  • ein Beteiligungsverfahren des Niedersächsischen Landtages in EU-Angelegenheiten erforder­lich ist, das jeweils zeitnah und effektiv die Einbindung der Volksvertretung sicherstellt. Hierfür dient bis heute die Entschließung des Niedersächsischen Landtages vom 14.09.1995 (Drs. 13/1369 [neu]) als Verfahrensgrundlage, zuletzt ergänzt um ein Schreiben der Chefin der Staatskanzlei an den Direktor des Landtages vom 30.09.2010, ein Schreiben des Präsidenten des Landtages an den Ministerpräsidenten vom 03.11.2011 und ein Schreiben der Chefin der Staatskanzlei an den Präsidenten des Landtages vom 16.02.2012. Damit ist grundsätzlich eine Beteiligung des Landtages in EU-Angelegenheiten gewährleistet. Seit der Entschließung des Landtages vom 14.09.1995 haben sich jedoch die Rahmenbedingungen, wie vorstehend darge­legt, maßgeblich verändert. Zudem haben sowohl Häufigkeit als auch Auswirkungsgrad der EU-Normensetzungsvorhaben auf Niedersachsen in den letzten Jahren kontinuierlich zuge­nommen. Deshalb bedarf die Entschließung aus dem Jahr 1995 einer Aktualisierung, die den heutigen Gegebenheiten Rechnung trägt.

Der Landtag fordert die Landesregierung daher auf,

  1. ihm vor ihrer Entscheidung im Bundesrat zu Vorhaben der Europäischen Union im Sinne von § 2 EuZBLG, soweit sie von grundsätzlicher Bedeutung sind, Gelegenheit zur Erörterung und Stellungnahme zu geben,
  2. ihn umfassend, frühestmöglich und fortlaufend über Vorhaben im o. g. Sinne durch Übersen­dung von Berichtsbögen zu unterrichten. Diese sollen zusammenfassende Angaben über den Inhalt des Vorhabens und eine erste, unverbindliche Einschätzung der Landesregierung über die Vereinbarkeit des Vorhabens mit dem Subsidiaritäts- und dem Verhältnismäßigkeits­
    grundsatz sowie die zu erwartenden Folgen des Vorhabens für das Land, insbesondere zu Kosten, Verwaltungsaufwand, Umsetzungsbedarf und Kommunalverträglichkeit, enthalten. Des Weiteren soll der voraussichtliche Termin der Behandlung des Vorhabens im Plenum des Bundesrates und seinen Ausschüssen mitgeteilt werden.
  3. die Stellungnahmen des Landtages zu Angelegenheiten der Europäischen Union in ihren Meinungsbildungsprozess einzubeziehen und ihn über ihre Entscheidung im Bundesrat zu unterrichten. Weicht die Landesregierung von einer Stellungnahme des Landtages ab, teilt sie dem Landtag die hierfür maßgeblichen Gründe mit.
  4. ihn über den Ausgang von Verfahren auf Ebene der Europäischen Union zu informieren, wenn der Landtag hierzu eine Stellungnahme abgegeben hat.

Begründung

Mit der Entschließung soll die in Artikel 25 Abs. 1 Satz 2 der Niedersächsischen Verfassung vorge­sehene Unterrichtung des Landtages in Angelegenheiten der Europäischen Union den seit der letz­ten Entschließung des Landtages vom 14.09.1995 geänderten rechtlichen Rahmenbedingungen gerecht werden. Die Unterrichtungspflicht der Landesregierung soll durch inhaltliche Angaben in den von ihr übermittelten Berichtsbögen erfüllt werden. Der Einfluss des Landtages auf die Willens­bildung der Landesregierung soll zudem durch das Begründungserfordernis für den Fall des Ab- weichens von einer Stellungnahme des Landtages flankiert werden.

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