Antrag: Koalitionsentwurf zum Haushalt 2020: Schattenhaushalte, mangelnde Vorsorge und massive Klimarisiken - Niedersachsen braucht soziale Vorsorge, Zusammenhalt und nachhaltigen Schutz der Lebensgrundlagen!

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Landtag stellt fest:

Die Steuereinnahmen des Landes sind derzeit noch vergleichsweise hoch. Ein Rückgang der Zuwächse ist jedoch absehbar und wird sich künftig noch verstärken. Die konjunkturelle Entwicklung ist deutlich abgeschwächt. Einige Indikatoren deuten sogar auf eine Rezession hin. Die Arbeitslosigkeit ist niedrig, allerdings gibt es sehr deutliche Warnzeichen in mehreren Branchen. Die Zinskosten sind auf einem historisch niedrigen Niveau.

Deutschland wird die Klimaziele für 2020 deutlich verfehlen. Der Handlungsbedarf für die kommenden Jahre wird daher deutlich verschärft, sowohl in Bezug auf aktiven Klimaschutz als auch in Bezug auf Klimaanpassung an sich negativ verändernde Umweltbedingungen. Das betrifft in Niedersachsen die bedrohte Trinkwasserversorgung, den schlechten Zustand der Wälder, die erschwerten Produktionsbedingungen der Landwirtschaft, die mangelnde Leistungsfähigkeit der Kanalisationen und der Verkehrsinfrastruktur bei Extremwetter und insbesondere die gestiegenen Anforderungen an den Küstenschutz und die Sicherheit der Deiche. Die Menschheit steht vor einer beispiellosen Herausforderung, die nur gemeinsam bewältigt werden kann. Die Ziele des völkerrechtlich verbindlichen Klimaabkommens von Paris müssen beschleunigt umgesetzt werden, um dramatische Verschlechterungen unserer natürlichen Lebensgrundlagen abzuwenden.

Der Zeitpunkt, um soziale Vorsorge, Zusammenhalt und den Schutz der Lebensgrundlagen grundlegend zu stärken, ist jetzt. Das sind wir kommenden Generationen schuldig. Der Entwurf der Koalitionsfraktionen wird den Herausforderungen nicht gerecht. Die Kraft der großen Koalition reicht nicht, um schwierige Themen anzupacken. Der Entwurf der Koalitionsfraktionen besteht in weiten Teilen aus dem allerkleinsten gemeinsamen Nenner. Es wird zwar viel Geld ausgegeben, aber strukturell notwendige Reformen unterbleiben oder sind kontraproduktiv. Bei Wasser-, Natur- und Klimaschutz werden immanent Schulden bei nachkommenden Generationen aufgehäuft. Notwendig ist daher ein Klimagesetz des Landes und ein Klimaschutzfonds in der Höhe von einer Milliarde Euro, der regelmäßig aufgefüllt wird. Notwendig ist eine konsistente und nachhaltige Unterstützung der Zukunftstechnologien zur Realisierung der Energiewende. Wenn nach der Solarindustrie auch Arbeitsplätze und Know-How in der Windindustrie aufgegeben werden, droht ein Schaden, der weit über die Branche hinausgeht und die Zukunftsfähigkeit des Landes insgesamt beschädigt.

Die Landesregierung propagiert eine sogenannte „Schwarze Null“, verschweigt aber, dass das Vermögen des Landes gesunken ist und neue Schattenhaushalte gebildet wurden. Ursache ist nicht allein die Abschreibung der Nord/LB auf null und die Kreditaufnahme hundertprozentiger Tochtergesellschaften des Landes, wie der Niedersachsen Invest (NIG) und der Hannoverschen Beteiligungsgesellschaft (HanBG), sondern insbesondere das Nichthandeln beim Klimaschutz. Die kameralistische Buchführung des Landes ist lediglich eine Ausgaben-Einnahmen-Rechnung. Eine Bilanz wird nicht erstellt. Die Buchführung bleibt daher blind für Vermögensverzehr. Mit diesem Buchführungssystem sind Deutschland und Österreich zusammen mit 14 Bundesländern in Europa mittlerweile in der Minderheit. Die konstruktive Entwicklung eines European Public Sector Accounting System (EPSAS) ist daher vordringlich. Notwendig ist dabei die Fortschreibung der Nachhaltigkeitsindikatoren und ein Wohlfahrtsindex anstelle des BIP.

Da gute Steuereinnahmen nicht dauerhaft garantiert sind, müssen Einnahmen verbessert, Mittel hocheffizient eingesetzt werden, Gebührenhaushalte überprüft und Steuerbetrug konsequent bekämpft werden. Nach dem CumEx-Skandal muss das Risikomanagement in der Steuerverwaltung grundlegend überprüft werden. Es ist völlig unverständlich, dass dieser Großbetrug nicht früher aufgefallen ist. Steuergerechtigkeit mit Bezug auf die tatsächliche Leistungsfähigkeit der Bürgerinnen und Bürger ist ein zentraler Beitrag zum sozialen Frieden.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  1. einen Klimaschutzfonds des Landes einzurichten und eine enge Abstimmung mit Maßnahmen der EU und des Bundes über BAFA, KfW, N-Bank, Klimaschutzagenturen, Verbraucherzentralen und weitere Akteure vorzunehmen, sich auf Bundes- und EU-Ebene für einen wirkungsvollen CO2-Preis in allen Sektoren und eine Beseitigung von alten Subventionen zur Vermeidung der Verschmutzung der Umwelt mit Emissionen aus fossilen Brennstoffen einzusetzen, die Einnahmen unmittelbar zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger zu verwenden,
  2. die Aufteilung der Gemeinschaftssteuern nach Artikel 106 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) und den damit verbundenen Anspruch des Landes auf Deckung der notwendigen Ausgaben sowie den Anspruch der Kommunen auf Sicherstellung der kommunalen Selbstverwaltung nach Artikel 28 Abs. 2 GG grundlegend zu überprüfen. Hintergrund sind langfristig gewachsene Aufgaben und überdurchschnittliche Kostensteigerungen der Länder und Kommunen im Bereich der Jugendhilfe, der frühkindlichen Bildung, der Kindertagesstätten, der Inklusion in den Schulen, der Ganztagsbeschulung, der sozialen Sicherung und des Klimaschutzes,
  3. sich für eine Überprüfung der tariflichen und besoldungsrechtlichen Eingruppierung von Erzieherinnen, Erziehern, Krankenpflegerinnen, Krankenpflegern, Altenpflegerinnen, Altenpflegern und Beschäftigten mit niedrigen Einkommen und Lehrerinnen und Lehrern im Eingangsamt einzusetzen, um heutige und künftige Anforderungen an die Qualität der öffentlichen Dienstleistungen und den Fachkräftebedarf erfüllen zu können und die Forderungen aus der LT Drs. 18/3936 Fachkräftemangel entgegentreten - Tarifabschluss wirkungsgleich umsetzen - Sonderzahlung im öffentlichen Dienst wieder einführen, weiter zu verfolgen,
  4. sich für eine konsequente Neuausrichtung der Agrarförderung der Europäischen Union einzusetzen, um Natur, Klima, Wasserreserven, Böden und Artenvielfalt zu schützen und eine nachhaltige bäuerliche Landbewirtschaftung zu erwirken. Öffentliche Gelder dürfen künftig nur noch für öffentliche Leistungen bereitgestellt werden, die Unterstützung muss den ländlichen Raum und Bauern und Landwirte erreichen, die auf der Fläche tatsächlich wirtschaften, die Überwälzung der Agrarförderung auf außerlandwirtschaftliche Grundbesitzer ist zu unterbinden,
  5. sich für deutliche Qualitätsverbesserungen und Verlässlichkeit des öffentlichen Personennahverkehrs und des schienengebundenen Nahverkehrs als Grundlagen einer nachhaltigen Mobilitätswende in Niedersachsen einzusetzen. Ein wichtiger Baustein ist dabei die Reaktivierung von Bahnstrecken. Die Landesregierung muss zeitnah ein Angebot für junge Menschen zur Nutzung der ökologischen Verkehrsträger Bus und Bahn durch die umgehende Einführung eines Schülertickets und die kostenlose Schülerbeförderung auch für Sek II und Auszubildende auf den Weg bringen. Nicht nur Fahrradwege an Landesstraßen auch Radschnellwege sind als Landesaufgabe verbindlich zu verankern. Die Verringerung des motorisierten Individualverkehrs, der Ausbau der Radwegeinfrastruktur und die Weiterentwicklung integrierter Mobilitätskonzepte in Niedersachsen müssen als Hauptziele etabliert werden. Für die Mobilität sind grundlegende Änderungen an den Finanzierungsmodellen erforderlich. Niedersachsen muss sich für eine Neuausrichtung des Bundesverkehrswegeplan einsetzen, um nachhaltige Mobilität, Klimaschutz, Gesundheitsschutz und Unfallvermeidung zu stärken. Regionalisierungsmittel müssen grundlegend reformiert werden und Einnahmen aus der LKW- Maut müssen künftig auch in den Schienenausbau fließen.
  6. sicherzustellen, dass Justiz und Strafvollzug ihrem gesetzlichen Auftrag in vollem Umfang, zeitnah und professionell nachkommen können. Sicherheit ist ein öffentliches Gut. Deshalb darf es in einem Rechtsstaat keine blinden Flecken geben. Clankriminalität, Wirtschaftskriminalität, Geldwäsche oder Angriffe auf Minderheiten um nur einige Themen zu nennen: Die Herausforderungen der Justiz sind vielfältig und die Justiz muss sich immer wieder aktuellen Herausforderungen stellen. Deshalb müssen auch Beleidigungen und Bedrohungen nicht nur auf der Straße, sondern auch in Online-Medien konsequent verfolgt und geahndet werden. Dazu gehört Prävention und Opferschutz genauso, wie eine gute Personalausstattung und Fort- und Weiterbildung von Beschäftigten im Vollzug.
  7. sich für eine konsequente Durchsetzung bestehender Pflichten von Telekommunikationsunternehmen aufgrund von Ausschreibungen und Universaldienstleistungen zur flächendeckenden Versorgung mit Mobilfunk und Breitband und für einen Rechtsanspruch auf schnelles Internet einzusetzen. Neuausschreibungen müssen die Versorgung aller Haushalte und nationales Roaming vorsehen, um Kosten und Ressourcen zu sparen und unnötige Baumaßnahmen zu vermeiden. Es ist sicherzustellen, dass insbesondere ländliche Regionen durch fehlende Breitbandversorgung nicht zu den Verlierern der Digitalisierung werden. Die Breitbandversorgung ist vorrangig eine Bundesaufgabe.
  8. Das Handwerk in Niedersachsen als Partner mit großem ökologischen Potenzial durch den Abbau von Bürokratie zu unterstützen. Beratung von kleinen Handwerksbetrieben bei der Ausbildung und Gewinnung von Auszubildenden muss in Niedersachsen etabliert werden. Die Wirtschaftsbetriebe in Niedersachsen, die sich am Gemeinwohl und am Gemeinwesen orientieren müssen gestärkt werden. Bei der Förderung von Gründungen und Startups ist ein verstärkter Fokus auf die Förderungen von Frauen sowie Nachhaltigkeit und soziale Fairness zu setzen,
  9. die finanzielle Förderung der Kulturarbeit in Niedersachsen nachhaltig und transparent sicherzustellen und die dafür notwendigen institutionellen Strukturen zu schaffen. Ein rechtlicher und organisatorischer Rahmen soll zukünftig neben der projektorientierten Landesförderung die übergeordnete inhaltliche und finanzielle Ausgestaltung der Kulturförderung regeln.
  10. sich für eine Erhöhung und Überarbeitung der Abwasserabgaben nach dem Abwasserabgabengesetz des Bundes einzusetzen, um die Einleitung von Abwasser und Mikroplastik in Oberflächengewässer, Grundwasser oder Meere soweit technisch möglich zu vermeiden und damit die Ziele des Wasserrechts und die Sicherung unserer Trinkwasserreserven zu erreichen, sicherzustellen, dass die Voraussetzungen geschaffen werden, um Düngerecht, Wasserrecht und Naturschutzrecht entsprechend den gesetzliche Anforderungen umgesetzt und Strafzahlungen durch Unterlassen wenn irgend möglich vermieden werden,
  11. sich dafür einzusetzen, dass die 5. Geldwäscherichtlinie konsequent umgesetzt wird, Transparenz bei den wirtschaftlich Berechtigten geschaffen wird, dass die gesetzliche Verpflichtung zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung nach § 261 Abs. 1 Satz 1 des Strafgesetzbuchs und § 261 Abs. 4 Satz 1 des Strafgesetzbuchs konsequent durchgesetzt wird und die Financial Intelligence Unit (ehemals Bundeskriminalamt, jetzt Zoll) wirkungsvoll aufgestellt wird, dass der Missbrauch sogenannter Steueroasen abgestellt wird und die Steuerverwaltung und Steuerfahndung schlagkräftiger aufgestellt werden, sich für eine einheitliche Besteuerung von Glücksspiel in Europa einzusetzen und sicherzustellen, dass Internetwettspiele von Firmen in Europa, die in Deutschland angeboten werden, vergleichbar besteuert bzw. vergleichbar mit Abgaben belegt werden,
  12. eine Änderung der Förderungsrichtlinien Wohnungsbau mit prioritärer Ausrichtung auf Unterstützung und Förderung von genossenschaftlichem Bauen vorzunehmen, die Neugründung von Genossenschaften verstärkt durch Beratung zu stärken und eine Wohnungsbaugesellschaft des Landes zu gründen, Defizite bei Bau, Unterhaltung, Instandsetzung des Landesimmobilienvermögens und der Hochschulstiftungen konsequent abzubauen, die energetische Sanierung entsprechend den Zielen des Klimagesetzes und mit Hilfe eines Stufenplans voranzutreiben,
  13. mit der Einrichtung von 50 Professuren für Energie- und Klimaforschung die niedersächsischen Hochschulen in einem Bereich von zentraler Bedeutung zu stärken und bei der  Überwindung der Klimakrise, und  Forschungsthemen wie Erneuerbare Energien, Energieeffizienz, Sektorkopplung, Wasserstofftechnologie, klimafreundliche Mobilität, Anpassungsstrategien an den Klimawandel, Nachhaltiger Landbau, Sustainable Accounting sowie Power Structure Research und soziologischen Herausforderungen in Transformationsprozessen zukunftsfähig aufzustellen. Die Grundfinanzierung der Hochschulen aufgrund des Hochschulpaktes darf nicht gekürzt werden.
  14. dem Landtag eine Aufgabenanalyse vorzulegen, um künftige Personalbedarfe dem Grunde, dem Zeitplan und der Qualifikation nach abschätzen und einplanen zu können, eine Aufgabenanalyse muss die Entwicklung langfristiger Trends prüfen und frühzeitig dazu beitragen, Reformbedarf, Effizienzpotenziale oder veränderte Aufgabenprofile zu erkennen, Doppelzuständigkeiten bei der Verwaltung und Bewirtschaftung von Flächen abzubauen und durch Verlagerung der Aufgaben des Domänenamtes für Landesflächen auf die beiden Nationalparke bzw. den Landesliegenschaftsfonds eine fachgerechte Bewirtschaftung und effiziente Verwaltung zu unterstützen,
  15. die Anlagestrategie des Landes Niedersachsen nachhaltig und zukunftsfest zu machen und maßgeblich an sozialen, ökologischen und ökonomischen Faktoren wie Ressourcenschutz, Bereitstellung sozialer Infrastruktur, angemessenen Mindestlöhnen, Arbeitsschutzstandards und der Vermeidung von CO2 Emissionen auszurichten und die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien bei Finanzanlagen mittels in der Landeshaushaltsordnung definierten ESG-Parametern vorzunehmen.

Begründung

Um die Ziele des Pariser Klimaabkommens, dass von Deutschland ratifiziert wurde, zu erreichen, die Energieversorgung auf regenerative Quellen umzustellen und die effizientesten und innovativsten Technologien zu etablieren müssen sich Fördermaßnahmen, ordnungspolitische Vorgaben und ein Preis für die Emission von CO2 sinnvoll ergänzen. Offene und versteckte Subventionen für fossile Heiz- und Kraftstoffe müssen konsequent abgebaut werden. Der Klimaschutzfonds versetzt das Land in die Lage in Abstimmung mit Maßnahmen der EU, des Bundes und der Kommunen Maßnahmen aus dem Energie- und Klimaschutzprogramm zu realisieren. Das Emissionshandelssystem der EU erreicht bislang nur Teile der Industrie und der Elektrizitätswirtschaft. Die Sektoren Wärme, Verkehr und Landwirtschaft bleiben bislang außen vor und werden nur durch die Verpflichtungen im Rahmen des sog. Burden Sharings erreicht. Die Energiewende ist ein gesellschaftspolitisches Transformationsprojekt, dass sehr viele Sektoren erfasst. Eine erfolgreiche Umsetzung muss Gerechtigkeits-, Verteilungs- und Beteiligungsfragen als zentralen Aspekt der Umsetzung begreifen.

Nach Artikel 106 Abs. 3 GG werden die Anteile von Bund und Ländern am Umsatzsteueraufkommen durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrats bedarf, festgesetzt. Im Rahmen der laufenden Einnahmen haben der Bund und die Länder dabei gleichmäßigen Anspruch auf die Deckung ihrer notwendigen Ausgaben. Entwickeln sich die Deckungsverhältnisse von Bund und Ländern auseinander, sind nach Artikel 106 Abs. 4 GG die Anteile von Bund und Ländern an der Umsatzsteuer anzupassen. Gemäß erster Verordnung zur Durchführung des Finanzausgleichsgesetzes erhält der Bund im Jahr 2018 einen Anteil am Umsatzsteueraufkommen von 50,2 % zur Erfüllung seiner Aufgaben. Die Länder erhalten 2018 einen Anteil am Umsatzsteueraufkommen von 46,6 %, die Gemeinden von 3,2 %. Die Mittelabführungen an die EU, teilweise in Form von MWSt- Eigenmitteln, erfolgen aus dem Gesamtsteueraufkommen des Bundes. In der politischen Praxis haben die Deckungsquoten laut Landesregierung (Drs. 18/1740) bei der Festsetzung der Umsatzsteueranteile von Bund und Ländern an Bedeutung verloren. Die Vereinbarung von Vorab- und Festbeträgen zur Aussteuerung der vertikalen Umsatzsteuerverteilung hat die Deckungsquotenmethode in den vergangenen 25 Jahren ersetzt. Vor diesem Hintergrund sollte das Land den Status Quo anhand der Entwicklung unterschiedlicher Kosten grundlegend prüfen und gegebenenfalls wissenschaftlichen Sachverstand einholen.

Angesichts einer momentan vergleichsweise niedrigen Arbeitslosigkeit zeigt sich, dass die Vergütungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich der Krankenpflege, der Altenpflege, der Kindertagesstätten und der Grundschulen nicht ausreichen, um genug Bewerberinnen und Bewerber zu finden. Notwendig sind neben der Anerkennung höherer Tarifabschlüsse oder der Zahlung von Zulagen durch verschiedene Kostenträger auch die Abschaffung von Ausbildungsgebühren, die Anerkennung höherer Personalschlüssel im ambulanten und stationären Bereich durch gesetzliche und private Kassen, die Zahlung von Ausbildungsvergütungen, die deutliche Verbesserung von Weiterbildungsmöglichkeiten für Pflegehilfskräfte und die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die Landesregierung hatte zudem eine Anhebung der Eingangsbesoldung von Grundschullehrerinnen- und Lehrern auf A 13 angekündigt. Hier ist bislang aber nur ein erster Schritt realisiert worden. Tarifabschlüsse sind wirkungsgleich zu übertragen. Die Bezahlung im öffentlich Dienst muss wettbewerbsfähig sein, um in allen Bereichen hochqualifiziertes Personal gewinnen zu können.

Öffentliche Fördermittel für die Landwirtschaft dürfen künftig nur fließen, wenn auch Leistungen im öffentlichen Interesse bereitgestellt werden und nachhaltig ökologisch gewirtschaftet wird. Die Förderung aus der sogenannten ersten Säule der EU Agrarförderung ist daher an ein Punktesystem zu knüpfen, das konsequent an Nachhaltigkeitskriterien ausgerichtet wird. Die sogenannte zweite Säule der EU Agrarförderung für die Unterstützung der Regionalentwicklung im ländlichen Raum ist auf Kosten der ersten Säule zu stärken. Sauberes Wasser, Artenvielfalt und fruchtbare Böden sind essentielle Systemdienstleistungen für Mensch und Natur. Die Zerstörung von natürlichen Lebensgrundlagen durch falsche Förderpolitik, die in erster Linie Grundbesitzer fördert und nicht bäuerliche Landbewirtschaftung, muss eingestellt werden. Die Handelspolitik muss fair gestaltet werden, um planetare Grenzen zu wahren.

Der Bundesverkehrswegeplan 2030 in seiner jetzigen Ausrichtung erfüllt nicht die Anforderungen an Gesundheitsschutz und Klimaschutz sowie einer nachhaltigen Mobilitätswende. Angesichts des Klimanotstandes in Europa ist aber eine Neuausrichtung dringend geboten und die Landesregierung ist in der Pflicht, dieses bei der Bundesregierung einzufordern. Im Rahmen der anstehenden Bedarfsplanüberprüfungen des Bundesverkehrswegeplan müssen neben der verkehrlichen- und wirtschaftlichen Entwicklung der Klimaschutz eine überordnete Rolle spielen. Gerade im Verkehrssektor müssen Emissionen deutlich abgesenkt werden. Mit dem aktuellen Bundesverkehrswegeplan 2030 wird Deutschland  die sektorspezifischen Klimaziele für den Verkehrsbereich krachend verfehlen und Kosten in Milliardenhöhe verursachen, weil Deutschland im sogenannten Nicht-ETS-Bereich Zertifikate von anderen EU-Ländern kaufen müsste. Der Bundesverkehrswegeplan muss grundlegend neu ausgerichtet werden, um gesamtstaatliche Ziele zu erreichen und umweltfreundliche Verkehrsträger nachhaltig zu fördern. Die Neubaumittel bis 2030 sind um 80 % zu kürzen und zusammen mit den Finanzmitteln, die im Rahmen der sogenannten Dieselgipfel zugesagt wurden, für die Förderung von nachhaltiger Mobilität zu verwenden. Die Mobilitätswende muss in den Landkreisen, kreisfreien Städten und Kommunen in Niedersachsen auf den Weg gebracht werden. Neben der Umwidmung der Mittel aus dem Bundesverkehrswegeplan muss auch die Landesregierung erheblich mehr finanzielle Mittel einsetzen, um die Kommunen bei dieser Aufgabe dauerhaft zu unterstützen. Wer Niedersachsen zum Fahrradland Nummer 1 machen will, muss für den Ausbau und die Weiterentwicklung der Radinfrastruktur erheblich mehr Mittel bereitstellen, anstatt diese in ökologisch und ökonomisch unsinnigen Autobahnprojekten zu verbrennen.

Die Gewaltenteilung ist ein zentraler Baustein und konstituierendes Element unseres demokratischen Rechtsstaates. Die Justiz leistet als dritte Gewalt einen Beitrag zum sozialen Frieden und zum Gerechtigkeitsempfinden einer Gesellschaft, der in seiner Bedeutung kaum überschätzt werden kann. Deshalb hat die personelle und finanzielle Ausstattung der Justiz eine große Bedeutung. Die besten Juristinnen und Juristen werden im Richteramt, in der Staatsanwaltschaft und im Justizvollzug benötigt. Rechtsschutz und Strafverfolgung müssen zeitnah erfolgen. Auch die räumliche Ausstattung muss stimmen und den Anforderungen gerecht werden.

Im Jahr 2015 hat der damaligen Verkehrsminister Alexander Dobrindt das Bundesförderprogramm Breitbandausbau ins Leben gerufen. Seitdem haben Gemeinden, Städte und Kreise Förderzusagen über 3,5 Milliarden Euro bekommen. Von diesen Förderzusagen waren aber drei Jahre später nur wenige Millionen tatsächlich vor Ort anbekommen. Der schleppende Ausbau des Breitbandnetzes auf dem Land hat wesentlich mit diesem problematischen Förderprogramm und fehlerhaften Ausschreibungen zu tun. Damit wurde das Ziel aus dem Koalitionsvertrag 2013 - mindestens 50 Megabit/Sekunde für alle Haushalte bis Ende 2018 - deutlich verfehlt. Der klägliche Mittelabfluss war bedingt durch mehrere Faktoren: Kleinere Gemeinden sind mit den technischen Dokumentationspflichten und den europaweiten Ausschreibungen überfordert, teilweise behindert die Telekom, indem Daten über das bestehende Netz nicht herausgegeben werden, oder das Unternehmen rüstet punktuell das eigene Netz auf und zwingt damit die Gemeinden zu Umplanungen, die Telekom gewinnt die meisten Ausschreibungen und lässt sich dann in die Verträge schreiben, dass sie sich drei Jahre Zeit mit dem Ausbau lassen kann, an manchen Orten fehlen auch die ausführenden Tiefbauunternehmen. Die Ausschreibungsbedingungen des Bundes für Breitband und Mobilfunk hinterlassen viele weiße Flecken, die oft nur durch Nothilfe des Landes oder der Kommunen geschlossen werden konnten. Bei den letzten Ausschreibungen haben sich die kostenträchtigen und zeitraubenden Fehler und Lücken erneut aufgetan, weil die Bundesnetzagentur nicht zur Korrektur der Ausschreibungsbedingungen bereit war. Das Bundesgesetz sieht grundsätzlich eine Verantwortung des Bundes und der Telekommunikationsunternehmen für diese Aufgabe der Daseinsvorsorge vor.

Die Abwasserabgabe nach dem Abwasserabgabengesetz des Bundes richtet sich nach der Schädlichkeit des Abwassers, die unter Zugrundelegung der oxidierbaren Stoffe, des Phosphors, des Stickstoffs, der organischen Halogenverbindungen, der Metalle Quecksilber, Cadmium, Chrom, Nickel, Blei, Kupfer und ihrer Verbindungen sowie der Giftigkeit des Abwassers gegenüber Fischeiern nach der Anlage zu dem Gesetz in Schadeinheiten bestimmt wird. Die Abgabe nach § 9 des Gesetzes wurde von 1980 bis 2002 regelmäßig erhöht, um alle technischen Vermeidungsmöglichkeiten auszuschöpfen. Seit 2002 ist eine Anpassung unterblieben. Deshalb sind eine Erhöhung und eine Überprüfung der Ausnahmen dringend geboten. Auch neu erkannte Gefahren durch Einträge von Mikroplastikpartikeln sind bisher nicht berücksichtigt. Die Einnahmen aus der Abgabe werden genutzt, um die Ziele des Wasserhaushaltsrechts zu erreichen.

Die Financial Intelligence Unit (FIU) war bis vor kurzem beim Bundeskriminalamt angesiedelt. Die Zuständigkeit wurde von der Bundesregierung jedoch auf den Zoll verlagert. Berichten zufolge gibt es dort erhebliche Defizite bei der Kontrolle verdächtiger Finanztransaktionen, die Hinweise auf Geldwäschedelikte oder Terrorfinanzierung geben können. Nach § 261 StGB sollen verdächtige Finanztransaktionen durch Auswertung und Ermittlungen unabhängig von einem konkreten Grunddelikt geführt werden. Die Zusammenarbeit mit den Kriminalämtern und den Finanzämtern ist grundlegend zu verbessern. Die Personalausstattung ist zu verstärken.

Ein sehr großer Teil der Wettumsätze im Glücksspiel und im Lotteriebereich wird mittlerweile über Internetanbieter erzielt, die im deutschen und niedersächsischen Markt anbieten, aber nicht den steuer- und abgaberechtlichen Verpflichtungen nachkommen. Soweit die Unternehmen beispielsweise in Malta oder Gibraltar ihren Firmensitz haben, ist im europäischen Kontext eine Durchsetzung geltenden Rechts zu erwirken. Zu klären ist insbesondere auch, welche wirtschaftlich Berechtigten die Firmen vertreten. Dem Landtag ist zu berichten.

Die Wohnungsbauförderung des Landes muss nachhaltig gestärkt werden, um extreme Preissteigerungen mit großen sozialen Folgen zu vermeiden, zu bremsen oder rückgängig zu machen. Dazu müssen Bund, Länder und Kommunen mit einer konzertierten Aktion beitragen. Das Land muss die Wohnungsbauförderung verstärkt auf die Förderung genossenschaftlichen Wohnens und genossenschaftlicher Eigentumsbildung ausrichten. Eine Wohnungsbaugesellschaft des Landes kann mithilfe eigener Flächen, kommunaler Flächen und Flächen der Bundesimmobiliengesellschaft (BIMA) Beiträge leisten, die dauerhaft die Bereitstellung von günstigem Wohnraum ermöglichen.

Der Stufenplan zur energetischen Sanierung klassifiziert alle Gebäude anhand des Energieverbrauchs. Gebäude mit deutlich überdurchschnittlichem Energieverbrauch können daher prioritär saniert, modernisiert oder durch Neubauten ersetzt werden. Eine Erweiterung der Nutzungsentgelte kommt der Sanierung zugute und erschließt Bewirtschaftungspotenziale. Aufgrund des aktuellen Fachkräftemangels am Bau muss ein Programm langfristig angelegt sein, um unerwünschte Baukostensteigerungen zu verhindern.

Kulturarbeit leistet einen großen Beitrag für den Zusammenhalt der Gesellschaft. Kulturelle Angebote schaffen die Möglichkeit für gesellschaftliche und politische Diskurse und tragen zur Demokratiebildung bei. Allerdings sind diese Angebote immer wieder auf kurzfristige Entscheidungen angewiesen. Niedersachsen hat im Gegensatz zu anderen Bundesländern, wie z. B. Nordrhein-Westfalen, keinen rechtlichen und organisatorischen Rahmen, der für die Kulturschaffenden, ob ehrenamtlich oder professionell, Planungssicherheit über die z.T. bestehenden Zielvereinbarungen hinaus, schafft. Dies führt zu erheblichen Unsicherheiten und ist der Transparenz in der Kulturförderung nicht dienlich. Für nachhaltige und flächendeckende Kulturangebote in Niedersachsen ist ein solcher Rahmen unerlässlich.

Eine Aufgabenanalyse muss die Entwicklung langfristiger Trends prüfen und frühzeitig dazu beitragen, Reformbedarf, Effizienzpotenziale oder veränderte Aufgabenprofile zu erkennen. Erkannter Veränderungsbedarf muss frühzeitig zu gesetzlichen oder organisatorischen Veränderungen führen.

Die Aufgaben der niedersächsischen Landesverwaltung erfordern zahlreiche Liegenschaften und werden vom Landesliegenschaftsfonds verwaltet. Gebäudekomplexe wie die Medizinische Hochschule in Hannover, Naturschutzflächen in der Elbtalaue oder Seen wie das Steinhuder Meer gehören ebenso dazu wie viele Verwaltungsgebäude. Zurzeit stehen Flächen mit einer Gesamtgröße von 243 480 Hektar in 3 754 Liegenschaften mit insgesamt 5 168 Gebäuden in Landeseigentum. Dazu sind weitere 1 444 Liegenschaften angemietet, sodass insgesamt 5 198 Liegenschaften innerhalb und außerhalb Niedersachsens für Landesaufgaben eingesetzt werden.

Die Domänenverwaltung ist bislang für ca. 84 000 Hektar, 70 Domänen und 29 Teildomänen durch Delegation des Landesliegenschaftsfonds zuständig. Diese Delegation sollte aufgehoben werden. Landesliegenschaften in Nationalparken sollten unmittelbar von den Nationalparkverwaltungen betreut werden, um eine fachgerechte Bewirtschaftung sicherzustellen.

Forschung und Lehre leisten einen unverzichtbaren Beitrag zur Überwindung der Klimakrise. Sie haben maßgeblich dazu beigetragen, dass das Pariser Klimaabkommen zustande kam und Technologien entwickelt wurden, die sich vollständig auf erneuerbare Ressourcen stützen. Auch der Bericht an der Club of Rome über die Grenzen des Wachstums wurde mit niedersächsischer Forschungsförderung auf den Weg gebracht. Daran gilt es anzuknüpfen und die besten Forscherinnen und Forscher ihres jeweiligen Faches für Niedersachsen zu gewinnen. Neben der Schaffung notwendiger Strukturen um den CO2 – Ausstoß schnell zu reduzieren, bedarf es weiterer Forschungs- und Entwicklungsarbeit. Dazu gehören die Weiterentwicklung der Nutzung und ggf. Speicherung regenerativ erzeugter Energie. Die Implementierung und Weiterentwicklung der Sektorenkopplung, um auch den Wärme- und Mobilitätssektor klimafreundlich zu gestalten. Außerdem sind erhebliche Anstrengungen notwendig, um die Agrarwende klimafreundlich zu gestalten. Vor allen Dingen aber muss es gelingen Digitalisierung und KI nachhaltig und energiesparend zu gestalten und die Herausforderungen von Transformationsprozessen besser zu verstehen All diese Fragen sind proprietär in die Niedersächsische Wissenschaft zu implementieren.

Um die Ziele des Klimaabkommens von Paris zu erreichen, muss eine drastische „Dekarbonisierung“ der Energieversorgung erreicht werden. Der allergrößte Teil der heute bekannten fossilen Rohstoffvorkommen muss laut dem Sachverständigenrat für Umweltfragen in der Erde bleiben, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen.

Die nationalen Klimaschutzpläne werden an diesen Zielen gemessen und zukünftig alle fünf Jahre im Rahmen des Klimaabkommens von Paris von den Vereinten Nationen geprüft. Die notwendige, schrittweise „Dekarbonisierung“ betrifft Wirtschaft und Gesellschaft gleichermaßen und hat dementsprechend auch Konsequenzen für die Investitionen institutioneller Geldanleger. Um sogenannte „Stranded assets“ zu vermeiden, muss Niedersachsen alle kurz- oder längerfristig angelegten Finanzmittel im direkten und im mittelbaren Zugriff nachhaltig anlegen. Die Sustainable Development Goals der UN, die menschenrechtliche Sorgfaltspflicht für Unternehmen und Nachhaltigkeitskriterien aus dem Umwelt-, Sozial- und Governancebereich gewinnen eine wachsende Rolle bei der Frage, wie Finanzmittel sicher und verantwortungsbewusst angelegt werden können und sind daher zu achten.

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