Antrag: Neuordnung des Friedhofs- und Bestattungswesens

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Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Hannover, den 18.6.2003

Der Landtag wolle beschließen:
Entschließung
Der Landtag stellt fest:
Das Friedhofs- und Bestattungsrecht in Niedersachsen stammt aus dem Jahre 1934 und ist derzeit in unterschiedlichen Rechtsvorschriften geregelt. Diese Rechtsvorschriften sind unübersichtlich, veraltet und anpassungsbedürftig. Sie entsprechen den veränderten Anschauungen der Bürgerinnen und Bürger vielfach nicht mehr uns werden den individuellen Wünschen Verstorbener und ihrer Angehörige nicht gerecht.
Der Landtag fordert die Landesregierung auf, einen Entwurf für ein neues Bestattungsgesetz vorzulegen, das den veränderten Wünschen Verstorbener und ihrer Angehörigen gerecht wird. Dabei soll insbesondere
1. die Sargpflicht bei Erdbestattungen aufgehoben werden, um auch Menschen islamischen Glaubens eine Bestattung nach ihrem Ritus zu ermöglichen;
2. der Friedhofszwang für Urnenbestattungen wegfallen. Wie in anderen europäischen Ländern können dann auch in Niedersachsen Angehörige die Asche ihrer Verstorbenen in einer Urne aufbewahren oder an den dafür vorgesehenen Orten verstreuen, wenn die Verstorbenen dies zu ihren Lebzeiten schriftlich festgelegt haben;
3. die Bestattung von Tot- und Fehlgeburten so geregelt werden, dass Hinterbliebenen das Recht zur Bestattung auf dem Friedhof eingeräumt wird. Die Träger von Geburtseinrichtungen haben dabei sicherzustellen, dass mindestens ein Elternteil auf die Bestattungsmöglichkeit hingewiesen wird.

Begründung
Eine Neugestaltung des Bestattungsgesetzes muss die Besonderheiten verschiedener Religionsgemeinschaften, verschiedener Weltanschauungen und veränderte individuelle Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger berücksichtigen, ohne die Belange der christlichen Mehrheit zu vernachlässigen.
In Niedersachsen leben immer mehr Menschen, die nicht dem christlichen Glauben angehören. Diesen Menschen muss die Möglichkeit gegeben werden, eine Bestattung entsprechend ihrer Tradition und Überzeugung vornehmen zu können. Mit der Aufhebung des Sargzwanges wird Rücksicht insbesondere auf die islamischen Bestattungsvorschriften genommen. Denn im Islam ist die sarglose Bestattung die einzig mögliche Bestattungsart. Jede andere Art ist den Muslimen nur im Notfall und als Ausnahme, etwa bei Seuchen, Überschwemmungen etc. erlaubt. Die Sargpflicht hat in der Vergangenheit dazu geführt, dass Angehörige ihre Toten in die Ursprungsländer übergeführt haben. Da die Familienangehörigen z.T. bereits seit Generationen in Deutschland leben, fehlt den Hinterbliebenen in Deutschland der Ort für ihre Trauerkultur.
Die Aufhebung des Friedhofszwangs soll dem Willen verstorbener Menschen über ihre Bestattung einen höheren Stellenwert einräumen, als dies bisher der Fall war. Wenn Verstorbene zu ihren Lebzeiten schriftlich verfügt haben, dass ihre Asche verstreut oder ihre Urne Angehörigen ausgehändigt werden soll, damit sie in dem Umfeld aufbewahrt wird, in dem sie ihr Leben verbracht haben, dann sollte dieser Wille erfüllt werden können.
Die immer wieder geäußerte Befürchtung, die Aufbewahrung der Urne in privaten Räumen könnte die Totenruhe stören, erscheint nicht ausreichend, um eine solche Aufbewahrung zu verbieten. Wenn Menschen sich für die Aufbewahrung ihrer Urne bei ihren Angehörigen entscheiden, so haben sie dabei berücksichtigt, dass sich ihre letzte Ruhe anders gestalten wird als auf einem Friedhof. Die Aufbewahrung der Urne in den Räumen der Hinterbliebenen ist eine neue Form der Totenruhe, die nach dem Willen der Verstorbenen gerade in dieser Form gewünscht ist.
Auch die Bestattung von Tot- oder Fehlgeburten bedarf einer Neuregelung. Hinterbliebenen muss das Recht auf Bestattung von Tot- oder Fehlgeburten eingeräumt werden, wenn sie es wünschen. Damit werden Fehlgeburten aus dem Status des "Operationsabfalls" herausgehoben und wird den Angehörigen eine echte Möglichkeit zur Trauerarbeit gegeben.
Fraktionsvorsitzende

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