Antrag: Korruption in Niedersachsen effektiver und nachhaltiger bekämpfen

...

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Hannover, den 19.10.05

Der Landtag wolle beschließen:
Entschließung
Die Zahl von aufgedeckten Korruptionsvorfällen und schwerer Wirtschaftskriminalität nimmt signifikant zu. In Niedersachsen hat es in diesem Jahr mehrere Fälle von Korruption gegeben, die das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in Politik, Wirtschaft und den Rechtsstaat erschüttern. Der Gesetzgeber ist aufgefordert den vielfältigen Erscheinungsformen von Korruption und Wirtschaftskriminalität durch eine verbesserte Präventions- und Repressionspolitik zu begegnen und die entsprechenden Strafverfolgungsbehörden angemessen auszustatten.
Der Landtag fordert daher die Landesregierung auf:
1. ein gesetzliches Korruptionsregister in Niedersachsen einzuführen. Unternehmen, die sich korrupter Praktiken und Rechtsverstößen schuldig gemacht haben, sind von der Vergabe öffentlicher Aufträge auszuschließen. Der gegenwärtige Runderlass vom 31.08.2000 zur Korruptionsbekämpfung reicht hierzu nicht aus, da insbesondere die Kommunen nicht gesetzlich verpflichtet sind, Korruptionsfälle zu melden,
2. auf Bundesratsebene die Einführung eines nationalen Korruptionsregisters zu unterstützen,
3. mindestens drei Schwerpunktstaatsanwaltschaften im Bereich Korruption und Schwarzarbeit einzurichten und die entsprechenden Staatsanwaltschaften personell und technisch angemessen auszurüsten,
4. ein Informationsfreiheitsgesetz auf den Weg zu bringen, wie es andere Bundesländer und der Bund bereits erfolgreich getan haben. Informationsfreiheitsrechte erhöhen die Transparenz der Verwaltung und können somit einen deutlichen Beitrag zu Korruptionseindämmung leisten,
5. interne Kontrollsysteme in den Verwaltungen weiter zu stärken und darauf zu achten, dass Planung, Überwachung und Ausführung öffentlicher Vorhaben ebenso wie Ausschreibung und Vergabe in verschiedenen Händen liegen und das "Vier-Augen-Prinzip" konsequent angewandt wird,
6. die Sensibilisierung der Beschäftigten sämtlicher Hierarchiestufen, vor allem in gefährdeten Bereichen, für die Gefahren und Mechanismen der Korruption weiter zu verstärken und geeignete Fortbildungskonzepte hinsichtlich Korruptionsprävention und Aufdeckung auf den Weg zu bringen,
7. dem Landtag regelmäßig einen Bericht zur Korruption vorzulegen, der über die Entwicklung in diesem Kriminalitätsbereich Auskunft gibt. Der Bericht soll sowohl die Erkenntnisse des LKA als auch die Erkenntnisse über die Umsetzung präventiver Maßnahmen umfassen,
8. bei Unternehmen, an denen das Land direkt oder indirekt über die HanBG beteiligt ist, auf die strikte Einhaltung des Corporate Governance Kodexes zu achten, da das Prinzip der guten Unternehmensführung jegliche Praxis von Korruption und Vorteilsnahme kategorisch ausschließt.

Begründung :
Die Aufdeckung von Korruptions- und Betrugsfällen in Wirtschaft und Politik hat in den letzten Jahren dramatisch zugenommen. Die Schäden durch Korruption und Wirtschaftskriminalität sind außerordentlich hoch und liegen laut Schätzungen im zweistelligen Milliardenbereich. Es handelt sich damit nicht um wenige Einzelfälle und Ausnahmeerscheinungen, sondern um ein strukturell verfestigtes Phänomen in verschiedenen gesellschaftlichen und ökonomischen Bereichen.
Korruption erschüttert das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in Politik, Wirtschaft und Verwaltung, unterminiert die öffentliche Moral und untergräbt die Motivation loyaler Mitarbeiter.
Die Ermittlungspraxis zeigt, dass die Aufdeckung von Korruption außerordentlich schwierig ist. Verflechtungen zwischen Wirtschaft, Verwaltung und Politik und intransparente Verfahren und Entscheidungsprozesse begünstigen Korruption. Deshalb sind zur Aufdeckung und Verhinderung von Korruption die Herstellung von Transparenz von Entscheidungsprozessen der Verwaltung sowie die Implementierung von Instrumenten, die der Abschreckung potentieller Täter dienen, von größter Bedeutung.
Ein gesetzliches Korruptionsregister, in dem alle Unternehmen eingetragen werden, die sich der Korruption schuldig gemacht haben und somit auf bestimmte Zeit von der öffentlichen Auftragsvergabe ausgeschlossen werden, ist ein entscheidender Schritt zur Korruptionsbekämpfung. Ein Korruptionsregister würde vor allem generalpräventiv auf alle Unternehmen wirken, die in hohem Maße von staatlichen Aufträgen abhängig sind – dazu zählt vor allem die korruptionsanfällige Bauindustrie. Der gegenwärtige Runderlass des Wirtschaftsministeriums, der Staatskanzlei und der übrigen Ministerien vom 31.08.2000 reicht nicht aus, um Korruption wirksam einzudämmen, da die Kommunen nicht verpflichtet sind nach dem Erlass zu verfahren, sondern nur eine Empfehlung ausgesprochen wird. Es verwundert daher nicht, dass bisher kaum Unternehmen in dem bereits vorhandenen Register benannt werden. Im Übrigen bestehen im Erlass Regelungslücken, da Firmen, die sich der Korruption schuldig gemacht haben und im gegenwärtigen Register geführt werden durch Auflösung und Neugründung einer Auftragssperre relativ einfach entgehen können.
Es steht außer Frage, dass vielfältige Ermittlungsprobleme die Aufdeckung und Bewältigung dieser umfangreichen und komplizierten Strafverfahren erschweren. Daher sind entsprechende Schwerpunktstaatsanwaltschaften mit angemessener personeller und sächlicher Ausstattung einzurichten. Der Bundesrechnungshof kommt in einer Untersuchung zur Wirtschaftskriminalität zu dem Schluss, dass die personelle Ausstattung im Kampf gegen Korruption und Wirtschaftsstraftaten in Deutschland ungenügend sei. Die Landesregierung ist aufgefordert für eine sach- und fachgerechte Ausstattung der jeweiligen Institutionen zu sorgen, damit eine effektive und wirksame Strafverfolgung stattfinden kann. Eine weitere Ausmergelung von Staatsanwaltschaften und Finanzbehörden kann sich Niedersachsen nicht leisten, wenn der staatliche Anspruch der Strafverfolgung durchgesetzt werden soll. Eine bessere Ausstattung der Staatsanwaltschaften in diesem Bereich ist kostenneutral, da dem Land und den Kommunen gegenwärtig durch Korruption erheblicher Schaden zugefügt wird und zudem durch eine verbesserte Ausstattung der Ermittlungsbehörden eine höhere Gewinnabschöpfung erzielt werden kann.
Ein Informationsfreiheitsgesetz würde die Verwaltung stärker durchleuchten und somit ein wichtiges bürgerrechtliches Kontrollinstrument sein, um das rechtmäßige Handeln der öffentlichen Verwaltung zu gewährleisten. Antikorruptionsorganisationen wie Transparency International fordern Informationsfreiheitsrechte genauso wie die Bertelsmann-Stiftung oder das Netzwerk Recherche. Der investigative Journalismus und die öffentliche Kontrolle durch die Medien und Bürger würden von einem entsprechenden Gesetz enorm profitieren und somit Korruption eindämmen. Transparenz ist die schärfste Waffe gegen Korruption.
Regelmäßige Berichte sollen den Landtag und die Öffentlichkeit darüber informieren, wie sich die entsprechenden Maßnahmen auswirken und wo Bedarf zur Nachjustierung besteht.
Das beste Bollwerk gegen Korruption ist eine in der Politik, Verwaltung, Wirtschaft und der gesamten Gesellschaft fest verankerte Kultur, die Korruption ächtet und ihr keine Chance lässt, sich auszubreiten. Die Unannehmbarkeit der Korruption setzt demnach die allgemeine Anerkennung und Praktizierung ethischer Grundwerte wie Fairness, Loyalität und Rechtstreue des Zusammenlebens in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft voraus. Dies ist der Auftrag an politische Eliten, Unternehmensführer, Gewerkschaften und die allgemeine Bevölkerung. Wo die politische und wirtschaftliche Elite eines Landes von der Mehrheit der Bevölkerung als inkompetent und käuflich eingeschätzt wird, wächst die Gefahr für die Legitimität des Staates und letztlich für die Stabilität des demokratischen Systems.
Fraktionsvorsitzender

Zurück zum Pressearchiv