Antrag: Klimaschutzstrategie für die niedersächsische Landwirtschaft

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Hannover, den 10.07.12

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Landtag stellt fest:

Mit 28% der gesamten anthroprogenen Treibhausgasemissionen ist die niedersächsische Landwirtschaft ein großer Emittent der klimaschädigenden Gase Kohlendioxid (CO2), Lachgas (N2O) und Methan (CH4). Allein 12 % der gesamten niedersächsischen Treibhausgasemissionen kommen aus der Landwirtschaft auf Moorböden. Bei den CH4- und N2O-Emissionen nimmt die Agrarwirtschaft mit einem Anteil von 63 bzw. 90% eine herausragende Stellung ein. Hinzu kommen die von der niedersächsischen Landwirtschaft verursachten Treibhausgasemissionen durch Anbau, Verarbeitung und Transport von überseeischem Futtermittel – oft aus ehemaligen Regenwaldgebieten – das in großem Umfang in der Tiermast eingesetzt wird.

Der Landtag setzt sich das Ziel:

Die Treibhausgasemissionen im Zusammenhang mit der Landnutzung, Tierhaltung und Landwirtschaft durch Mineralisierung von Humus insbesondere aus entwässerten Mooren, aufgrund der Lagerung und des Einsatzes von organischem und mineralischem Stickstoffdünger, durch den effizienteren Einsatz organischer Substrate bei der Erzeugung von Bioenergie, durch Reduzierung der Tierzahlen und Eintreten für eine klimafreundliche Ernährung bis zum Jahre 2025 um 25% zu reduzieren.

Der Landtag fordert die Landesregierung daher auf folgende Maßnahmen umzusetzen:

  1. Reduzierung der Treibhausgasemissionen aus landwirtschaftlich genutzten und abgetorften Hoch- und Niedermooren durch:
  • Ausweitung des niedersächsischen Moorschutzprogramms
  • Vollständiges und konsequentes Verbot der Umwandlung von Grünland in Ackerland auf sämtlichen Hoch- und Niedermoorstandorten incl. des sog. Pflegeumbruchs,
  • Förderung der Umwandlung von Ackerland in Dauergrünland auf Hoch- und Niedermoorstandorten im Privateigentum und Festschreibung der Grünlandnutzung sämtlicher landwirtschaftlich genutzter staatlicher Domänenflächen auf Moorstandorten nach Auslaufen des bestehenden Pachtvertrages.
  • Verbot des Tiefpflügens von Moorstandorten,
  • Anhebung des Wasserstandes insbesondere auf forstwirtschaftlich genutzten Moorstandorten und bei Domänenflächen des Landes,
  • Optimierung abgetorfter und wiedervernässter Hochmoore hinsichtlich der dauerhaften Bindung von CO2 durch konsequente Kontrolle und ggf. Verbesserung des Wasserregimes.
  1. Erhalt und Reaktivierung des CO2-Bindungspotenzials landwirtschaftlich genutzter Flächen durch:
  • Förderung des ökologischen Landbaus, insbesondere der Umstellung auf eine ökologische Wirtschaftsweise durch Anhebung der Fördersätze.
  • Förderung der Erweiterung der Fruchtfolgen über die EU-Greening-Vorgaben hinaus.
  • Verbot des Umbruchs von Dauergrünlandflächen humoser Standorte auch außerhalb von Mooren incl. des Pflegeumbruchs.
  • Beratung der Bäuerinnen und Bauern für eine besonders klimaschützende, humusschonende und –aufbauende Bewirtschaftung.
  1. Reduzierung der Lachgas- und Methanemissionen durch effizienteren, am tatsächlichen Bedarf orientierten Einsatz von Stickstoffdüngung sowie Verminderung der Verluste von Stickstoff bei Lagerung und Ausbringung von Wirtschaftsdüngern durch:
  • Eintreten im Bundesrat für eine Änderung der Düngeverordnung mit dem Ziel, die maximalen Stickstoffbilanzüberschüsse auf 50 kg/ha/a zu verringern, die so genannte unvermeidlichen Verluste durch Lagerung und Ausbringung in geringerem Umfang anzurechnen und die Einträge aus der Luft in die Bilanz einzubeziehen, die Sperrzeiten für die Ausbringung von Wirtschaftsdüngern auszuweiten und die Gärreste pflanzlicher Herkunft einzubeziehen.
  • Verbesserung der Kontrolle einer ordnungsgemäßen Düngung durch Einführung eines flächendeckenden Güllekatasters zur Dokumentation der Ausbringung flüssiger und fester Wirtschaftsdünger wie im Entschließungsantrag "Überdüngung durch Gülle und Kot wirksam verhindern – Umweltbelastung reduzieren – Güllekataster einführen" (Drs. 16/4726) gefordert.
  • Ausweitung der Mindestlagerkapazitäten von Wirtschaftsdüngern, Verpflichtung zur Abdeckung im Freien gelagerter Wirtschaftsdünger und gasdichte Lagerung der Gärreste aus Biogasanlagen.
  • Honorierung der sofortigen Einarbeitung von Wirtschaftsdüngern nach Ausbringung.
  1. Steigerung der Effizienz des Einsatzes organischer Substrate bei der Erzeugung von Bioenergie durch:
  • Maßnahmen zur Erhöhung des Anteils der in Biogasanlagen eingesetzten organischen Reststoffe aus der Landwirtschaft.
  • Etablierung eines sinnvollen Wärmekonzepts oder der Einspeisung von Biogas in das Erdgasnetz als Voraussetzung für die Genehmigung von Biogasanlagen.
  1. Umfassende Förderung eines klimaschonenden Ressourceneinsatzes durch:
  • Ausbau der Forschung für eine klimaschonende Landwirtschaft
  • Förderung der Akzeptanz für eine gesunde, klimafreundliche und fleischarme Ernährung (Marketingoffensive und Stärkung der diesbezüglichen Beratung der Verbraucherzentralen).
  • Förderung des Anbaus heimischer Körnerleguminosen als Alternative zum Import von Soja.
  • Ausbau der Beratung der Bäuerinnen und Bauern zum Einsatz effizienter Technologien und ressourcenoptimierter baulicher Anlagen.
  • Verbesserung der Kennzeichnung von Produkten nach ihrer Klimaschädlichkeit

Begründung:

Ohne Einbeziehung der Landwirtschaft, des größten niedersächsischen Emittenten, wird die von der Bundesregierung 2007 eingegangenen Verpflichtung den Ausstoß klimaschädigender Gase bis zum Jahre 2020 um 40% und bis zum Jahre 2050 um 80% gegenüber dem Basisjahr 1990 zu reduzieren, nicht erreichbar sein. Die von der Regierungskommission Klimaschutz vorgelegten "Empfehlungen für eine niedersächsische Klimaschutzstrategie" listen die Emissionen klimaschädigender Gase, die der Landwirtschaft zuzurechnen sind, detailliert auf. Demnach spielt die Mineralisierung des Torfkörpers niedersächsischer Hoch- und Niedermoore mit jährlichen Emissionen von rund 14.000 Kilotonnen CO2-Äquivaltenten eine herausragende Rolle. Hinzu kommen Emissionen aus landwirtschaftlichen Nutzflächen anderer Standorte, etwa aufgrund von Grünlandumbruch oder einer Intensivierung der ackerbaulichen Nutzung. Auch der Umgang mit organischem und mineralischem Stickstoffdünger und den daraus resultierenden Lachgasemissionen, das gegenüber Kohlendioxid eine rund 300-fache Klimarelevanz hat, trägt mit 10.000 Kilotonnen CO2-Äquivaltenten erheblich zur negativen Treibhausgasbilanz der niedersächsischen Landwirtschaft bei. Weitere Emissionen entstehen durch die Verdauung bei Wiederkäuern und aus dem Wirtschaftsdüngermanagement. Die Landwirtschaft darf daher aus den Klimaschutzanstrengungen schon im eigenen Interesse nicht ausgenommen werden. Die Datengrundlage und Vorschläge der Regierungskommission müssen nun zügig in einem Klimaschutzprogramm konkretisiert und umgesetzt werden.

Eine besondere Bedeutung kommt dabei dem Boden zu. Da Humus – wesentlicher Bestandteil des Oberbodens - zu rund 60% aus Kohlenstoff besteht, ist eine deutliche Verminderung der CO2-Emissionen aus den humosen Bodenhorizonten nur mit einer Reduzierung der Intensität der Nutzung und gezielte Maßnahmen zur Humusanreicherung möglich. Dieses gilt insbesondere für Moorstandorte, die definitionsgemäß eine mindestens 30 cm stark Torf- = Humusauflage aufweisen. Die zum Teil über 10 Meter starke Torfauflage konnte gebildet werden, weil die Wassersättigung des Bodens das für den Umbau organischer Substanz erforderliche Eindringen von Sauerstoff verhindert hat. Nach der Entwässerung der Moore kann Sauerstoff in den Torfkörper eindringen und diesen mineralisieren mit der Folge, dass der Kohlenstoff in Form von CO2 entweicht. Je intensiver der Torfkörper durchlüftet wird, desto schneller läuft dieser Prozess ab. Deshalb sind Maßnahmen erforderlich, die den Sauerstoff in möglichst hohem Maße aus dem Torfkörper verdrängen. Vollständig gelingt dieses nur mit einer vollständigen Wassersättigung, bei der nicht nur die weitere Mineralisierung verhindert wird, sondern darüber hinaus zusätzlicher Kohlenstoff festgelegt wird. Daher ist es erforderlich, insbesondere die Wiedervernässung der bereits abgetorften Moore zu verbessern. Allein durch die Optimierung der Wiedervernässung könnten nach Angaben der Regierungskommission Klimaschutz jährliche CO2-Emissionen von 125.000 – 250.000 Tonnen vermieden werden. Wo eine Wiedervernässung – etwa aufgrund der landwirtschaftlichen Nutzung - nicht möglich ist, sollte die Nutzung bzw. der Durchlüftung des Oberbodens verringert werden, indem Ackerland in Grünland umgewandelt wird. Bestehendes Grünland ist auf jeden Fall zu erhalten. Dieses gilt nicht nur für Moor- sondern auch für alle anderen Standorte: Die große Wurzelmasse des Dauergrünlandes führt zu einem hohen Anteil organischer Substanz im Oberboden; die gegenüber einem Acker deutlich geringere Durchlüftung verhindert die schnelle Mineralisierung dieser organischen Substanz. Zudem sind alle Wirtschaftsweisen, die zu einer Erhöhung des Humusanteils im Oberboden führen positiv zu bewerten und entsprechend zu fördern. In einer ökologisch bewirtschafteten Ackerfläche etwa sind je Hektar rund 6 Tonnen Kohlenstoff mehr gebunden, als in einem durchschnittlichen konventionellen Acker.

Aufgrund seiner hohen Klimarelevanz kommt auch der Reduzierung der N20- bzw. Lachgasemissionen aus den Böden eine hohe Bedeutung zu. Diese Emissionen stehen im linearen Zusammenhang mit der Stickstoffversorgung des Bodens. Eine Reduzierung der Stickstoffversorgung des Bodens führt daher automatisch auch zu einer Verringerung der Lachgasemissionen. Geht die Verringerung der Stickstoffdüngung mit einer Verringerung des Einsatzes mineralischen Stickstoffs einher, wird zudem Energie für die sehr energieintensive Herstellung dieses Düngers eingespart. Eine Verminderung der Ammoniak-Emission aus der Tierhaltung sowie der Lagerung und Ausbringung von Wirtschaftsdünger führt zu einer Verminderung des Eintrags von Stickstoff auch in nicht landwirtschaftlich genutzten Flächen und damit zu einer Verringerung der Lachgasemissionen aus diesen Flächen. Über die Verminderung der Ammoniak-Emissionen hinaus müssen auch die Methan-Emissionen aus der Lagerung von Gülle und Gärsubstraten reduziert werden, indem diese in möglichst geringem Maße mit der Umgebungsluft in Kontakt kommen.

Für mehr Klimaschutz in der Landwirtschaft ist die Beratung und Forschung, sowie auch das Marketing zu den Verbraucherinnen und Verbrauchern für eine fleischarme und klimafreundliche Ernährung deutlich zu verbessern. Dies stärkt insgesamt den Ernährungsstandort Niedersachsen und verringert die Abhängigkeit von extrem klimaschädlichen Futtermittelimporten aus Übersee.

Gabriele Heinen-Kljajic
Parlamentarische Geschäftsführerin

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