Antrag: Menschenrecht auf barrierefreie Medienangebote garantieren

Der Landtag wolle beschließen:

Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ist seit 2009 rechtsverbindlich in Deutschland in Kraft. In Artikel 21 heißt es : „Die Vertragsstaaten treffen alle geeigneten Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen das Recht auf freie Meinungsäußerung und Meinungsfreiheit, einschließlich der Freiheit, Informationen und Gedankengut sich zu beschaffen, zu empfangen und weiterzugeben, gleichberechtigt mit anderen und durch alle von ihnen gewählten Formen der Kommunikation im Sinne des Artikels 2 ausüben können, unter anderem indem sie (…) d) die Massenmedien, einschließlich der Anbieter von Informationen über das Internet, dazu auffordern, ihre Dienstleistungen für Menschen mit Behinderungen zugänglich zu gestalten.“

Die Stärkung der Zugangsrechte zu einem barrierefreien Medien-Angebot ist aber nicht nur aufgrund der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention geboten, sondern auch aufgrund europarechtlicher Vorgaben der EU-Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (AVMD-Richtlinie), die bis 19. September 2020 umgesetzt werden muss.

Derzeit wird die Neufassung des Medienstaatsvertrages in den Landtagen beraten, da die AVMD-Richtlinie von den EU-Mitgliedsstaaten in nationales Recht umgesetzt werden muss. Der Entwurf wird jedoch weder den Zielsetzungen der AVMD-Richtlinie noch der UN-Behindertenrechtskonvention gerecht, da er die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen weitgehend ignoriert. Der Zugang zu gesellschaftlich relevanten Themen und Diskursen wird Menschen mit Behinderungen somit weiterhin deutlich erschwert. Die Benachteiligung ist mit dem Menschrecht auf gleichberechtigte Teilhabe nicht vereinbar.

Der Medienstaatsvertrag muss daher im Sinne von Menschen mit Behinderungen überarbeitet werden, mit dem Ziel mehr Medienangebote barrierefrei nutzbar zu machen. Dafür braucht es einen verpflichtenden Ausbau von medialen Angeboten mit Audiodeskription, Untertiteln und Gebärdensprachfassungen. Die selbstbestimmte Nutzung von Rundfunk und Telemedienangeboten setzt allerdings auch voraus, dass nicht nur die einzelnen Beiträge barrierefrei angeboten werden. Vielmehr müssen die Inhalte auf den Plattformen auch aufgefunden und barrierefrei zugänglich gemacht werden.

Entschließung

Der Niedersächsische Landtag fordert die Landesregierung deshalb auf:

  1. Gemeinsam mit den anderen Bundesländern im Staatsvertrag zu definieren, was genau barrierefreie Angebote einschließt
  2. Darauf hinzuwirken, dass die Rundfunk- und Telemedienanbieter verpflichtend dazu angehalten werden, barrierefreie Angebote auszuweiten und überprüfbare Maßnahmen und Zeitpläne zum Abbau bestehender Barrieren ihrer Angebote zu erstellen
  3. Sich dafür einzusetzen, dass insbesondere Informationen zu Katastrophen, Notfällen und Veranstaltungen von großer gesellschaftlicher Bedeutung immer barrierefrei zur Verfügung gestellt werden
  4. Eine leicht zugängliche zentrale Anlaufstelle für Informationen und Beschwerden hinsichtlich barrierefrei zugänglicher audiovisueller Medien zu schaffen, die von allen Anbietern zu unterstützen ist
  5. Zu unterstützen, dass Plattformen barrierefrei gestaltet und Angebote leicht auffindbar sind
  6. Sich dafür einzusetzen, dass im Kriterien-Katalog zur Auffindbarkeit von Angeboten auf Plattformen darauf zu achten ist, dass barrierefreie Angebote weit oben platziert werden müssen

Begründung

Es ist unbestritten ein Grundrecht, sich Informationen selbstständig beschaffen zu können. Alle Kommunikationsformen und Angebote des Rundfunks sollten weitgehend barrierefrei zur Verfügung stehen. Im Bereich des öffentlich-rechtlichem Rundfunks ist bezüglich barrierefreier Angebote schon einiges erreicht. Dennoch haben Menschen mit Behinderungen aber häufig das Nachsehen, insbesondere bei privaten Anbietern: Werden keine Untertitel angeboten, können Gehörlose und Hörbehinderte dem Programm im Fernsehen nicht folgen. Fehlen Bilderklärungen, sogenannte Audiodeskriptionen der TV-Sender, sind sehbehinderte Menschen im Nachteil. Nachrichten in einfacher Sprache, die für Menschen mit geistiger Behinderung wichtig sind, werden nur selten angeboten. Telemedienangebote sind oft nicht barrierefrei auffindbar oder zugänglich gestaltet.

Menschen mit Behinderungen und Verbände fordern daher zu Recht, dass mehr barrierefreie Medienangebote nutzbar werden. Dem Ziel, das auch europarechtlich durch die AVMD-Richtlinie festgelegt wurde, durch einen barrierefreien Zugang zu Medien-Angeboten allen einen schnellen Zugriff auf Informationen und zu einer Verbesserung der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen, wird der jüngste Entwurf des Medienstaatsvertrages dabei jedoch nicht gerecht.

Zu unklar ist, was barrierefreie Angebote einschließt und was nicht. Zudem sind die Vorgaben zur Umsetzung von mehr Angeboten zu unscharf formuliert – nur verbindliche und überprüfbare Regelungen können zur Entstehung von mehr Barrierefreiheit im Rundfunk und in den Telemedien führen. Auch die Umsetzung einer zentralen Anlaufstelle für Informationen und Beschwerden hinsichtlich barrierefrei zugänglicher audiovisueller Medien zu schaffen wurde im Entwurf des Medienstaatsvertrages nicht unterstützt, obwohl diese in Artikel 7 Abs. 4 der AVMD-Richtlinie gefordert wird. 

Barrierefreiheit nutzt allen Menschen: Menschen mit Behinderungen, aber auch mit altersbedingten oder chronischen Beeinträchtigungen und Einschränkungen. Eine umfassende Barrierefreiheit in allen Bereichen des Lebens ist eine Grundvoraussetzung für die gesellschaftliche Teilhabe.

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