Antrag: Miesmuschel-Management an Wattenmeerschutz orientieren

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Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Hannover, den 12.11.2003

Der Landtag wolle beschließen:
Entschließung
Der Landtag stellt fest,
der Bestand von Miesmuschelvorkommen auf den Wattflächen ist nach einer kurzen Erholung 1998/99 in Niedersachsen weiterhin stark im Rückgang begriffen. Der Flächenanteil von eulitoralen Miesmuschelbänken hat sich von über 5000 ha in 1975 auf 1300 ha im Jahre 2003 reduziert. Damit ist ein Biotoptyp gefährdet, der von herausragender Bedeutung für die Morphologie und Ökologie des Wattenmeeres ist. Es gibt Hinweise darauf, dass neben natürlichen Faktoren auch die Befischung zur Saatmuschelgewinnung die Stabilität alter Miesmuschelbänke beeinträchtigt. Der bisher gültige Managementplan läuft zum Ende dieses Jahres aus. Der beschriebenen Entwicklung muss bei der anstehenden Fortschreibung als Bewirtschaftungsplan (§2 Abs. 2 des Gesetzes über den Nationalpark "Niedersächsisches Wattenmeer") Rechnung getragen werden.
Der Landtag fordert die Landesregierung auf,
bei der anstehenden Neufassung des Miesmuschel-Bewirtschaftungsplans folgende Punkte zu berücksichtigen:
1. Die Freigabe von Miesmuschelbänken zur Saatmuschelgewinnung ist am jeweiligen Gesamtbestand unter größtmöglicher Schonung stabiler Muschelbänke und gefährdeter Lebensgemeinschaften auszurichten; die Zonierung des Nationalparks ist bei der Freigabe zu berücksichtigen.
2. Die bisher im Miesmuschel-Managementplan festgeschriebenen Gebiete, die nicht befischt werden dürfen, werden in den Bewirtschaftungsplan als nicht nutzbare Flächen übernommen.
3. Das Miesmuschel-Monitoring ist als Voraussetzung für eine qualifizierte Beurteilung der Situation der Miesmuschelbestände und die Auswirkungen ihrer Nutzung unverzichtbar, und ist mindestens im bisherigen Umfang fortzuführen.

Der Landtag fordert darüber hinaus,
- auslaufende Lizenzen zur Saatmuschelgewinnung nicht neu an andere Betriebe zu vergeben, und
- die Erprobung alternativer Möglichkeiten zur Saatmuschelgewinnung zu unterstützen.
Begründung
Miesmuschelbänke haben eine große ökologische und morphologische Bedeutung für das Wattenmeer, obwohl sie flächenmäßig einen untergeordneten Anteil einnehmen. Aufgrund ihres hohen Stoffumsatzes setzen sie hohe Mengen an Nährsalzen frei, die für die Produktion pflanzliche Biomasse zur Verfügung steht. Die Muscheln selbst sind Nahrungsgrundlage von Krebsen, Seesternen und Vögeln, in den Hohlräumen zwischen den Muscheln finden sich in hohen Dichten Krebse, Würmer und Schnecken, die Schalen selbst werden von festsitzenden Algen und Tieren besiedelt, die ansonsten kaum Hartsubstrat im Wattenmeer vorfinden. Alte Bänke bilden in dem ansonsten ehr dynamischen Lebensraum lagestabile Zonen.
Nach verschiedenen Untersuchungen führt die Fischerei zu Beeinträchtigungen der Stabilität, da sie durch Teilentnahme von Muscheln instabiler gegenüber Wellengang und Strömung werden (z.B. Buschbaum und Nehls in Losan et al. 2003). Dementsprechend muss die Miesmuschelfischerei im Wattenmeer möglichst schonend ausgeführt werden.
Der bisherige Miesmuschel-Managementplan legt Flächen fest, die nicht befischt werden dürfen. Diese umfassen jedoch nicht alle alten Miesmuschelbänke. Zur Schonung dieser Flächen ist zukünftig die Freigabe vorrangig auf weniger empfindliche Bereiche zu konzentrieren. Bei der Zahl der freizugebenden Flächen ist der Gesamtbestand an Miesmuschelflächen und ihre ökologische Ausprägung zu berücksichtigen, um diesen weiterhin gefährdeten Biotoptyp zu erhalten.
Um eine umfassende Datenbasis über den Gesamtbestand und die Ausprägung der Miesmuschelbänke auch zukünftig sicherzustellen, ist die Fortsetzung des bisherigen Miesmuschel-Monitorings unabdingbar. Nur so kann die weitere Entwicklung beobachtet und ggf. entsprechend gegengesteuert werden. Eine Beteiligung der Muschelfischer an den Kosten des Monitorings, wie es in den Niederlanden und Schleswig-Holstein praktiziert wird, muss geprüft werden.
Das Einvernehmen zwischen MU und ML bei der Freigabe der Flächen für die Saatmuschelgewinnung stellt sicher, dass sowohl die Belange der Fischerei als auch die ökologischen Aspekte angemessen berücksichtigt werden.
Aufgrund der Empfindlichkeit von Miesmuschelbänken sollten Chancen der Fischereireduzierung genutzt werden, ohne in bestehende Betriebe einzugreifen. Auslaufende Fanglizenzen dürfen deshalb nicht neu an andere Betriebe vergeben werden.
Als Alternativen zur Saatmuschelgewinnung von Wattflächen bietet sich insbesondere die Ausbringung von Langleinenkonstruktionen an. Forschungsergebnisse des Alfred-Wegner-Instituts (Bremerhaven) lassen erkennen, dass sich diese Methode zu einem Ersatz der Saatmuschelgewinnung von Wattflächen entwickeln kann (vgl. auch Drs. 15/495).

stellv. Fraktionsvorsitzender

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