Antrag: Niedersachsens Milchbauern stärken – Faire Milchpreise durch Mengenbegrenzung erreichen

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Landtag missbilligt, dass das Land Niedersachsen sowohl im Agrarausschuss des Bundesrates am 20.10. 2008 als auch in der Bundesratssitzung am 7.11.2008 gegen eine wirksame Milchmengenbegrenzung und damit einen fairen Milchpreis für die niedersächsischen Milchbauern gestimmt hat. Damit handelt das Land gegen die Interessen der Mehrheit der heimischen Milchbauern.

Der Landtag stellt fest,

dass sich die wirtschaftliche Lage der großen Mehrheit der niedersächsischen Milchviehhalterinnen und Milchviehalter trotz der Versprechungen und Ankündigungen der Bundes- und Landesregierung nach den Protesten des Bundesverbandes Deutscher Milchviehalter (BDM) im Sommer diesen Jahres nicht verbessert hat,

dass die kurzzeitige Erholung des Milchpreises durch Verringerung der am Markt befindlichen Milchmenge infolge des Milchstreiks und die Zusagen der Lebensmittelkonzerne nicht dauerhaft war,

dass insbesondere kleine und mittlere Betriebe zurzeit oft gezwungen sind, ihre Milch unter einem ihre Kosten deckenden Preis abzugeben,

dass der Beschluss der EU-Agrarminister, von 2009 bis 2013 jährlich die EU-weite Milchquote um 1% anzuheben, sowie eine ersatzlose Abschaffung der Quotenregelung in 2015, die Position der bäuerlichen Milchviehhalterinnen und Milchviehhalter gegenüber der Agrar- und Milchindustrie weiter schwächt.

Der Landtag fordert die Landesregierung daher auf, sich auf europäischer und nationaler Ebene dafür einzusetzen,

durch eine stringente Milchpolitik eine nachhaltige Qualitätsmilch-Erzeugung zu fairen Erzeuger- und Verbraucherpreisen dauerhaft zu etablieren,

dass es zu keinen weiteren Erhöhungen der Milchquote kommt und stattdessen ein gemeinsam mit den bäuerlichen Milcherzeugern zu entwickelndes flexibles und am Bedarf des Marktes orientiertes Milchmengensteuerungssystem geschaffen wird, das kostendeckende Preise für die Landwirte ermöglicht.

den in Deutschland geltenden Umrechnungsfaktor der Milchmenge von 1,02 kg/l auf 1,03 kg/l Milch zu erhöhen.

die Molkerei- und Bundessaldierung auszusetzen.

Qualitätsprogramme und Qualitätsmarken für gentechnikfreie, artgerecht erzeugte Milch von bäuerlichen Betrieben zu entwickeln,

für die Verbraucherinnen und Verbraucher klar erkennbare und eindeutige Herkunftsbezeichnungen auf allen Milchprodukten vorzuschreiben und regionale Kennzeichnungsregeln zu unterstützen,

die Mittel aus dem Milchfonds zur Etablierung der flexiblen Mengensteuerung und der Entwicklung des beschriebenen Qualitätssektors im Milchbereich zu nutzen,

durch Ablehnung einer Exportförderung billigster Milch auf den Weltmarkt entwicklungspolitische Konflikte zu vermeiden.

Begründung

Auf dem Milchgipfel der Bundesregierung am 29.07.2008 wurde unter Beteiligung der Landesregierungen, der Bauernverbände, der Molkereien sowie dem Handel ein Maßnahmenpaket vorgeschlagen, dass kurz- und mittelfristig mengensteuernd wirken würde. Dagegen führen die im Agrarausschuss des Bundesrates am 20.10.2008 und in der Bundesratssitzung am 7.11.2008 gefassten Beschlüsse dazu, dass die am Markt befindliche Milchmenge steigt, was zum Sinken des Milchpreises führt. Schon ein Milchpreisrückgang von 1 Cent/kg Milch beschert den deutschen Milcherzeugern einen Einkommensrückgang um 280 Mio. Euro jährlich.

Dieser Wortbruch der meisten Bundesländer führt dazu, dass die von der Mehrheit der Milchviehhalter und dem Bund deutscher Milchviehhalter (BDM) angestrebte  flexible Milchmengensteuerung verhindert wird. Einzig die bedarfsorientierte Verringerung der Milchmenge am Markt kann zu kostendeckenden, stabilen Preisen führen. Die gefassten Beschlüsse treiben Strukturveränderungen in der Milchviehhaltung zugunsten der Exportinteressen der Milchindustrie und zugunsten der allergrößten Betriebe voran, wie dem Betrieb in Kaarßen mit rund 3000 Tieren. Diese Betriebe bringen ein konkurrenzlos rationalisiertes Produkt auf den Markt und können noch zu bedeutend niedrigeren Milchpreisen kostendeckend melken. Das Land Niedersachsen hätte als zweitgrößtes Milch-Bundesland in Deutschland zusammen mit dem Land Bayern, dem größten deutschen Milch-Bundesland, andere Signale setzen können.

Die bäuerlichen Milchviehhalterinnen und Milchviehhalter sind die wesentlichen Verlierer der aktuellen Preisentwicklung auf dem Milchmarkt. Durch die fallenden Preise sind viele Erzeuger gezwungen, die Milch unterhalb der Produktionskosten an die Molkereien abzugeben. Die in der Bundesratssitzung am 07. November 2008 beschlossene gleichmäßige Verteilung der im April 2008 erfolgten Quotenerhöhung um zwei Prozent auf alle Milcherzeuger wird den Preisdruck auf die bäuerlichen Betriebe noch verstärken. Vorschlägen, die Milchmenge durch eine Einbehaltung der Quotenerhöhung in der Bundesreserve, eine Erhöhung des Umrechnungsfaktors auf 1,03 kg/l Milch und eine Aussetzung der Molkerei- und Bundessaldierung zu begrenzen, wurde durch die Mehrheit der Bundesländer nicht gefolgt.

Es muss doch grade im Zusammenhang mit den aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrisen festgestellt werden, dass Märkte effiziente Regeln brauchen. Die Milchbauern fordern diese Regeln und nicht in erster Linie frisches Geld, wie es mit dem Milchfonds, gefordert vom Bauernverband, umgesetzt von Landesregierung, Bundesregierung und europäischem Ministerrat, in Aussicht gestellt wird.

Profitieren vom sinkenden Milchpreis wird die exportorientierte Milchindustrie. Entwicklungspolitische Konflikte sind vorprogrammiert, wenn billigste Milch und Milchprodukte aus der EU die heimische Produktion in Entwicklungsländern durch Exportdumping zerschlägt. Eine den Analysen und den Empfehlungen des Weltagrarrates zur Entwicklung der ärmsten Länder der Welt und zur Dezimierung des Welthungers diametral entgegen gesetzte Politik wird damit gefördert. Deshalb muss eine Exportförderung im Milchbereich abgelehnt werden.

Im Interesse einer nachhaltigen Milchpolitik für Niedersachsen ist es, die bäuerlichen Betriebe zu stärken. Problematisch für milcherzeugende Betriebe ist in der derzeitigen Situation nicht nur die Höhe sondern auch die fehlende Verlässlichkeit des Einkommens. Die starken Schwankungen der Milchmarktpreise bieten kaum die Sicherheit, um die eigene Produktion stärker an ökologischen Kriterien auszurichten oder sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze zu schaffen.

Umfragen im Zusammenhang mit dem Milchstreik  im Sommer dieses Jahres haben gezeigt, dass Verbraucherinnen und Verbraucher bereit sind, einen höheren Preis für Milchprodukte zu zahlen, wenn sichergestellt ist, dass die bäuerlichen Milchviehalter direkt profitieren. Nach einer aktuellen Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) vom November 2008 sind 75,5 % der Bundesbürger für eine Begrenzung der Milchmenge auf den heimischen Bedarf und 60,6 % für eine Kürzung der Agrarsubventionen zugunsten von mehr Klima- und Umweltschutz.

Eine Erhöhung der Milchquote um 5 % würde nach Schätzungen allein in Deutschland die jährlichen Treibhausgasemissionen um rund eine Million Tonnen CO2  - das entspricht dem Klimagasausstoß von einer halbe Million Autos - erhöhen.

Ein wichtiger Schritt zur Stärkung der Position der Milcherzeuger am Markt kann daher neben der Einführung eines flexiblen Mengensteuerungssystems die Entwicklung von Qualitätsmarken für gentechnikfreie, artgerecht erzeugte Milch von bäuerlichen Betrieben sein. Profitieren würden nicht nur die Milcherzeuger, sondern auch die Verbraucherinnen und Verbraucher, da erst durch die klare Kennzeichnung eine bewusste Kaufentscheidung ermöglicht wird. Deshalb sind die Mittel aus dem Milchfonds, die auf Niedersachsen entfallen, auf keinen Fall für die Schaffung zusätzlicher Produktionskapazitäten zu verwenden, sondern ausschließlich für die genannte Qualitätsentwicklung im Milchsektor zu verausgaben. Der Milchfonds von Regierung und EU kann die Verluste der Bauern durch die geplante Deregulierung der Milchmengenregelung keinesfalls auffangen.

Mit 7,8 Milliarden Euro beziffert die EU-Kommission die Verluste europaweit. Laut Bund Deutscher Milchviehhalter (BDM) bedeutet dies einen Verlust von 5 Cent pro Kilo Milch. Zudem ist die Erhöhung der Agrarinvestitionsförderung, auf die das Landwirtschaftsministerium einen Schwerpunkt des Milchfonds legen will, höchst kontraproduktiv für die besonders gefährdeten bäuerlichen Milchviehbetriebe in strukturschwachen Gebieten. Mit der geplanten Investitionsförderung wird gerade die agrarindustrielle Produktion auf den ertragreichen Grünlandstandorten weiter ausgebaut und optimiert. Dadurch erhöht sich der Konkurrenzdruck auf die benachteiligten Gebiete weiter.

Ein verbessertes System von Herkunfts-, Regional-, sowie Qualitätskennzeichnungen kann auch dem Verbraucher und der Verbraucherin helfen, nachhaltig produzierte Produkte besser zu erkennen und nachzufragen.

Fraktionsvorsitzender

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