Antrag: Lehren aus dem Fall Conti ziehen: Meldepflicht verschärfen und wirkungsvoll sanktionieren

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Durch "lautloses" Anschleichen konnte sich das fränkische Familienunternehmen Schaeffler mehr als 30 Prozent der Firmenanteile der Continental AG sichern und erlangte damit die Kontrolle über den niedersächsischen Autozulieferer. Am Ende des Übernahmekampfes trat am 19. August 2008 das Risikobegrenzungsgesetz in Kraft, das mögliche Übernahmeversuche frühzeitig transparent machen soll. Laut der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der grünen Bundestagsfraktion (DS 16/10094) hätte aber auch das Risikobegrenzungsgesetz die Anschleichtaktik der Schaeffler-Gruppe an die Continental AG nicht verhindern können. Die Landesregierung wird daher aufgefordert, im Bundesrat eine Initiative einzubringen mit dem Ziel, die derzeit aktuellen Meldepflichten und Sanktionsmaßnahmen im Wertpapierhandelsgesetz und im Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz in der Weise zu verschärfen, dass "lautloses" Anschleichen an Unternehmen wie bei Conti künftig verhindert wird. Insbesondere ist sicherzustellen, dass:

  1. Sanktionsstrafen bei Verstößen gegen die Meldepflichten deutlich angehoben werden und sich prozentual an möglichen Gewinnen ausrichten – ohne Kappungsgrenzen,
  2. sämtliche Finanzderivate in die Meldeschwellen einbezogen werden,
  3. eine Meldepflicht für alle Beteiligungen eingeführt wird, auch wenn die Meldeschwellen bereits vor Inkrafttreten des Risikobegrenzungsgesetzes überschritten wurden.

Begründung

Die Vorgehensweise bei der erheblichen Anteilsübernahme von Conti durch die Schaeffler-Gruppe in diesem Sommer zeigt beispielhaft, dass der deutsche Kapitalmarkt nur unzulängliche Rahmenbedingungen für das Transparenzgebot aufweist. Bestehende Meldeschwellen und Meldepflichten sowie die Sanktionsstrafen haben nicht verhindern können, dass sich das Familienunternehmen aus Süddeutschland "heimlich" an das niedersächsische DAX-Unternehmen heranschlich und sich im Hintergrund unbemerkt dominierenden Einfluss sicherte. Eine funktionierende Marktwirtschaft braucht hingegen Fairness und Transparenz, damit alle Akteure erkennen, wer welche Absichten auf den Kapitalmärkten verfolgt.

Was der Continental AG widerfahren ist, könnte jedem Großunternehmen passieren. Ob Daimler, Allianz oder TUI – sie alle könnten das nächste Opfer werden. Zwar hat die Bundesregierung in den vergangenen Jahren mit verschiedenen Gesetzen versucht, die Möglichkeit feindlicher Übernahmen zu reduzieren. Offenbar aber ohne durchschlagenden Erfolg. Denn die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht hat nach ihrer Prüfung des Vorfalls das Vorgehen der Schaeffler-Gruppe als rechtmäßig bezeichnet. Tatsächlich lassen sich bislang also mit legalen Tricks und Kniffen die bestehenden Meldeschwellen im Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz sowie im Wertpapierhandelsgesetz umgehen.

Die Bestimmungen und Verschärfungen durch das Risikobegrenzungsgesetz erhöhen die Transparenz nicht im ausreichenden Maß. So erklärt die Bundesregierung in ihrer Antwort, dass sie "die aktuellen Entwicklungen am Finanzmarkt, insbesondere im Fall des Übernahmeangebots der Schaeffler KG, zum Anlass" nimmt, "die geltenden Transparenzpflichten auch unter Einbeziehung der Rechtslage in anderen Staaten zu überprüfen". Gleichzeitig kündigt die Bundesregierung aber auch an, den Umfang der erfassten Finanzinstrumente bislang zumindest nicht ausweiten zu wollen. Wenn weiterhin nicht alle Finanzderivate erfasst sind, würde es aber auch künftig einfach sein, die Kontrolle über ein Unternehmen lautlos und unbemerkt zu erlangen.

Selbst wenn einmal tatsächlich eine Meldepflicht verletzt und erfolgreich geahndet wurde, schrecken die bisherigen geringen Sanktionsstrafen von maximal 200.000 Euro keinen Investor vor Verstößen ab.

Die deutsche Gesetzgebung reicht offenbar bisher nicht aus, die modernen Instrumente eines angelsächsisch geprägten Kapitalmarktes zu erfassen. Der Gesetzgeber sollte sich nicht nur wie bislang auf einige Investortypen wie den Finanzinvestoren oder den Staatsfonds konzentrieren. Für alle Investoren sind Regeln zu schaffen, damit der deutsche Kapitalmarkt  fair und transparent wird.

Fraktionsvorsitzender

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