Antrag: Mehr Freiheit und Verantwortung wagen in Niedersachsen – das kommunale Bürgerbegehren reformieren!

Das Verfahren für Bürgermitsprache in den Kommunen ist in Niedersachsen reformbedürftig.

Verschiedene Untersuchungen zu den Beteiligungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger auf der Länderebene zeigen, dass Niedersachsen im Vergleich aller Bundesländer  zu restriktive Vorraussetzungen an ein kommunales Bürgerbegehren stellt. Hohe Verfahrenshürden und Ausschlusstatbestände verhindern oftmals das kommunale Plebiszit. Damit werden gelebte Demokratie und aktive Partizipation unterbunden. Eine Demokratie kann nur bestehen, wenn die Bürgerinnen und Bürger das politische Gemeinwesen mit Leben und Mitsprache füllen. Plebiszite geben die Verantwortung für politisch strittige Sachfragen direkt an die Menschen. Sie erhöhen somit die Akzeptanz von Entscheidungen und delegieren die Verantwortung an die direkt Betroffenen.

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Landtag fordert die Landesregierung auf im Zuge der angekündigten Kommunalverfassungsreform die Ausweitung direktdemokratischer Formen der Bürgermitsprache im Sinne  der nachstehenden Maßgaben zu ändern:

  • Absenkung des Beteiligungsquorums und Abschaffung der Zustimmungsquoren
  • Zulassung eines Bürgerbegehrens für die Bauleitplanung und für Planfeststellung
  • Aufschiebende Wirkung der Maßnahme nach Einreichung der Begehren bzw. Entscheide
  • Verzicht auf restriktive Kostendeckungsvorschläge
  • Beratungspflicht der Kommunen/des Landes für die Antragsteller eines Bürgerbegehrens
  • Aufnahme einer so genannten Fairnessklausel, damit die Gemeinden in Veröffentlichungen und Veranstaltungen verpflichtet sind auch Positionen aus den direktdemokratischen Initiativen mit aufzunehmen
  • Einführung von Wahlbenachrichtigungen, Briefabstimmung, Durchführung außerhalb von Ferienzeiten und Bereitstellung einer angemessenen Anzahl von Wahllokalen analog zu allgemeinen Wahlen mit gleichen Öffnungszeiten
  • Abschaffung des Ausschlusses von zeitgleicher Abstimmung über ein Parlament und einen Bürgerentscheid

Begründung

Bei der Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an den sie unmittelbar betreffenden

Entscheidungsprozessen hat Niedersachsen auf der kommunalen Ebene erheblichen Nachholbedarf. Seit 1996 sind zwar auch in den Niedersächsischen Städten, Gemeinden und Landkreisen grundsätzlich Bürgerbegehren und Bürgerentscheide zugelassen. Die hierzu bestehenden Regelungen in § 22 b der Niedersächsischen Gemeindeordnung und § 17 b der Niedersächsischen Landkreisordnung sind aber gekennzeichnet durch eine Vielzahl von Ausschlusstatbeständen und Verfahrenshürden, die bislang eine nennenswerte Praxis von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden verhinderten. Im Unterschied hierzu zeigen die entsprechenden Regelungen in anderen Bundesländern, dass es möglich ist, auf Ausschlusstatbestände etwa für Bauleitpläne oder Planfeststellungsverfahren und auf Verfahrenshürden wie ein Zustimmungsquorum von 25%  zu verzichten.

Diese bürgerfreundlichen Regelungen haben zu einem deutlichen Anstieg der direktdemokratischen Beteiligung der Bevölkerung an den kommunalpolitischen Entscheidungen in diesen Bundesländern geführt. Die meisten der dabei erfolgreichen Verfahren wären in Niedersachsen schon wegen ihrer Thematik als unzulässig verworfen worden oder an den hohen Verfahrenshürden gescheitert. Exemplarisch seien die kontroversen Debatten um Shopping Malls in vielen Städten Niedersachsens erwähnt. Durch den Ausschluss der Bauleitplanung können die Bürgerinnen und Bürger über diese Frage nicht direkt entscheiden. Dies sorgt für Demokratieverdruss und politische Apathie. Demokratische Beteiligungsverfahren und Prozesse müssen bürgerfreundlich und niedrigschwellig ausgestaltet sein. Die Demokratie muss zum Mitmachen einladen.

Das in Ausschlusstatbeständen ausgedrückte Misstrauen in die Urteilskraft der Bürgerinnen

und Bürger ist nicht gerechtfertigt. In Hessen, in Sachsen und in Bayern sind auch Bauleitpläne

und Planfeststellungen bürgerentscheidsfähig und gerade diese Regelung hat erheblich dazu

beigetragen, dass Bürgerinnen und Bürger aktiv werden und sich für kommunale Belange engagieren. Bürgerbegehren und Entscheide sind auch nicht Instrumente für eine Planungsverhinderung, sondern politisieren ein Gemeinwesen. Die Befürworter eines Planungsvorhabens obsiegen bei Bürgerentscheiden sogar öfter als die Gegner.

Das hohe Zustimmungsquorum von 25 Prozent der Abstimmungsberechtigten in der Kommunalverfassung ist ein demokratischer Fremdkörper. Es führt selbst in den Fällen, in denen sich eine deutliche Mehrheit der Abstimmenden für die Annahme des Bürgerentscheids ausspricht, häufig zu dessen Scheitern. Eine Partizipationsmindestbeteiligung gibt es bei anderen niedersächsischen Wahlen nicht. Wäre dies der Fall wäre mancher Landrat nicht gewählt. Auch die Partei des amtierenden Ministerpräsidenten hat bei der letzten Landtagswahl nur knapp über 24% der Stimmen der Wahlberechtigten erhalten.

Die Verwaltungen müssen bei Antragstellung eines Bürgerbegehrens zur konstruktiven und fairen Zusammenarbeit gesetzlich verpflichtet werden, da ansonsten ein Bürgerbegehren durch eine Verhinderungspolitik unterlaufen werden kann. Die gegenwärtig zu strengen Kostendeckungsvorschläge sind zu modifizieren, da hieran vielfach Bürgerbegehren scheitern. Es besteht dadurch nicht die Gefahr, dass kostenintensive Maßnahmen beschlossen werden. Die Untersuchungen von verschiedenen Bürgerbegehren zeigen, dass die Bevölkerung sparsam und wirtschaftlich mit ihren Steuergeldern umgeht. Das Bürgerbegehren muss darüber hinaus aufschiebende Wirkung haben, da sonst durch Verwaltung und amtierende Mehrheit in den Räten gerne Fakten geschaffen werden, die das Bürgerbegehren überflüssig machen.

Den Initiatoren eines Bürgerbegehrens müssen die gleichen Chancen eingeräumt werden, wie bei allgemeinen Wahlen. Die Wahlbenachrichtigung, die Möglichkeit zur Briefwahl und die Öffnungszeiten der Abstimmungslokalitäten müssen kongruent zu den Bedingungen allgemeiner Wahlen ausgestaltet sein. Ein Bürgerentscheid und eine allgemeine Wahl müssen außerdem am selben Tag statt finden dürfen.  

Fraktionsvorsitzender

Zurück zum Pressearchiv