Antrag: Niedersachsen tritt in die Pedale: Fahrradland Nummer 1 weiter stärken!

Fraktion der SPD
Fraktion Bündnis 90 Die Grünen

Der Landtag wolle beschließen:Entschließung

 

In Niedersachsen sind rund 3.000 km Bundesstraßen und 4.800 km Landesstraßen mit Radwegen ausgestattet. Zudem laden mehr als 40 Radfernwege mit rund 11.000 Kilometer zu Radtouren bspw. an Flüssen, an der Nordseeküste, durch die Lüneburger Heide und in Ostfriesland ein. Im vergangenen Jahr kürte der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) mit der ADFC-Radreiseanalyse 2024 erneut die Weser- und den Elb-Radwege zu den zwei beliebtesten Radwegen in Deutschland. Gleichzeitig steht unser Flächenland nicht nur finanziell vor der immensen Herausforderung, das landesweite Radwegenetz zu pflegen, instand zu halten und auszubauen, um allen Menschen in Niedersachsen ein gleichwertig attraktives Angebot zu machen.

Der Landtag nimmt sich dieser Aufgabe an. Ziel ist hierzulande den Anteil des Radverkehrs am Gesamtverkehr auf mindestens 25 Prozent bis spätestens 2030 zu steigern. Dem Fahrrad als umweltverträglichen Verkehrsträger kommt gleichzeitig eine Schlüsselfunktion bei der Mobilitätswende und damit der CO2-Reduktion zu. Laut ADFC-Studie vom Mai 2024 ließen sich bei einer Verdreifachung des Radverkehrs deutschlandweit rund 19 Millionen Tonnen CO2 jährlich im Verkehrssektor einsparen. Mehr Radverkehr bedeutet außerdem weniger Lärm, verbraucht weniger öffentlichen Raum und fördert die Gesundheit.

Damit Menschen so oft wie möglich statt des Autos lieber das Rad nutzen, muss das Angebot stimmen: Dafür brauchen wir eine durchgehend einladende und verkehrstechnisch sichere Radwegeinfrastruktur, die Verknüpfung mit Bus und Bahn sowie immer mehr fahrradfreundliche Kommunen. Wo Bürgerinnen und Bürger auf der heutigen Radinfrastruktur noch nicht sicher sind oder sich noch unsicher fühlen, ist auf Verbesserungen hinzuarbeiten. Denn viele Menschen wären grundsätzlich bereit aufs Rad umzusteigen, wenn sie sich ausreichend sicher fühlen.

Der Landtag begrüßt,

  1. dass die Landesregierung die mit dem Haushalt 2024 erfolgte Erhöhung des Landesstraßenbauplafonds auf 109,5 Mio. Euro und damit auch die 22,5 Mio. Euro für die Sanierung und den Bau von Radwegen entlang von Landesstraßen in ihrer mittelfristigen Finanzplanung abgesichert hat,
  2. dass die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr (NLStBV) wie vom Landtag gefordert „Radverkehrsbeauftragte“ in den regionalen Geschäftsbereichen eingerichtet hat,
  3. dass die verausgabten Haushaltsmittel für Radwegeneubauprojekte des Landes von 3,8 Mio. Euro im Jahr 2018 auf 8,5 Mio. € im Jahr 2023 gestiegen sind, und dass sich die verausgabten Haushaltmittel für die Sanierung von Radwegen des Landes im gleichen Zeitraum durchschnittlich mehr als verdoppelt haben,
  4. dass mit dem Fahrradmobilitätskonzept ein umfassender Arbeitsrahmen für einen verbesserten Radverkehr vorliegt, dessen Maßnahmen das Land sukzessive umsetzen wird und dass das Konzept mit entsprechenden finanziellen Mitteln im Landeshaushalt hinterlegt ist,
  5. die als ein Baustein des Fahrradmobilitätkonzeptes in Zusammenarbeit mit der Landesverkehrswacht gestartete Sicherheitskampagne des Landes unter dem Motto „Mehr Miteinander“. Diese Kampagne will die Sicherheit für Radfahrende verbessern und verfolgt das Ziel, die Anzahl getöteter und verletzter Radfahrender zu senken,
  6. dass das Land mit der in 2024 veröffentlichten Handreichung Radverkehrskonzepte, die sich insbesondere an kleinere Kommunen richtet, eine Hilfestellung anbietet, um diese bei der Erarbeitung konzeptioneller Ansätze für den Radverkehr zu unterstützen,
  7. die Kooperation des Landes mit der Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundlicher Kommunen (AGFK), die mittlerweile rund 100 Mitgliedskommunen umfasst, sowie den jährlichen Kooperationsbeitrag des Landes in Höhe von 300.000 Euro seit 2025,
  8. dass im Rahmen von Radwegesanierungen alte, schmale Radwege unbürokratisch und ohne Planfeststellungsverfahren dem neuesten Stand der Technik entsprechend verbreitert werden können,
  9. dass ein Erlass durch die Landesregierung veröffentlicht wurde, der die Anwendung von Fahrrad-Piktogrammketten auf öffentlichen Straßen regelt.

Der Landtag bittet die Landesregierung,

  1. zu prüfen, wie die Planung von Radwegen vereinfacht und beschleunigt werden kann;
  2. den „Leitfaden Radverkehr“ für Radwege an Bundes- und Landesstraßen der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr aus dem Jahr 2013 entsprechend dem allgemeinen Stand der Technik (z.B. Berücksichtigung der Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (kurz ERA) bei Sanierung und Neubau von Radwegen) zu aktualisieren und dabei gute Praxisbeispiele zu berücksichtigen,
  3. das Radwegekonzept 2016 zu evaluieren und zu aktualisieren,
  4. eine Weiterentwicklung des Fahrradmobilitätskonzepts vorzunehmen,
  5. zu prüfen, inwieweit sich die Verknüpfung der Verkehrsmittel Rad sowie Bus und Bahn verbessern lässt und die kostenlose Mitnahme des Fahrrades niedersachsenweit zu landesweit einheitlichen Zeiten in Bus und Bahn erreicht werden kann,
  6. zu prüfen, inwieweit und mit welchen Maßnahmen sich landwirtschaftliche Wege, Wirtschaftswege und Waldwege für den Radverkehr öffnen und in das Radwegenetz einbinden lassen; insbesondere ist eine Handreichung für die Kommunen für die Nutzung von Wirtschafts- und Waldwegen mit dem Ziel zu erarbeiten, Haftungsfragen zu regeln und für alle Beteiligten Rechtssicherheit zu schaffen,
  7. den Kommunen eine Handreichung zu geben, wie sie im Umfeld von Schulen temporäre Sperrungen (Schulstraßen) umsetzen können,
  8. die Handreichung für Radverkehrskonzepte, die sich insbesondere an kleine Kommunen richtet, fortwährend zu evaluieren und gegebenenfalls zu optimieren,
  9. sich für die Schaffung einer bundeseinheitlichen straßenverkehrsrechtlichen Anordnungsgrundlage für die Markierung von alleinstehenden Radverkehr-Sinnbildern beziehungsweise Piktogrammketten auf öffentlichen Straßen mit Mischverkehr einzusetzen,
  10. zu prüfen, wie innerhalb des Wirtschaftsministeriums und der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr die Beratung für Kommunen in den Bereichen Förderung des Radverkehrs, Beratung und Weiterbildung weiter ausgebaut werden kann.

Begründung

Die rot-grüne Landesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, dass im Jahr 2030 die Menschen in Niedersachsen jeden vierten Weg mit dem Fahrrad zurücklegen. Das würde eine deutliche Steigerung gegenüber 2017 bedeuten, als der Anteil des Radverkehrs am Gesamtverkehr bei 15 Prozent lag. Um die Herausforderung erfolgreich zu bestehen, braucht es daher kluge Maßnahmen an vielen Stellen.

Das Radwegenetz an Bundes- und Landestraßen ist weiter auszubauen und Lücken sind zu schließen. Für den Ausbau des Radwegenetzes an kommunalen Straßen stehen Fördermöglichkeiten seitens des Landes zur Verfügung, die noch weiter verbessert werden können. Die vorhandenen Radwege sind ausreichend instand zu halten. Der Ausbau bzw. die Verbreiterung vorhandener Radwege sind dem aktuellen Stand der Technik entsprechend voranzutreiben und es sind hierfür die rechtlichen Randbedingungen für die Erlangung des Baurechts zu vereinfachen, um dies zu ermöglichen beziehungsweise zu unterstützen.

Das Radwegekonzept des Landes ist das Instrument, mit dem die Landesregierung den Neubau von Radwegen an Landesstraßen steuert. Dort aufgenommen sind im vordringlichen Bedarf derzeit 144 Projekte mit einer Länge von rund 460 Kilometern und einem Investitionsvolumen von mehr als 100 Millionen Euro.

Gleichzeitig ist festzustellen, dass die letzte Zustandserfassung und -bewertung 2020 (ZEB 2020) von Radwegen an Landesstraßen ergab, dass 80 Prozent mit gut (2015: 75 Prozent), 5 Prozent mit mittel (6 Prozent) und 15 Prozent mit schlecht (19 Prozent) abschnitten. Niedersachsen ist zwar auf einem guten Weg: Die nächste Zustandserfassung findet 2025 statt und die Haushaltsmittel für die Erhaltung der Radwege an Landesstraßen konnten weiter erhöht werden. Das neun Jahre alte Radwegekonzept ist neu aufzulegen und mit den aktuellen Bedarfen abzugleichen.

Die Kommunen sollten bei ihren Bemühungen, den Radverkehr vor Ort zu verbessern, weiter unterstützt werden. So kann die Handreichung zur Aufstellung von Radverkehrskonzepten helfen, den Aufwand in den kommunalen Verwaltungen möglichst gering zu halten. Seit der Novelle der Straßenverkehrsordnung haben Kommunen beispielsweise mehr Kompetenz zugesprochen bekommen, den öffentlichen Raum zugunsten des Fahrrades aufzuteilen und damit dessen bisherige Benachteiligung abzubauen.

Schon heute würden viel mehr Menschen ihr Auto stehen lassen und stattdessen aufs Rad steigen, wenn sie sich sicher genug beim Radfahren fühlen würden. Beim Fahrrad-Monitor Deutschland 2023 des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr gaben 56 Prozent der Befragten an, nicht oder nur selten Rad zu fahren, weil sie Angst vor einem möglichen Unfall haben. Die Hälfte gab an, das Rad stehen zu lassen, weil die Infrastruktur nicht gut genug ausgebaut sei. Eine Ipsos-Studie aus dem Jahr 2022[1] ergab, dass drei Viertel aller Deutschen überzeugt sind, dass dem Fahrrad eine wichtige Rolle bei der Reduzierung des Verkehrsaufkommens und der Verringerung von Treibhausgasen zukommt. Dennoch ließen 42 Prozent das Rad stehen, weil ihnen Radfahren zu gefährlich ist. Dieses Potenzial gilt es zu heben. Die aktuelle Sicherheitskampagne des Landes und der Landesverkehrswacht soll öffentlichkeitswirksam bei den Menschen mehr Bewusstsein dafür schaffen, im Straßenverkehr miteinander rücksichtsvoll umzugehen. Eine bessere und sichere Radwegeinfrastruktur erhöht sowohl die gefühlte als auch die faktische Sicherheit.


[1] Studie des Marktforschungsunternehmen Ipsos: „Cycling across the world“ aus Mai 2022.

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