Antrag: Leukämiefälle in der Elbmarsch müssen geklärt werden – Bürgerinnen und Bürger in der Elbmarsch nicht allein lassen

 

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen                                                                     Hannover, den 09.05.2006

Der Landtag stellt fest:

Am 23. Februar 2006 hat das Deutsche Kinderkrebsregister am Klinikum der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz einen 15. Leukämie-Erkrankungsfall bei einem Kind in der Elbmarsch gemeldet. Unter Einbeziehung eines Jugendlichen und eines leukämieähnlichen Krankheitsbildes bei einem Kind handelt es sich sogar um den 17. Fall. Vier der erkrankten Kinder sind inzwischen gestorben.

Es handelt sich hierbei um die weltweit höchste erfasste Leukämierate auf kleinem Raum bei Kindern. Die Ursachen der Leukämiefälle konnten bisher nicht wissenschaftlich nachgewiesen werden. Sie müssen aber dringend aufgeklärt werden.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

eine Kommission zur Untersuchung der Leukämiefälle in der Elbmarsch einzusetzen. Diese Kommission erhält den Auftrag folgende Untersuchungen vorzunehmen mit dem Ziel, die Ursache der Leukämiefälle in der Elbmarsch zu ermitteln:

  • Die Höhe der Kontamination durch angereichertes Uran, Thorium, Plutonium– und Americiumisotope soll durch nuklidspezifische Messungen im Boden in verschiedenen Tiefen und Abständen vom vermuteten Freisetzungsort bestimmt werden. Die Frage, ob diese Stoffe zeitgleich mit Spaltproduktabgaben im September 1986 freigesetzt wurden, kann dabei durch entsprechende Untersuchungen geklärt werden.
  • Durch eine weitere Untersuchung ist zu klären, ob ein Zusammenhang zwischen den Leukämieerkrankungen der Kinder und einer radioaktiven Belastung der Eltern bestanden hat oder besteht, da alle nach 1995 erkrankten Kinder 1986 oder später geboren wurden.
  • Der einzusetzenden Kommission sind die Archive der Atomaufsicht zugänglich zu machen. Insbesondere betrifft dieses den Vorfall vom 12. September 1986. Die Landesregierung wird aufgefordert, sich ebenfalls entschieden für die Öffnung der Archive der Atomaufsicht des Landes Schleswig-Holstein einzusetzen.

Begründung

Die Suche nach den Ursachen der erschreckenden Häufung von Leukämiefällen in der Elbmarsch erwies sich bisher als äußerst schwierig und langwierig. Zahlreiche Studien und Untersuchungen wurden bereits in Auftrag gegeben. Die beiden betroffenen Bundesländer, Niedersachsen und Schleswig-Holstein, hatten Kommissionen eingerichtet. Eine Reihe von ehemaligen Kommissionsmitgliedern ist der Ansicht, es habe im September 1986 einen Unfall im Bereich des Forschungszentrums Geesthacht (GKSS) gegeben. Dabei seien radioaktive Stoffe, vor allem Kernbrennstoffe, freigesetzt worden.

Das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) behauptet in einer im April diesen Jahres ausgestrahlten Sendung, dass neue Hinweise auf einen Unfall vorliegen. Augenzeugen berichten von einem Feuer im Bereich des GKSS am 12.09.1986. Weiter berichtet das ZDF, dass viele Institute aus Existenzangst keine Bodenproben aus dem Raum Geesthacht untersuchen wollten. Zur Wahrung der Objektivität wurden daher Bodenproben im Sacharov-Institut in Minsk ohne Mitteilung des Fundortes untersucht.

Diese jüngste Untersuchung zu den in der Elbmarsch gefundenen "Kügelchen" gibt weiteren Anlass, den Fall seitens des Landes Niedersachsen erneut untersuchen zu lassen. Das Ergebnis der Analyse der "Kügelchen" durch das Sacharov-Institut an der Universität von Minsk besagt, dass die künstliche Radioaktivität des Materials weder auf den Tschernobyl-Unfall von 1986 zurückführbar ist noch aus dem Fallout der oberirdischen Atombombenversuche stammen kann.

Das Land ist verpflichtet, zum Schutze der Gesundheit seiner Bürger und Bürgerinnen alle erforderlichen Anstrengungen zu betreiben, um diese Sachverhalte aufzuklären.

Den betroffenen Bürgern in der Elbmarsch drängt sich der Verdacht auf, dass hier versucht wird etwas zu vertuschen, da ansonsten kaum zu erklären ist, dass nicht alles unternommen wird, dieses Phänomen zu klären und wenn möglich die Ursachen zu beseitigen.

Fraktionsvorsitzender

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