Antrag: Landesregierung darf Erdverkabelung von Hochspannungsleitungen nicht länger behindern - Mehrkosten von Erdkabeln bei Netz-Durchleitungsgebühren berücksichtigen

 

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Landtag stellt fest:

  • Das Stromleitungsnetz ist in manchen Regionen bereits heute der begrenzende Faktor für eine verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien. In begrenztem Umfang ist deshalb eine Erweiterung der Leitungskapazitäten im Höchstspannungsbereich unumgänglich. Dabei hat die Ertüchtigung vorhandener Leitungstrassen Vorrang vor dem Bau neuer Leitungen.
  • Durch Hochspannungsfreileitungen wird die betroffene Bevölkerung in erheblichem Maße mit elektromagnetischer Strahlung belastet. Der Neubau von Hochspannungsfreileitungen führt deshalb zu einer deutlichen Wertminderung privaten Eigentums, greift erheblich in Natur und Landschaft ein und widerspricht den Zielen der Landesraumordnung.
  • Der Widerstand von Kommunen und betroffenen Bürgerinnen und Bürgern gegen den Neubau von Hochspannungsfreileitungen führt zu erheblichen Verzögerungen beim notwendigen Ausbau der Leitungs-Infrastruktur und birgt erhebliche Planungsunsicherheiten für Investoren in Leitungsnetze und erneuerbare Energien.
  • Durch ihren Widerstand im Bundesrat selbst gegen eine begrenzte Berücksichtigungsfähigkeit von Mehrkosten einer Erdverkabelung bei den Netzdurchleitungsgebühren missachtet die Landesregierung die Interessen der von Hochspannungsfreileitungen Betroffenen.

Der Landtag fordert die Landesregierung daher auf:

  • Ihren Widerstand im Bundesrat gegen die von der Bundesregierung vorgesehene Berücksichtigungsfähigkeit der Mehrkosten einer Erdverkabelung bei den Netzdurchleitungsgebühren endlich aufzugeben.
  • Mit einer entsprechenden Bundesratsinitiative dafür einzutreten, dass die Mehrkosten der Erdverkabelung von 380 kV-Hochspannungsleitungen künftig grundsätzlich bei den Netzdurchleitungsgebühren berücksichtigt werden können.

Begründung:

Im November 2005 hat die Bundesregierung den Entwurf eines Infrastruktur-Planungsbeschleunigungsgesetzes in der Fassung vom 11.05.05 erneut in die parlamentarischen Beratungen eingebracht (Drs. 16/54). Darin ist u.a. mit der Einführung des § 12 b eine Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) vorgesehen. Ziel dieser Änderung ist es, den Betreibern der Strom-Übertragungsnetze die Möglichkeit einzuräumen, Mehrkosten für die Erdverkabelung von Hochspannungsleitungen bei den Netzdurchleitungsgebühren zu berücksichtigen. Nach o.g. Gesetzentwurf besteht die Umlagemöglichkeit jedoch nur "”¦. soweit durch die Errichtung und den Betrieb eines Erdkabels 1. erhebliche Einwirkungen auf Wohngebiete oder 2. erhebliche Beeinträchtigungen für im Rahmen des § 23 des Bundesnaturschutzgesetzes ausgewiesene Naturschutzgebiete vermieden werden". In seiner Sitzung vom 17.06.05 hat der Bundesrat eine Sonderregelung für Errichtung und Betrieb von Erdkabeln abgelehnt. Wie aus der Antwort der Landesregierung vom 10.07.06 auf die Anfrage des Abgeordneten Hans-Joachim Janßen "Unterläuft die Landesregierung Bestrebungen, eine unterirdische Verlegung der geplanten Hochspannungsleitungen zwischen Ganderkesee und St. Hülfte durchzusetzen?" hervorgeht, hat die Landesregierung der ablehnenden Haltung des Bundesrates zugestimmt.

Im April 2006 hat die Bundesregierung den Fraktionen des Bundestages den Vorschlag unterbreitet, in Abänderung des o.g. Gesetzentwurfes eine Umlagemöglichkeit der Mehrkosten für die Erdverkabelung für höchstens 10% der in Rede stehenden Neubaustrecken vorzusehen. Dieses allerdings nur unter der Voraussetzung, dass "”¦ das Vorhaben der Verhinderung oder Beseitigung längerfristiger Übertragungs- oder Verteilungsengpässe und der Erfüllung des Zweckes des Erneuerbare-Energien-Gesetzes dient und durch ein Erdkabel der Netzausbau beschleunigt werden kann".

Mit ihrer ablehnenden Haltung gegenüber besonderen Umlagemöglichkeiten der Mehrkosten von Erdkabeln missachtet die Landesregierung die Interessen der betroffenen Kommunen und der Bürgerinnen und Bürger. Sie missachtet außerdem das Landesraumordnungsprogramm, das die Landesregierung verpflichtet, den Bau von Energieleitungen mit der Wirtschafts- und Siedlungsentwicklung in Einklang zu bringen und den damit verbundenen Eingriff in Natur und Landschaft so gering wie möglich zu halten. Darüber hinaus handelt die Landesregierung gegen den ausdrücklichen Willen der Fraktionen des Landtages: Im noch in der parlamentarischen Beratung befindlichen Entschließungsantrag der Fraktionen von CDU und FDP (Drs. 15/1689) wird u. a. gefordert: "eine gerechte Verteilung der Kosten für den Ausbau des Stromnetzes zu erreichen”¦" In der Zielrichtung ähnliche Positionen vertreten auch die Fraktion der SPD (Drs. 15/1667) und die Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen (Drs. 15/2531).

Die sowohl im Gesetzentwurf der Bundesregierung vom November 2005 als auch in ihrem Vorschlag zur Änderung des Gesetzentwurfes vom April 2006 vorgesehene Begrenzung der Umlagemöglichkeiten der Mehrkosten von Erdkabeln sind unsachgemäß: Die im Gesetzentwurf vorgesehene Einschränkung, wonach erhebliche Einwirkungen auf Wohngebiete vorliegen müssen, benachteiligt die im Außenbereich lebenden Menschen in unzumutbarer Weise. Eine erhebliche Beeinträchtigung von Natur und Landschaft durch Hochspannungsfreileitungen liegt in der Regel auch dann vor, wenn diese nicht auf ausgewiesene Naturschutzgebiete einwirken. Diese Einschränkung widerspricht zudem den Naturschutzgesetzen des Bundes und des Landes, die das Schutzgut "Landschaftsbild" gleichberechtigt neben das Schutzgut "Arten und Lebensgemeinschaften" stellen.

Die im Vorschlag der Bundesregierung zur Änderung ihres Gesetzentwurfs vorgesehene Regelung, die Erdverkabelung auf maximal 10% der Neubaustrecken zu begrenzen, ist ebenfalls völlig unzureichend.

Eine generelle Berücksichtigungsfähigkeit der Mehrkosten von Erdkabeln bei den Netzdurchleitungsgebühren führt demgegenüber zur Internalisierung externer Kosten (Eingriff in Kultur- und Sachgüter, Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft) und ist insofern angemessen und sachgerecht.

Die von der Bundesregierung vorgesehene Regelung wird auch vom Niedersächsischen Städte- und Gemeindebund abgelehnt. Der Städte- und Gemeindebund fordert in seinem an die Abgeordneten des Niedersächsischen Landtages gerichteten Schreiben vom 26.06.2006 u.a. die Berücksichtigung von Aspekten der "volkswirtschaftlichen Nachhaltigkeit" beim Bau neuer Hochspannungsleitungen.

Fraktionsvorsitzender
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