Antrag: Landesregierung muss Strategie für den Klimaschutz und die Energiepolitik des Landes Niedersachsen umgehend vorlegen

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Landtag stellt fest:

Die von der Landesregierung im Mai 2008 vorgelegte "Nachhaltigkeitsstrategie" bietet, u.a. im Kapitel Klimaschutz und Energie, ein sehr schwaches Bild von den Aktivitäten, Maßnahmen und Zielen der Landesregierung.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf:

Dem Landtag umgehend eine belastbare Strategie für den Klimaschutz und die Energiepolitik der Landesregierung vorzulegen und zur Diskussion zu stellen. Die Strategie soll sich an den nationalen Klimaschutzzielen einer Treibhausgasemissionssenkung von 40 Prozent bis zum Jahr 2020 orientieren.

Begründung

Bündnis 90/Die Grünen haben ein Energieszenario 2020/2050 für Niedersachsen entwickeln lassen und im Dezember 2007 vorgelegt. Damit werden technologische Entwicklungspfade sichtbar, notwendige Maßnahmen und Handlungsschritte können identifiziert und abgewogen werden. Aufbauend auf einer Überprüfung des Szenarios und der Prüfung möglicher Entscheidungsvarianten wird daraus eine niedersächsische Zukunftsstrategie für die Energiepolitik und für den Schutz des Klimas entwickelt. Daran muss sich die Landesregierung messen lassen. Die Landesregierung hat bislang weder ein Szenario noch eine Strategie für Energiepolitik und Klimaschutz vorgelegt.

Die Landesregierung strebt in ihrer "Nachhaltigkeitsstrategie" von Mai 2008 lediglich die in der EU ohnehin verbindlich zu erbringenden Einsparungen von minus 20 Prozent der Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2020 an. Das Ziel von minus 40 Prozent der Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2020, das die Bundesregierung in der Regierungserklärung vom 26.4.2007 und in den Beschlüssen von Meseberg aufgestellt hat, wird in der "Nachhaltigkeitsstrategie" des Landes nicht erwähnt.

Ebenfalls nicht erwähnt wird in der o.g. "Nachhaltigkeitsstrategie" der Landesregierung der von Ministerpräsident Wulff im Januar 2008 geforderte Bau von bis zu 13 neuen Kohlekraftwerken an der norddeutschen Küste. Aussagen zu den Wirkungen dieser Kraftwerke auf CO2-Emissionen in Niedersachsen fehlen völlig. Auch sonst ist in keiner Weise erkennbar, welche konkreten Schritte die Landesregierung plant, um eine nachhaltige Senkung der CO2-Emissionen zu erreichen. Geradezu lächerlich nehmen sich die Bemerkungen zu einigen wenigen neuen Personalstellen im Umweltministerium für Klimaschutz aus. Auch die Aktivitäten zur Energieeinsparung sind ein Tropfen auf den heißen Stein. Im Rahmen eines Pilotprojektes soll die Erstellung eines einzigen Neubaus im Passivhausstandard lediglich "geprüft" werden. Die erwähnte Landesinitiative Brennstoffzelle kam spät und dümpelt vor sich hin. Eine Reihe von Projekten, wie der geplante Bau neuer Autobahnen, stehen im krassen Widerspruch zu den Erfordernissen des Klimaschutzes.

Ein integriertes Konzept für die Klimaschutz- und die Energiepolitik wird zum wiederholten Male angekündigt, soll aber erst "in den nächsten Jahren" (Seite 39) erarbeitet werden. Gleichzeitig werden Teilgenehmigungen für den Bau neuer Kohlekraftwerke quasi über Nacht genehmigt. Ganz offensichtlich ohne ein entsprechendes Konzept.

Für den Ausbau der Windkraft im Binnenland bietet die "Nachhaltigkeitsstrategie" der Landesregierung nicht eine einzige Idee. Stattdessen wird über vergangene Entwicklungen berichtet. Ausbauziele für die Windkraft im Binnenland werden nicht festgelegt. Blockheizkraftwerke, Solarthermie und Fotovoltaik werden nicht erwähnt. Stattdessen wird wieder die Atomkraft propagiert.

Gerade in der Frage des Klimawandels und der künftigen Energiepolitik kann der Landtag erwarten, dass die Landesregierung ihre Strategie so frühzeitig wie möglich offen legt. Derzeit schafft die Landesregierung Fakten, die später nur schwer korrigiert werden können.

Die Landesregierung legt mit der so genannten "Nachhaltigkeitsstrategie" vom Mai 2008 eine bunte Broschüre vor, die an entscheidenden Stellen keinerlei Orientierung bietet.

Vor über einem Jahr ist der erste Teil der IPCC-Studie 2007 (International Panel of Climate Change) zum Klimawandel erschienen. Der abschließende Bericht lag im November 2007 vor. Der Stern-Report (Stern Review on the Economics of Climate Change) ist bereits am 30. Oktober 2006 veröffentlicht worden. Autor ist der ehemalige Chefökonom der Weltbank und jetzige Leiter des volkswirtschaftlichen Dienstes der britischen Regierung Nicholas Stern. Der im Auftrag der britischen Regierung erstellte Bericht untersucht insbesondere die wirtschaftlichen Folgen der globalen Erwärmung. Seit November 2007 liegt eine regionalisierte Studie des DIW zu den ökonomischen Folgen des Klimawandels vor, die auch spezifische Aussagen zu Niedersachsen enthält.

Die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre ist gegenüber dem Stand vor der industriellen Revolution bereits von 280 ppm Kohlendioxidäquivalenten auf heute 384 ppm gestiegen und erhöht sich derzeit jährlich um ca. 2 ppm.

Stern kommt in seinem Bericht zu der Einschätzung, dass der Klimawandel eine Bedrohung des Lebens auf der Erde darstellt. Es sei aber immer noch möglich, die schlimmsten Risiken und Auswirkungen des Klimawandels mit tragbaren Kosten zu vermeiden, wenn jetzt schnell auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene gehandelt werde.

Wenn nichts getan wird, um die Emissionen von Treibhausgasen zu reduzieren, könnte die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre bereits 2035 das Doppelte ihres vorindustriellen Niveaus erreichen, was einen Anstieg der Durchschnittstemperatur von mehr als 2°C bedeuten würde. Längerfristig gesehen läge die Wahrscheinlichkeit, dass der Temperaturanstieg 5°C überschreiten würde, bei mehr als 50%, wenn nicht gehandelt wird.

Die Kosten des Klimawandels werden laut Stern-Bericht - wenn nicht gehandelt wird - dem Verlust von wenigstens 5 % des globalen Bruttoinlandsprodukts entsprechen. Wenn man eine breitere Palette von Risiken und Einflüssen berücksichtigt, könnten die Schäden auf 20 % oder mehr des erwarteten globalen Bruttoinlandsprodukts ansteigen. Hierbei ist zu bemerken, dass Entwicklungs- und Schwellenländer die ökonomischen Folgen des Klimawandels überdurchschnittlich stark zu spüren bekommen.

In den letzten zehn Jahre hat sich der Preis für Heizöl versechsfacht. Das verursacht große soziale Probleme für private Haushalte und große Herausforderungen für öffentliche Haushalte. Einige Wirtschaftsforschungsinstitute sehen den künftigen Ölpreis schon bei 200 Dollar/Barrel. Angesichts dieser Entwicklung muss jetzt gehandelt werden – aus ökologischen, aus ökonomischen und aus sozialen Gründen. Abwarten wird teurer – für Alle und in jeder Hinsicht!

Zitat Nicholas Stern: "Die Welt braucht sich nicht zwischen der Vermeidung des Klimawandels und der Förderung von Wachstum und Entwicklung zu entscheiden. Die Bekämpfung des Klimawandels ist langfristig gesehen eine Strategie für mehr Wachstum und kann auf eine Weise erfolgen, die die Wachstumsambitionen reicher oder armer Länder nicht behindert. Maßnahmen gegen den Klimawandel schaffen neue Märkte, zum Beispiel Märkte für Technologien zur CO2-neutralen Energieerzeugung und für CO2-effizientere Waren und Dienstleistungen."

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