Antrag: Korrektur der Abschaffung der Widerspruchsverfahren dringend erforderlich!

 

Der Landtag wolle beschließen:

Bis auf wenige Rechtsgebiete bedarf es seit dem 01.01.2005 in Niedersachsen vor Erhebung einer Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage nicht mehr eines vorgeschalteten Widerspruchsverfahrens. Dies gilt insbesondere für das Steuer-, Beitrags- und Gebührenrecht, das Ausländerrecht, das Ausbildungs- und Studienförderungsrecht, Teile des Beamtenrechts, das Gewerberecht, das Wohngeldrecht, das Verkehrsrecht und das Polizeirecht. Nicht erst nach den zuletzt von der Landesregierung vorgelegten Zahlen (siehe: Antwort der Landesregierung auf eine Anfrage der SPD-Fraktion, Drs. 15/3085) zu der Zunahme von Klagen bei den Verwaltungsgerichten wird deutlich, dass eine Korrektur für einige Rechtsgebiete notwendig ist.

Entschließung

Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

einen Entwurf zur Änderung des  Niedersächsische Ausführungsgesetz zur Verwaltungsgerichtsordnung unverzüglich vorzulegen, damit möglichst schon zu Anfang 2007 vor Erhebung von Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen im

  • Rundfunk- und Fernsehgebührenrecht,
  • Recht der Land- und Ernährungswirtschaft,
  • Abgabenrecht
  • Öffentlichen Dienstrecht (ohne Besoldung und Versorgung)

das Widerspruchsverfahren wieder eingeführt wird.


Begründung

Durch die Abschaffung der Widerspruchsverfahren seit dem 01.01.2005 ist es in Niedersachsen zumindest in einigen Rechtsgebieten zu einer Klageflut gekommen.

So zeigt sich im Sachgebiet Land- und Ernährungswirtschaft, dass es sowohl im Bereich der Subventionen, Anpassungshilfen und Stilllegungsprämien, aber auch im sonstigen Bereich zu einer Zunahme der Klageverfahren in 2005 um ca. 18 % und im 1. Halbjahr 2006 sogar um ca. 280 % gekommen ist. Auch wenn davon auszugehen ist, dass insbesondere im Jahr 2006 die Zunahme der Klageverfahren auch auf die Umstellung der Agrarförderung zurückzuführen ist, muss hier eine Änderung erfolgen. So hat u.a. der Niedersächsische Landfrauenverband Hannover e.V. im Rahmen einer schriftlichen Anhörung am 19.07.2006 auf die dramatische Entwicklung in Bezug auf die Zunahme der Klageverfahren hingewiesen. Gerade wegen der Änderungen im Zuge der Agrarreform hätte die Landesregierung weitsichtig sein müssen und für das Sachgebiet Land- und Ernährungswirtschaft auf die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens verzichten müssen, So ist laut Stellungnahme der Landfrauen von ca. 1500 zusätzlichen Verfahren bei den Verwaltungsgerichten auszugehen. Bei einer außergerichtlichen Bearbeitung hätten sich viele Fälle unbürokratischer abwickeln lassen.

Gleiche Entwicklungen sind für das Abgabenrecht festzustellen. Hier ist nicht nur ein sprunghafter Anstieg der Klageverfahren im Vergleich von 2004 auf 2005 zu verzeichnen. Vielmehr hat sich auch im 1. Hj. 2006 im Vergleich zum 1. Hj. 2005 noch mal eine Steigerung um 35,5 % ergeben. Die Gemeinden machen von der Möglichkeit nahezu keinen Gebrauch, die Rechtsbehelfsbelehrung wegzulassen, um so ein kurzfristiges Klageverfahren zu vermeiden. Sie befürchten beispielsweise im Abgabenrecht Probleme mit der Fälligkeit von Forderungen  bzw. mit der Verpflichtung des Abgabepflichtigen zur Zahlung von Abgaben zu bekommen, wenn der Abgabenpflichtige ein Jahr Zeit zur Klageerhebung hat. Außerdem erfordert die damit verbundene besondere Kontrolle ebenfalls einen erhöhten Arbeitsaufwand, der mit dem üblichen EDV-gesteuerten Veranlagungsverfahren nicht zu bewältigen ist. Deshalb erwägen einige Kommune, das Personal, das mit der Bearbeitung der Klageverfahren befasst ist, aufzustocken, weil die Mitarbeiter mit der Bearbeitung der Klageerwiderungen und Stellungnahmen nicht mehr hinterherkommen. So sind zahlreiche Anträge von Gemeinden auf Fristverlängerung zur Abgabe von Stellungnahmen und häufiger Anträge zur Aufhebung eines Termins zur mündlichen Verhandlung bei den Verwaltungsgerichten zu verzeichnen, da die knappe Personaldecke es nicht zulässt einen Vertreter zu entsenden oder Fristen nicht eingehalten werden können.

Auch der Vergleich der Eingangszahlen(2004 = 237 neue Verfahren, 2005 = 2669 neue Verfahren) beim Rundfunk- und Fernsehgebührenrecht zeigt eine auch für die Verwaltungsgericht nicht mehr zu bewältigende Anzahl von zusätzlichen Verfahren.   

Fraktionsvorsitzender

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