Antrag: Konsequenzen aus der desaströsen Entwicklung beim Klimagipfel in Kopenhagen ziehen: Niedersachsen muss endlich eigene Klimaziele festlegen und handeln!

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Niedersächsische Landtag stellt fest:

Das Ende des Klimagipfels von  Kopenhagen wurde weltweit mit großer Enttäuschung und mit Fassungslosigkeit aufgenommen. Die Vertreter der Bundesregierung und der Europäischen Union (EU) haben versagt – ebenso wie viele andere angereiste Staatschefs. Bundesregierung und EU haben es nicht vermocht, ihren Einfluss wirkungsvoll geltend zu machen. Bei der Schlussrunde der Verhandlungen waren sie noch nicht einmal anwesend.

Nach dem Desaster von Kopenhagen wäre es falsch, nur auf den nächsten Gipfel zu warten. Trotz hoher Erwartungen in vielen Ländern der Erde, trotz großer Unterstützung der Zivilgesellschaft aus vielen Ländern dieser Erde, trotz breiter wissenschaftlicher Unterstützung durch das International Panel of Climate Change (IPCC) gab es am Ende nur eine lauwarme Erklärung, die vom Plenum lediglich zur Kenntnis genommen wurde. Ein Handlungsauftrag fehlt.

Wenn künftige Gipfel nur über den kleinsten gemeinsamen Nenner sprechen, wird sich die Erderwärmung nicht auf 2 Grad Celsius gegenüber vorindustriellen Zeiten begrenzen lassen. Damit drohen weitgehende Veränderungen des Klimas, die Nahrungsgrundlagen, Wohnungen und Wohlstand von einem Viertel der Menschheit bedrohen. Die Erde selbst wird nicht untergehen, aber die Lebensbedingungen für den Menschen werden sich nach allen Prognosen dramatisch verändern. Es führt daher kein Weg an einer Vorreiterrolle von Kommunen, Ländern, Nationen oder Regionen vorbei, die beim Klimaschutz handeln wollen und handeln können.

Der Niedersächsische Landtag beschließt:

Der Landtag bedauert das Scheitern des Klimagipfels. Er bekennt sich zu seiner Verantwortung, seine eigenen Möglichkeiten zum Klimaschutz voll auszuschöpfen und setzt sich die nachfolgenden Klimaziele:

  • Das Land Niedersachsen setzt sich zum Ziel die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent und bis zum Jahr 2050 um 95 Prozent zu senken. (Vergleichsjahr 1990).
  • Das Land Niedersachsen wird alle politischen und rechtlichen Möglichkeiten nutzen, um diese Ziele zu erreichen und seiner Vorbildfunktion gerecht zu werden: Öffentlichkeitsarbeit, finanzielle Anreize, ordnungspolitische Maßnahmen, raumordnerische Instrumente und marktwirtschaftliche Instrumente zur Internalisierung externer Kosten.
  • Die Landesregierung wird verpflichtet, dem Landtag bis zum 1. Mai 2010 den Entwurf eines entsprechenden Klimaschutzprogramms vorzulegen. Dabei ist eine weitere Nutzung der Atomkraft jenseits der derzeit gesetzlich festgelegten Fristen auszuschließen.

Der Landtag erwartet, dass u.a. folgende Maßnahmen Bestandteil eines niedersächsischen Klimaschutzprogramms und eines Stufenplans zum Klimaschutz sein werden:

  • Verzicht auf den Bau neuer Kohlekraftwerke
  • Vorantreiben von Windkraft-Repowering im Binnenland
  • Festschreibung von Kraft-Wärme-Kopplung in der Bauordnung und in der Raumordnung
  • Verdreifachung der Wasserentnahmegebühr für Kühlzwecke
  • Verschärfte Standards für die Nutzung erneuerbarer Energien und Wärmedämmung in der Bauordnung
  • Passivhausstandard bei neuen öffentlichen Gebäuden
  • Umstellung aller normalen Dienstfahrzeuge des Landes auf Carsharing und beste verfügbare Technik
  • Stopp aller Autobahnneubauplanungen im Land zugunsten eines deutlich verstärkten und bedarfsgerechten Schienenverkehrsausbaus
  • Förderung von Gruppenbauvorhaben mit Nahwärmestrategie
  • Förderung von energieautarken Dörfern und Gemeinden
  • Förderung der Neugründung von Stadt- und Gemeindewerken mit Ökoenergie-Konzepten
  • Ökolandbau statt klimaschädlicher Massentierhaltung
  • Anreize zur Reduzierung des Fleischkonsums

Begründung:

Deutschland befindet sich heute in einer umwelt- und industriepolitischen Poleposition. Deutsche Firmen zählen dank EEG und vieler weiterer Entscheidungen bei umweltfreundlichen Technologien zu den Weltmarktführern. Diese Position gilt es zu nutzen. Wenn diese Position jetzt verspielt wird, werden andere Länder morgen die Standards setzen. Dabei haben Länder, die jetzt handeln nicht nur die Chance aktiven Klimaschutz voranzubringen. Sie machen zugleich ihre Wirtschaft zukunftsfest. Sie sichern und schaffen neue Arbeitsplätze. Weltweit gibt es künftig Nachfrage nach umweltfreundlichen und energieeffizienten Technologien, Verfahren und Projekten. Auf der ganzen Welt suchen Menschen nach Wegen für einen nachhaltigen Lebensstil. Wer diese Ideen und Produkte liefern kann, wird auch wirtschaftspolitisch erfolgreich sein. Die Konservierung alter Strukturen und das Festhalten an alten Technologien, Lebensstilen und Verfahrensweisen sind hingegen eine Loser-Strategie, eine ängstliche und eine mutlose Strategie. Sie birgt ein mehrfaches Gefahrenpotenzial: Klimapolitisch, wirtschaftspolitisch und auch um den Krieg von Ressourcen.

Die Rahmenbedingungen werden zunächst durch den Emissionshandel nach dem Kyoto-Rahmen und durch die Entwicklung der Rohstoff- und Energiepreise definiert. Gelingt ein Kyoto-Nachfolgeabkommen werden die Kosten für Verschmutzungsrechte weiter steigen. Gelingt in naher Zukunft kein Kyoto-Nachfolgeabkommen werden die Rohstoff- und Energiepreise noch schneller steigen als mit Nachfolgeabkommen. Für beide Fälle gilt: Investitionen in Energieeffizienz, Energieeinsparung, Ressourcenschutz und Erneuerbare Energien sind auch in einer Welt ohne globales Abkommen eine Gewinnerstrategie. Ökologisch gilt das ohnehin, aber auch ökonomisch ist sie zwingend.

Um die Verhandlungsposition der EU bei künftigen globalen Verhandlungen zu stärken muss zudem eine europäische Kohlendioxidsteuer (bei äquivalenter Veranlagung weiterer klimawirksamer Gase) und ein europäischer Grenzausgleich (Border Tax Adjustment) vorbereitet werden. Dabei würde für jedes Importland ein Klimazoll festgelegt, der mangelndes klimapolitisches Engagement ausgleicht.

Bislang hat sich Niedersachsen beim Klimaschutz als Modernisierungsverweigerer gezeigt. Der Umweltminister rühmt sich zwar bei jeder Gelegenheit für die Einrichtung einer Regierungskommission Klimaschutz, setzt sich aber zugleich dem Verdacht aus, dass diese Kommission eher als Feigenblatt für die weitgehende Verweigerung konsequenter Klimaschutzmaßnahmen dient. Während der niedersächsische Umweltminister einen Beschluss der Umweltministerkonferenz zu Klimaziel-Forderungen an die Bundesregierung unterstützt, verweigert er zugleich die Anwendung dieser Ziele für Niedersachsen. Klimaziele will er laut Antwort auf eine dringliche Anfrage vom Dezember 2009 erst in zwei Jahren festlegen. Gleichzeitig propagiert der Umweltminister den Bau von Kohlekraftwerken, der sogar einen Anstieg der Kohlendioxid-Emissionen in Niedersachsen zur Folge hätte. Den Emissionshandel interpretiert der Umweltminister in einer Weise, die davon ausgeht, dass alle Emissionsminderungen von Nachbarländern zu erbringen sind und dabei sogar noch niedersächsische Emissionssteigerungen kompensiert werden sollen.

Auch vom niedersächsischen Landwirtschaftsminister kommen keine positiven Impulse beim Klimaschutz, obwohl die Landwirtschaft mit 14 Prozent der Treibhausgasemissionen zu dem vom Menschen verursachten Klimawandel beiträgt. Dies entspricht in etwa den Auswirkungen des Transportsektors auf unser Klima. Als führendes Agrarland muss Niedersachsen dem in seinem Klimaschutzprogramm Rechnung tragen.

Werden zudem Landnutzungsänderungen wie die Umwandlung von Grünland zu Ackerland berücksichtigt, trägt der Agrarsektor sogar zu mehr als einem Drittel zur globalen Erwärmung bei. In Deutschland verursacht die Landwirtschaft zwischen sechs und elf Prozent des gesamten nationalen vom Menschen verursachten Treibhauseffekts. In der Agrarwirtschaft sind es vor allem die Treibhausgase Methan (CH4) und Lachgas (N2O), die zur globalen Erwärmung beitragen. In Niedersachsen entstehen sie bei der Rinderhaltung zur Milch- und Fleischerzeugung sowie beim Düngen, wenn stickstoffhaltige synthetische Dünger sowie Wirtschaftsdünger wie zum Beispiel Mist, Jauche und Gülle zum Einsatz kommen.

So entweichen von einem Hektar gedüngter landwirtschaftlicher Nutzfläche pro Jahr etwa 1,3 Tonnen Lachgas. Weil dieses Treibhausgas ein über 300mal stärkeres Treibhauspotenzial als Kohlendioxid (CO2) hat, entspricht dies der jährlichen Treibhausgas-Emission eines Personenkraftwagens mit einer Fahrleistung von etwa 10.000 Kilometer (bei einer Emission von 130 Gramm CO2 je gefahrenem Kilometer, wie von der EU-Kommission als politisches Ziel bis 2012 für die durchschnittlichen Flottenwerte für Neuwagen vorgegeben).

Die niedersächsische Klimapolitik vernachlässigt die Landwirtschaft und die niedersächsische Agrarpolitik vernachlässigt den Klimaschutz. Als führendes Agrarland sollte Niedersachsen hier vorangehen und seine Landwirtschaft klimaschonender betreiben.  Auch in der Landwirtschaft und im Eigeninteresse der Landwirtschaft sollte eine deutliche Reduktion der Treibhausgasemissionen erreicht werden.

Fraktionsvorsitzender

 

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