Antrag: Nicht der Entwicklung hinterherhinken – Mitgestaltungsrechte der Bürger fördern und den Petitionsausschuss stärken

 

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Landtag stellt fest:

Ein modernes Petitionsrecht erfordert ein bürgerfreundliches, transparentes und unbürokratisches Petitionsverfahren, welches dem Bürger weitergehende Mitwirkungs- und Mitgestaltungsrechte einräumt. Die Nutzung moderner elektronischer Kommunikationsmittel, die in den vergangenen Jahren zum festen Bestandteil der Informations- und Kommunikationskultur geworden sind, eröffnen dem Bürger neue Partizipationsmöglichkeiten im Petitionsverfahren. Der Deutschen Bundestag teilt diese Erkenntnis und hat daher die Internetnutzung in der parlamentarischen Petitionspraxis mittlerweile mit großem Erfolg eingeführt. Der niedersächsische Landtag sollte sich dieser neuen Verfahrenspraxis anschließen. Zur angemessenen Bearbeitung der Eingaben und einer adäquaten Sachverhaltsaufklärung sind zudem die Befugnisse des Petitionsausschusses zu stärken und an die Rechte anderer Länder anzupassen.   

Der Landtag fordert die Landesregierung auf:

  • den Bürgern und Bürgerinnen den Zugang zum Petitionsausschuss durch die Eingabe von E-Mail-Petitionen zu ermöglichen;
  • öffentliche Petitionen einzuführen, die den Bürgern und den Bürgerinnen bei Themen von allgemeinem Interesse die Möglichkeit zur Diskussion und Mitzeichnung eröffnen;   
  • öffentliche Anhörungen von Petenten bei Massen- und Sammelpetitionen bei einem Quorum von 5000 Mitzeichnern zu ermöglichen;
  • ein Selbstaufgriffsrecht des Petitionsausschusses zu schaffen;
  • das Petitionsverfahren durch die Einrichtung von zwei Berichterstattern bzw. Berichterstatterinnen aus verschiedenen politischen Lagern zu stärken;
  • auf Antrag die Möglichkeit der öffentlichen Ausschusssitzung einzuführen, wenn der Petent sein Einverständnis erteilt und keine gewichtigen Gründe gegen die Öffentlichkeit sprechen;   

Begründung

Die bislang geltenden Verfahrensvorschriften im Petitionsrecht, wonach nur eigenhändig unterschriebene Petitionen zulässig sind, beschneiden nicht nur den Schutz des Petitionsgrundrechts, sondern sie gehen auch an der Realität einer modernen Gesellschaft vorbei, die sich immer mehr elektronischer Kommunikationsmedien bedient. Derzeit beim Landtag eingehende E-Mail-Petitionen müssen zurückgewiesen werden und können nicht bearbeitet werden, weil viele Petenten von einem weiteren schriftlichen Versuch absehen. Aufgrund ähnlicher Erfahrungen beschloss der Bundestag im September 2005 die E-Mail-Petition als Modellversuch einzuführen. Auch das Schriftformerfordernis nach Artikel 17 GG stand dem nicht entgegen. Denn der Zweck der Schriftform, eine gewisse Rechtssicherheit und Verlässlichkeit der Eingabe, kann auch durch die Angabe von Name und Anschrift in einer E-Mail gewahrt werden. Die seit Einführung der E-Mail-Petition im Bundestag gemachten Erfahrungen und die Resonanz bei den Bürgern sind gut. Der Anteil der E-Mail-Petitionen an der Gesamteingabezahl liegt bei rund zehn Prozent. Es kann somit festgestellt werden, dass sich die Befürchtungen der Skeptiker nicht bewahrheitet haben und der Ausschuss nicht von E-Mail-Petitionen überschwemmt worden ist. Den Bürgern und Bürgerinnen wurde lediglich ein weiteres, zeitgemäßes Mittel zur Verfügung gestellt, um sich an den Petitionsausschuss zu wenden, das sie rege und angemessen nutzen.

Zur Schaffung größerer Transparenz des Petitionsverfahren und zur stärkeren Partizipation der Bürger bedarf es ferner der Einführung von öffentlichen Petitionen, wie ebenfalls schon auf Bundesebene praktiziert. Unter öffentlichen Petitionen sind Eingaben von allgemeinem Interesse zu verstehen, die im Einvernehmen mit dem Petenten auf der Internetseite des Petitionsausschusses veröffentlicht werden. Ziel ist es, Themen von allgemeinem Interesse an weitere Personen heranzutragen und ihnen über das Internet Gelegenheit zur Diskussion und schließlich zur Mitzeichnung zu geben. Mit der Übernahme eines Kataloges von Ausschlusskriterien, der auf Bundesebene in der "Richtlinie für die Behandlung von öffentlichen Petitionen" festgelegt wurde, kann sichergestellt werden, dass nur sachliche Eingaben ins Internet gestellt werden. 

Die Forderung nach einer öffentlichen Anhörung des Petenten im Ausschuss bei Massen- oder Sammelpetitionen geht auf die Erkenntnis zurück, dass das bürgerschaftliche Engagement stetig zunimmt und sich vermehrt Bürger zusammenschließen, um sich für ein gemeinsames Ziel einzusetzen und um auf Mängel in der Gesetzgebung aufmerksam zu machen. Dadurch liefern sie unmittelbare Anregungen zu Verbesserungen und zeigen ihren Wunsch nach Beteiligung und Mitgestaltung. Um diesem bürgerschaftlichen Engagement gerecht zu werden, muss eine Differenzierung vorgenommen werden zwischen am Gemeinwohl orientierten Massenpetitionen, bei denen es den Petenten gerade auf die Herstellung von Öffentlichkeit ankommt, und Einzelpetitionen mit einem Individualanliegen, bei denen Diskretion und Datenschutz gewahrt werden müssen. Bei Massen- oder Sammelpetitionen mit einem Quorum von 5000 Unterstützung ist es daher angemessen, dem Petenten ein Anspruch auf Gehör in öffentlicher Sitzung zu gewähren. Auch diese Forderung wird bereits auf Bundesebene mit Erfolg praktiziert.  

Die weiteren neu einzuführenden Befugnisse sollen den Petitionsausschuss insgesamt stärken. Durch ein Selbstaufgriffsrecht wie bereits in Berlin, Rheinland-Pfalz und Mecklenburg-Vorpommern praktiziert soll der Ausschuss von sich aus tätig werden können. Die Einrichtung von zwei Berichterstattern aus verschiedenen politischen Lagern soll Gewähr für eine ausgewogene Darstellung der Eingabe sein. Es ist angemessen und im Interesse des Bürgers, wenn die Beurteilung einer Eingabe nicht nur auf Grundlage der Ausführungen von einer Person erfolgt. Auf Bundesebene, in Bayern, Berlin und Schleswig-Holstein wird daher mit zwei Berichterstattern gearbeitet. Für die Möglichkeit der Beantragung der öffentlichen Ausschusssitzung spricht, dass viele Petenten gerade ein Interesse an der Herstellung von Öffentlichkeit im Petitionsverfahren haben. Das Argument, dass zum Schutz des Betroffenen immer unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu tagen ist, geht ins Leere, da die Öffentlichkeit nur mit Einverständnis des Petenten hergestellt werden kann. Ferner ist hier zu bedenken, dass nicht nur in anderen Länder die Beantragung der öffentliche Ausschusssitzung möglich ist, sondern in Bayern Sitzungen des Petitionsausschusses grundsätzlich öffentlich stattfinden. 

Parlamentarische Geschäftsführerin

Zurück zum Pressearchiv