Antrag: Kluge Investitionen in kluge Köpfe: Mehr Geld für die Hochschulen – weniger Kosten für die Studierenden!

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Landtag stellt fest:

  1. Studiengebühren wirken sozial ausgrenzend, daher hat das Bundesverfassungsgericht die Sicherung der Sozialverträglichkeit zur Bedingung für die Einführung gemacht. In Niedersachsen sollte die Sozialverträglichkeit durch die Einrichtung eines Studienbeitragsdarlehens sichergestellt werden, doch dieses Modell ist gescheitert. Aus Angst vor einem unübersichtlichen Schuldenberg nahmen im Wintersemester 07/08 nur 2,1 % der Studierenden das variabel verzinsbare Studienbeitragsdarlehen der Landesregierung in Anspruch.
  • Gegenüber den gebührenfreien Nachbarländern erwächst Niedersachsen, gerade auch im Hinblick auf den Fachkräftemangel, aus der Erhebung von Studiengebühren ein erheblicher Wettbewerbs- und Standortnachteil. Niedersachsen, das schon seit vielen Jahren Exportmeister der Hochschulzugangsberechtigten unter den Bundesländern ist, droht auf diesem Weg die Chance, welche die demographische Entwicklung mit sich bringt, zu verspielen.
  1. Das derzeit von der Landesregierung angestoßene Stipendienprogramm ist mit einem noch nicht gesicherten mittelfristigen Finanzeinsatz von 9 Mio. € (3 Mio. € vom Land, 3 Mio. € von der Wirtschaft, 3 Mio. € von den Hochschulen aus Studienbeiträgen) nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Um mehr junge, qualifizierte Menschen auch aus den bisher unterrepräsentierten, finanziell benachteiligten Bevölkerungsgruppen an die Hochschulen zu bringen, muss ein leistungsstarkes Stipendienprogramm in Niedersachsen aufgelegt werden.
  2. Die ohnehin schon chronische und strukturelle Unterfinanzierung der niedersächsischen Hochschulen wurde durch den Hochschulpakt weiter verstärkt. Während Bund und Land für die zusätzlichen Studienplätze im Schnitt 4.260 € pro Studierendem und Jahr zur Verfügung stellen, fordern der Wissenschaftsrat und die Hochschulrektorenkonferenz mindestens 7.180 €. Unter dem Umstand der Unterfinanzierung leidet die Qualität des Studiums, welche im Zuge des Bologna-Prozesses ohnehin hätte verbessert werden müssen. Diese mangelnde Qualität schlägt sich auch in den hohen Abbrecherquoten nieder.
  3. Den niedersächsischen Studentenwerken ist es, aufgrund von gestiegenen Lebensmittel- und Energiekosten, immer weniger möglich, ihre Service- und Betreuungsangebote zufriedenstellend anzubieten. Eine funktionierende Infrastruktur der Studentenwerke ist jedoch ein entscheidender Faktor zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Niedersächsischen Hochschulen. Preissteigerungen können nicht mehr wie bisher an die Studierenden weitergegeben werden, sondern müssen durch zusätzliche Landesmittel aufgefangen werden.

Der Landtag fordert die Landesregierung daher auf,

  1. die sozial selektierenden Studienbeiträge für das Erststudium abzuschaffen, damit Niedersachsen gegenüber beitragsfreien Ländern weiterhin wettbewerbsfähig bleibt und möglichst vielen jungen Menschen den Weg an die Hochschulen freihält. Der Wegfall der Mittel für die Hochschulen muss mit einer Aufstockung der Landesmittel um 100 Mio. € pro Jahr kompensiert werden, welche den Hochschulen zur Verbesserung der Studienbedingungen zur Verfügung gestellt werden. Die Mittelzuweisung an Landesbetriebe und Stiftungen erfolgt dabei anteilig zu den Studierendenzahlen,
  2. ein umfangreiches Stipendienprogramm aufzulegen, welches in einem ersten Schritt pro Jahr an mindestens 1.000 leistungsstarke und / oder ehrenamtlich engagierte Studierende aus einkommensschwachen oder kinderreichen Familien ein Vollstipendium von derzeit 643 € monatlich (analog zum BAföG-Höchstsatz) vergibt, das bis zum Masterabschluss in Anspruch genommen werden kann (analog zur BAföG-Förderungsdauer). Dazu ist ein Topf mit Landesmitteln in Höhe von 7,716 Mio. € im ersten Jahr (innerhalb von 5 Jahren entsteht ein Aufwuchs auf 38,58 Mio. €) bereitzustellen, der von der Landesregierung bei der Wirtschaft um Zustiftungen beworben wird, wobei sichergestellt sein muss, dass der Landesanteil bei Zustiftungen nicht reduziert wird,
  3. die Landesmittel für die Hochschulen zur Verbesserung der Qualität der Lehre und zur Senkung der Abbrecherquote um 50 Mio. € im Jahr aufzustocken, wobei die Mittelzuweisung an Landesbetriebe und Stiftungen anteilig zu den jeweiligen Studienplatzkapazitäten errechnet wird. Mit dieser Maßnahme soll die Unterfinanzierung der Studienplätze im Rahmen des Hochschulpaktes kompensiert werden,
  4. die Finanzhilfe für die Studentenwerke aufgrund der gestiegenen Energie- und Lebensmittelkosten um 10 %, d.h. um 1,4 Mio. € jährlich, aufzustocken und die Studentenwerke somit für die Zukunft und die gestiegenen Anforderungen zu stärken.

Begründung

Im Jahr 2007 fanden in Deutschland von 100 Akademikerkindern 83 Kinder den Weg an die Hochschulen; von 100 Kindern aus nichtakademischen Familien begannen jedoch nur 23 Kinder ein Studium. Wegen dieser starken sozialen Auslese wird das deutsche Bildungssystem jedes Jahr aufs Neue in Berichten der OECD gerügt. Untersuchungen zufolge liegen die Ursachen für die Selektion bereits im Schulsystem begründet, wobei sich insbesondere ein dreigliedriges Schulsystem mit früher Aufteilung nachteilig auswirkt. Doch auch vor späteren Bildungsstufen wird sortiert; so muss auch der Zugang zu den Hochschulen niedrigschwelliger gestaltet werden, um mehr junge Menschen zur Aufnahme eines Studiums zu bewegen.

Die Zahlen des sog. Bildungstrichters zeigen deutlich, dass das Reservoir an Studierwilligen aus den so genannten bildungsnahen Elternhäusern zum größten Teil ausgeschöpft ist - aus Beamtenfamilien mit akademischer Tradition bspw. studieren von 100 Kindern sogar 95. Wenn Niedersachsen an seinem Ziel festhält, die Studienanfängerquote pro Altersjahrgang von 27,2 % auf 40 % zu steigern, dann müssen diese zusätzlichen Studierenden aus den so genannten bildungsfernen und nicht privilegierten Bevölkerungsgruppen kommen. Doch gerade Studierwillige aus sozial benachteiligten Elternhäusern werden durch Studiengebühren vor der Aufnahme eines Studiums, aufgrund der zusätzlichen finanziellen Belastung, abgeschreckt. Dies wird von einer aktuellen Studie des Hochschulinformationssystems (HIS) bestätigt.

Um dem drohenden und sich bereits jetzt abzeichnenden Fachkräftemangel in Niedersachsen zu begegnen, müssen deutlich mehr junge Menschen ein Studium aufnehmen. Für eine Steigerung der Studierendenzahlen bietet die derzeitige demografische Entwicklung mit starken Altersjahrgängen eine einzigartige Chance, die es zu ergreifen gilt. Das Rekrutierungspotenzial für die zusätzlichen Akademiker liegt, wie oben ausgeführt, in den finanziell benachteiligten Familien. Es müssen daher finanzielle Zugangshürden wie Studiengebühren unverzüglich abgebaut werden. Zusätzlich müssen Anreize für die Aufnahme eines Studiums geschaffen werden. Dies funktioniert im Rahmen eines Stipendienprogramms, welches nicht rückzahlbare Stipendien an leistungsstarke und / oder ehrenamtlich engagierte Studierende aus bisher an den Hochschulen unterrepräsentierten Gruppen vergibt, wie bspw. junge Menschen aus einkommensschwachen oder kinderreichen Familien.

Ebenfalls müssen die hohen Studienabbrecherquoten in den Bachelor- und Masterstudiengänge verringert werden, um letztendlich auch die Akademikerquote zu steigern und so dem Fachkräftemangel zu begegnen. Daher muss die Qualität des Studiums durch eine Aufstockung der Landesmittel für die Hochschulen und für die Studentenwerke verbessert werden.

Fraktionsvorsitzender

Zurück zum Pressearchiv