Antrag: Kinder und Jugendliche zuerst! - Kitas und Schulen sichern und geöffnet halten

Seit Beginn der Corona-Pandemie beschäftigen sich Kinder und Jugendliche, Familien sowie Pädagog*innen mit den Problemen und möglichen Maßnahmen zum Infektionsschutz in den Bildungseinrichtungen. Forderungen von Landeselternrat, Landesschülerrat, Gewerkschaft, Lehrkräfteverbänden und Schulleitungsverband nach zusätzlichen Schutzmaßnahmen in Kitas und Schulen wurden bislang nur sehr langsam, zögerlich oder gar nicht umgesetzt.

Jetzt hat die vierte Welle mit voller Wucht auch die Schulen und Kitas erreicht. Unter den mehrheitlich ungeimpften Kita-Kindern und Schüler*innen liegt die Infektionsrate - trotz großer Disziplin der Kinder und Jugendlichen – zwangsläufig erheblich über der der mehrheitlich geimpften Erwachsenen. Es kommt zu Quarantäne-Anordnungen - auch für ganze Klassen. Sogar Schließungen von einzelnen Schulen und Kitas gibt es wieder. In der aktuellen Corona-Debatte mehren sich die Stimmen, die auch flächendeckende Schließungen nicht ausschließen. In einigen Hochinzidenzregionen Deutschlands wurde bereits die Schulpflicht ausgesetzt. Dort gibt es vermehrte Schulschließungen bzw. nur noch einen Notbetrieb.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem wegweisenden Urteil vom 30.11.2021 zwar bestätigt, dass die Schulschließungen zur Bekämpfung der Pandemielage grundsätzlich zulässig sind, hat aber auch erstmals ausdrücklich das Recht von Kindern und Jugendlichen auf schulische Bildung anerkannt und damit hohe Hürden für eine Schließung von Kitas und Schulen formuliert. In den Ausführungen zum Urteil heißt es, dass der Wegfall von ca. 173 Tagen Präsenzunterricht „zu Lernrückständen und Defiziten in der Persönlichkeitsentwicklung [führte]. Mit dem Präsenzschulbetrieb sei ein für die psychosoziale Entwicklung der Kinder und Jugendlichen wichtiger Sozialisationsraum entfallen. Die Schülerinnen und Schüler an Grundschulen waren nach einhelliger Einschätzung der sachkundigen Dritten besonders schwerwiegend betroffen […]“, ebenso bei Kindern aus ‚sozial benachteiligten‘ Familien.

Demnach muss alles getan werden, um den Präsenzunterricht aufrecht zu erhalten. Dazu reichen die bisher ergriffenen Maßnahmen jedoch nicht aus. Durch die langwierigen Diskussionen um Luftfiltergeräte und die zunächst bürokratische Förderrichtlinie sind Geräte nun nicht zügig liefer- und einbaubar. Weitere Probleme wie überfüllte Schulbusse konnten nicht zufriedenstellend gelöst werden und Regelungen, die verhindern, dass nach bestätigten Infektionen ganze Einrichtungen geschlossen werden müssen (wie das Kohortenprinzip) wurden durch das Kultusministerium aufgeweicht. Diese Vorgehensweise läuft konträr zu den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts, wonach alle zusätzlichen wirksamen Maßnahmen zum Infektionsschutz und zur Aufrechterhaltung des Präsenzbetriebes genutzt werden müssen.

Das entspricht auch den Forderungen der Beteiligten, wie die Stellungnahmen des Schulleitungsverbandes (2.12.) und des Landesschülerrates (1.12.) zeigen, die zusätzliche Maßnahmen von Testungen für alle an Schule und Kita Beteiligten, klare Kohortenregelungen sowie weitere flankierende Maßnahmen fordern, um erneute Schließungen zu verhindern.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf:

  1. das Recht von Kindern und Jugendlichen auf Bildung anzuerkennen und Bildungseinrichtungen pandemiefest aufzustellen. Er räumt diesem Recht bei der weiteren Pandemiebekämpfung eine klare Priorität ein. Kita- und Schulschließungen müssen nachhaltig vermieden werden und dürfen nur als letzte Maßnahme ergriffen werden.
  2. ein breites Testangebot für alle Kinder und Jugendlichen in Bildungseinrichtungen sowie für alle Mitarbeiter*innen, die an öffentlichen und privaten Schulen sowie in Kitas beschäftigt sind, schnellstmöglich aufzulegen. Alle Beteiligten testen sich drei Mal in der Woche unter Aufsicht in den Bildungseinrichtungen. Bei einem positiven Testergebnis testen sich alle der Gruppe Angehörigen täglich und tragen einen medizinischen Mund-Nasen-Schutz. Zudem sichern wöchentliche PCR-Pooling-Tests die Kinder, Jugendlichen sowie Mitarbeiter*innen in den Kitas und Schulen ab.
  3.  weitere klare Regeln für einen langfristigen Infektionsschutz durch Impfen zu bestimmen, dazu gehört:
    • eine Impfpflicht für Lehrkräfte und Kita-Fachkräfte sowie eine Auskunftspflicht über den Impfstatus einzuführen,
    • kindgerechte Impfangebote für die 5- bis 11-Jährigen zu entwickeln, die individuelle Betreuung und eingehende Aufklärung in einem angstfreien Setting ermöglichen,
    • die Impfmotivation bei den 12- bis 18-Jährigen durch eine jugend- und elternorientierte Ansprache und niedrigschwellige Angebote zu erhöhen,
    • in den Kitas und Schulen mit besonderer Sensibilität zielgruppengerechte Informationen zu den Impfangeboten zu machen und dabei insbesondere auch die Eltern zu adressieren,
    • Impfkonzepte für Kinder und Jugendliche sowie Pädagog*innen vorausschauend als langfristiges Thema zu entwickeln, um diese Gruppe bei weiteren Wellen der Corona-Pandemie besonders zu schützen.
  4. das Recht auf Bildung für Kinder und Jugendliche durch eine klare Priorisierung und einen landesweiten Pandemieplan für Kitas und Schulen umzusetzen. Das Land treibt dafür die digitale Lernausstattung weiter voran, um im Falle eines starken Infektionsgeschehens Fernunterricht zu gewährleisten und bereitet Wechselmodelle und Kleingruppenangebote gemeinsam mit den Trägern der Jugendarbeit vor.
  5. die kommunalen Träger bei der Beschaffung von Belüftungs- und Luftfilteranlagen sowie CO2-Messgeräten zu motivieren und zu unterstützen. Die Bedingungen für Ausschreibung und Vergabe müssen vereinfacht und der Beantragungszeitraum über den 30.11. hinaus verlängert werden.
  6. durch versetzte Beschulungszeiten, Vermeidung häufig wechselnder Gruppen, Teilung von Gruppen, die Nutzung von Ausweichräumlichkeiten sowie hybride Formen des Unterrichtens alle Beteiligten zusätzlich zu schützen, so Ansteckungsgefahren zu minimieren sowie Möglichkeiten für besonders vulnerable Gruppen zu schaffen.
  7. zusätzliches Personal zur Unterstützung der Schulleitungen, Lehrkräfte und Erzieher*innen kurzfristig durch ein Landesprogramm zu mobilisiert. Der Befristungsgrund ‚Corona‘ wird gestrichen.
  8. die Kommunen bei der Ausweitung der Kapazitäten im Schüler*innentransport durch zusätzliche finanzielle Mittel zu unterstützen. Das Land wirkt dabei auf eine Staffelung der Anfangszeiten von Unterricht hin. Gleichzeitig wird eine Offensive für sicheren Radverkehr gestartet, um auch in der dunklen Jahreszeit sicher mit dem Fahrrad zur Schule fahren zu können und die Schüler*innenverkehre zu entlasten.

Begründung

In der nun vierten Welle der Corona-Pandemie, bei einer noch laufenden Immunisierung von Kindern und Jugendlichen und einer möglicherweise noch erschwerenden Situation durch das Auftreten der Omikron-Variante ist ein schnelles und klares Vorgehen der Landesregierung unausweichlich. Es braucht verbindliche Regelungen und ein deutlich beherzteres Vorgehen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen und zum Schutz ihres Rechts auf Bildung. Insbesondere vorausschauende Planungen für zukünftiges starkes Pandemiegeschehen ermöglicht es, dieses Recht umzusetzen. Es bedarf dringend mehr Vorsorge.

Nach den Sommerferien sind bei vergleichsweise niedrigen Infektionszahlen die Bildungseinrichtungen unter vergleichsweise geringen Schutzmaßnahmen geöffnet worden, zu den Herbstferien wurde weiter gelockert, wodurch zum Beispiel die Kohortenregelung an einigen Einrichtungen entfallen ist. Dieses Vorgehen war kontraproduktiv, es bedarf einer klaren Kurskorrektur. 

Ein drastischer Appell der Schulleitungsverbandes (Presseerklärung vom 25.11.21) macht die Arbeit über die Belastungsgrenze hinaus deutlich. Regelungen des Landes wie das Landesprogramm ‚Startklar in die Zukunft‘ seien zwar hilfreich, die bürokratischen Hürden, wie etwa der Befristungsgrund ‚Corona‘ erschwere die Einstellung zusätzlichen Personals erheblich. Damit der Betrieb in den Bildungseinrichtungen aufrechterhalten werden kann, bedarf es Vereinfachungen und ein aufeinander abgestimmtes Gesamtkonzept.

 

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