Antrag: Von Lootboxen zu problematischem Glücksspiel? Jugendschutz und Suchtprävention konsequent umsetzen und simuliertes Glücksspiel regulieren

Fraktion der SPD
Fraktion Bündnis 90 Die Grünen

Von Lootboxen zu problematischem Glücksspiel? Jugendschutz und Suchtprävention konsequent umsetzen und simuliertes Glücksspiel regulieren

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Gaming verändert sich mit großer Dynamik. Seit den Anfängen auf ersten Computern und Spielkonsolen, stehen Videospiele mittlerweile auf verschiedensten Medien zur Verfügung. Laut dem Verband der Gaming-Branche findet zunehmend ein Distributionswandel hin zum Download der Spiele statt. Aktuellen Zahlen nach spielen rund 54 Prozent aller Deutschen zumindest gelegentlich Computer- und Videospiele. In der Altersgruppe der 16- bis 29-Jährigen beträgt der Anteil der Videospieler sogar über 85 Prozent, bei den über 65-Jährigen sind es immerhin noch 18 Prozent. Im Jahr 2022 besaßen rund 28,9 Prozent der Haushalte in Deutschland mindestens eine Spielekonsole und die Anzahl der Spieler, die auf einer Konsole spielen beläuft sich auf rund 18,9 Millionen. Die beliebteste Plattform für Gaming in Deutschland ist aber das Smartphone: 22,8 Millionen Menschen nutzen Spiele-Apps auf ihrem Telefon. Neben immer niedrigschwelligeren Angeboten, wie beispielsweise Mobile Gaming, also leicht installierte Spiele auf dem Smartphone, sind vor allem In-Game-Käufe ein Treiber des Wachstums der Gaming-Industrie. Diese ermöglichen es, mit vermeintlich kostenlosen Spielen dennoch Geld zu verdienen oder zusätzliche Einnahmen aus einem Spiel zu generieren.

Hierbei gibt es unterschiedliche Variationen: neben kostenpflichtigen kosmetischen Produkten (z.B. Accessoires für Spielfiguren), gibt es auch Pay-to-Win oder Pay-to-Progress Spiele, die ohne zusätzlich eingekaufte Produkte entweder nicht gewonnen werden können oder der Spielfortschritt stark verlangsamt wird. Solche Mikrotransaktionen sind oft nicht transparent gekennzeichnet und werden durch fiktive Währungen (die für Geld zu erwerben sind) zusätzlich unübersichtlich. Neben der fehlenden Transparenz über die gesamte Summe, die im Spiel ausgegeben wurde, fehlen auch Informationen darüber, wie viel es kosten wird, das Spiel vollständig durchzuspielen. 

Als weiteres Phänomen der In-Game-Käufe gewinnt das Thema Lootboxen an Bedeutung, also der Kauf von virtuellen „Überraschungsprodukten“. Bei einem Fußballspiel kann es beispielsweise eine gute und damit seltene oder eine schlechtere Spielfigur werden, wenn um virtuelle Coins gespielt wird, kann der Gewinn hoch oder eben gering sein. Ebenso können in den Lootboxen kosmetische Inhalte, Spielgeld oder sonstige Items, die für das Spiel nützlich sind, enthalten sein. Der tatsächliche Inhalt ist den Spielenden in der Regel unbekannt.

Lootboxen wird als simuliertes Glücksspiel oder als glücksspielähnlich bezeichnet, da es nicht alle Kriterien des Glücksspiels erfüllt. Laut dieser müsste eine Gewinnchance für echtes Geld vorliegen, bei Lootboxen geht es um virtuelle Güter. Zudem muss die Gewinnchance vom Zufall abhängen, bei Lootboxen ist diese häufig algorithmusgesteuert. Diese Definition wird in anderen EU-Ländern bereits hinterfragt bzw. überarbeitet. Viele europäische Verbraucherzentralen warnen vor den Risiken von Lootboxen, wie beispielsweise einem erhöhten Interesse an echtem Glücksspiel, unrealistischen Gewinnerwartungen und damit verbunden dem Risiko der Glücksspielsucht sowie dem Kontrollverlust über finanzielle Ausgaben. Glücksspielähnliche Mechanismen können zu exzessivem Spielverhalten, kognitiven Verzerrungen bezüglich Gewinnchancen oder Verlusten und zu Entwicklungsstörungen bei Kindern und Jugendlichen führen. Dass Lootboxing nicht als Glücksspiel gewertet wird, hat zudem die Konsequenz, dass es für Minderjährige frei verfügbar ist und sie den Gefahren des Glücksspiels schutzlos ausgeliefert sind.

Sowohl bei den verschiedenen In-Game Käufen als auch bei Lootboxen handelt es sich um manipulative Techniken, sogenannte „dark patterns“, die besonders sensible Spielerinnen und Spieler adressiert, mit dem Ziel, Erlöse zu steigern.

Der Landtag bittet die Landesregierung,

  1. die Initiative der Verbraucherzentrale in Brüssel zu unterstützen, welche die Kommission aufgefordert hat, einen neuen Regulierungsrahmen für Online-Spiele zu entwickeln und speziell Lootboxen und vergleichbare Mechanismen zu regulieren,
  2. zu prüfen, inwiefern simuliertes Glücksspiel stärker reguliert werden kann, 
  3. sich dafür einzusetzen, dass Mikrotransaktionen, komplizierte Währungsumrechnungen, Pay-to-Progress- und Pay-to-Win-Kosten, Lootboxen und andere „dark patterns“ im Rahmen des § 10 b Abs. 3 JuSchG kennzeichnungspflichtig zu machen,
  4. zu prüfen wie Spiele, die Lootboxen enthalten, erst ab 18 Jahren freigegeben werden können und sich dafür einzusetzen, dass im Spielverlauf Warnhinweise im Hinblick auf die Dauer der Spielzeit implementiert werden sowie spiel- und anbieterübergreifende Limitdateien (Einzahlungs-, Einsatz-, Verlustlimits) errichtet werden können,
  5. sich dafür einzusetzen, dass die (Gesamt-)Kosten für ein Spiel stets in Euro zusätzlich zu dem Kaufpreis angegeben werden und dass In-Game-Käufe nur in realer Währung abgerechnet werden können,
  6.  sich dafür einzusetzen, dass die Gewinnwahrscheinlichkeit in Bezug auf die möglichen Inhalte der Lootboxen transparent dargestellt werden.
  7. zu prüfen, ob eine Aufklärungskampagne über die Verbraucherzentrale Niedersachsen zu den dargestellten „dark patterns“ erfolgen kann.
  8. sich dafür einzusetzen, dass Werbung in Bezug auf Lootboxen, die vorrangig an Minderjährige gerichtet ist, verboten wird.

Begründung

Lootboxen, also simuliertes Glückspiel, birgt ähnliche Gefahren wie „echtes“ Glücksspiel. Somit bedarf es ebenso einer gesetzlichen Regulierung. Besonders in Bezug auf Minderjährige und Personen mit Glücksspielsucht oder einem höheren Risiko. Die Eine angemessene gesetzgeberische Steuerung von kostenpflichtigen In-Game Inhalten im Rahmen des geltenden Verbraucherschutzrechts bzw. Jugendschutzrechts ermöglicht eine präventive Bekämpfung von Glückspielsucht und gewährleistet einen wirksamen Jugend- und Spielerschutz. Dazu müssen Beschränkungen hinsichtlich maximaler Ausgaben spiel- und anbieterübergreifend eingeführt werden. Lootbox-Anbieter profitieren am meisten von einigen wenigen Spielerinnen und Spielern, die dafür umso höhere Summen ausgeben.

Eine Einordnung von simuliertem Glücksspiel als Interaktionsrisiko im Jugendschutzgesetz ist ein wichtiges Signal, jedoch sind Maßnahmen der Anbietervorsorge nicht ausreichend, um glücksspielähnliche Mechanismen in Spielen, die auch gezielt an Kinder und Jugendliche adressiert sind, einzudämmen. Das zeigt das aktuell sehr breite Spektrum an verfügbaren Spielen mit glücksspielähnlichem Charakter.

Die Regelung muss daher auch hinsichtlich der zunehmend verschwimmenden Grenzen zwischen dem Realen und dem Virtuellen angepasst werden. Für viele Spielerinnen und Spieler ist der Reiz virtuelle Güter zu gewinnen ebenso hoch, wie der Reiz nach einem Geldgewinn.

Im Sinne des Jugend- und Verbraucherschutzes und auch der Suchtprävention müssen Lootboxen und vergleichbare Mechanismen entsprechend reguliert werden.

Auch im Hinblick auf andere Mikrotransaktionen müssen Regularien zum Schutz der Konsumentinnen und Konsumenten getroffen werden. Eine Gesamtkostenangabe im Sinne eines „reality checks“ zeigt z.B. transparent an, wie viel Geld es tatsächlich kostet, das Spiel bis zum Ende spielen zu können. Wichtig ist auch, dass keine fiktiven Währungen, die im Spiel erworben werden können angezeigt werden, sondern der Betrag in Euro, damit die Information transparent und nachvollziehbar ist. Limitdateien, Warnhinweise im Hinblick auf die Spieldauer und reale Währungen schützen Konsumentinnen und Konsumenten.

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