Antrag: Konsequenzen aus den Fehlern beim Vergabeverfahren für das Baulos 1 beim Projekt JadeWeserPort

Fraktion der SPD
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Landtag fordert den Ministerpräsidenten im Rahmen seiner politischen Gesamtverantwortung auf:

  1. Den für die Führungsfehler beim Vergabeverfahren verantwortlichen niedersächsischen Wirtschaftsminister Hirche sofort aus seinem Amt zu entlassen.
  2. Den bisherigen Aufsichtsratsvorsitzenden, Herrn Staatssekretär Joachim Werren sofort von seiner Funktion als Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr und vom Aufsichtsratsvorsitz der JWP-RG abzuberufen und in Absprache mit dem Land Bremen einen neuen Aufsichtsratsvorsitzenden zu bestellen. Die übrigen niedersächsischen Mitglieder des Aufsichtsrats sind nach den Kriterien Eignung und Qualifikation neu zu berufen.
  3. Sich für eine Rehabilitierung der Mitarbeiter der JWP-RG (sog. Vergabeteam alt) einzusetzen, deren Arbeit ungerechtfertigt abgewertet wurde.

Darüber hinaus stellt der Landtag fest:

  1. Die Zuschlagsfrist im Zuge der Ausschreibung des Bauloses 1 des wichtigsten und größten maritimen Infrastrukturprojektes in Niedersachsen, des JadeWeserPorts wurde vom ursprünglich geplanten Termin 17.08.2006 viermal bis zum 27.04.07 verschoben.
    Schon dadurch treten zeitliche Verzögerungen beim Baubeginn des gemeinsam mit dem Bundesland Bremen geplanten Tiefwasserhafens ein. Obwohl für den Planfeststellungsbeschluss der sofortige Vollzug angeordnete worden ist, wurde aus Unsicherheit über den Ausgang schwebender Verfahren vor dem OVG Lüneburg ein umfassender Baubeginn von der Landesregierung bisher nicht freigegeben. Damit ist die zeitgerechte Fertigstellung des ersten Liegeplatzes des JWP zum 31.12.2010 äußerst fraglich. Gleichzeitig drohen 50 Millionen Euro an EU-Fördermitteln zu verfallen. Durch die Verzögerung ist damit zu rechnen, dass der Hafenbetreiber Eurogate Schadensersatz in Millionenhöhe von der JWP-Realisierungsgesellschaft und damit von den beiden Ländern Bremen und Niedersachsen fordern wird. Darüber hinaus sind Mehrkosten durch inzwischen eingetretene erhebliche Stahlpreissteigerungen und absehbare Mehrkosten für eine beschleunigte Bauausführung in zweistelliger Millionenhöhe gegenüber dem Zuschlagswert für das Baulos 1 zu erwarten. Damit droht dem Land Niedersachsen nicht nur massiver wirtschaftlicher Schaden, sondern darüber hinaus auch die erhebliche Verzögerung bei der Schaffung vieler in der Region notwendiger neuer Arbeitsplätze.
  2. Im Abschlussbericht des 20. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses wird festgestellt, dass es im Zuge des Vergabeverfahrens zu erheblichen und schwerwiegenden Verstößen gegen das Vergaberecht durch unrechtmäßige politische Einflussnahme von Vertretern der Länder Niedersachsen und Bremen in der JWP- Realisierungsgesellschaft gekommen ist.
  3. Die auf Grund der unzulässigen Eingriffe in das Verfahren fehlerhafte Vergabe wurde durch den Beschluss des Oberlandesgerichts Celle im September 2007 festgestellt und das Ergebnis korrigiert. Damit hat das Gericht auch bestätigt, dass der von den mit der Vergabe befassten JWP-RG-Mitarbeitern (sog. Vergabeteam alt) erarbeitete Stand der Vergabeakte zum Zeitpunkt 16. Februar 2007, insbesondere was den Ausschluss der Biege Hochtief betrifft, sachgerecht und korrekt gewesen ist. Die Bildung eines neuen Vergabeteams und die ungerechtfertigte Entlassung des Prokuristen stellen sich eindeutig als Eingriffe unter Beteiligung von Vertretern des Landes Niedersachsen dar, die zum Ziel hatten, die Vergabeentscheidung in eine von der Landesregierung politisch gewollten Richtung zu beeinflussen.
  4. Der niedersächsische Wirtschaftsminister Hirche trägt nicht nur die Verantwortung für unzulässige Eingriffe in das Vergabeverfahren, sondern er trägt auch die Verantwortung für die bereits eingetretenen und noch zu erwartenden Zeitverzögerungen bei Bau und Inbe-triebnahme des JadeWeserPorts und die damit verbundenen bereits entstandenen und noch zu erwartenden Haushaltsrisiken für das Land Niedersachsen. Er hat damit nicht nur zur Verzögerung des Baubeginns beigetragen, sondern auch dem Land Schaden zugefügt.

Begründung

Im Zuge des Vergabeverfahrens sind erhebliche Verzögerungen entstanden, die zu einem späteren Baubeginn und absehbar zu einer späteren Inbetriebnahme des Hafens führen werden. Gleichzeitig werden erhebliche Zuschussmittel der EU gefährdet und Schadensersatzforderungen drohen zu weiteren finanziellen Belastungen für das Land zu werden.

Die eingetretenen Zeitverzögerungen sind die Folge sachwidriger Einflussnahmen auf das Vergabeverfahren. Hieran waren maßgeblich Mitarbeiter einer Gesellschaft des Landes Bremen beteiligt. Sie haben aber mit Duldung und Unterstützung von Angehörigen der niedersächsischen Landesverwaltung gehandelt. Diese Tatsachen waren dem zuständigen Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr und seinem Staatsekretär, zugleich Vorsitzender des Aufsichtsrates der JWP-RG bekannt. Sie haben von der sachwidrigen, vergaberechtlich unzulässigen Einflussnahme auf die Vergabe des Bauloses 1 gewusst, sie geduldet bzw. sogar gefördert mit dem Ziel, die Auftragsvergabe an die mittelständische Bietergemeinschaft Bunte zu verhindern.

Massive Einflussnahme des Wirtschaftsministeriums durch den dortigen Stabsstellenleiter Herrn Professor Erdmann in enger Abstimmung mit Herrn Staatssekretär Werren haben zur Aufhebung des Vergabebeschlusses vor dem Oberlandesgericht Celle geführt und das bis Februar 2007 zuständige Vergabeteam der JWP-Realisierungsgesellschaft in seiner fachlichen Haltung bestätigt.

Alle Fraktionen des niedersächsischen Landtags haben den Aussagen des gekündigten Prokuristen und einem weiteren als Zeugen gehörten Mitglied des Vergabeteams ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit bestätigt. Darüber hinaus sind in einer Reihe von Vermerken die massiven politischen Einflussnahmen und der politische Druck seitens der Landesregierung deutlich geworden, dem die Planer und Fachleute in der JWP-Realisierungsgesellschaft ausgesetzt waren.

Sie sollten einen Vergabevorschlag erarbeiten, der die Fa. Hochtief mit der Durchführung des Baues betrauen sollte. Gleichzeitig sollte mit politischem Druck und Drohungen die Fa. Bunte von einem juristischen Vorgehen gegen das zweifelhafte Verfahren abgebracht werden.

Um das Vertrauen in das sachgerechte, unabhängige staatliche Handeln wiederherzustellen und auch in Zukunft zu gewährleisten, ist konsequentes Handeln geboten und die Entlassung der politisch Verantwortlichen unverzichtbar.

Wolfgang Jüttner
Fraktionsvorsitzende

Ursula Helmhold
stellv. Fraktionsvorsitzende

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