Antrag: Kinder brauchen Kinder: Kontaktregeln wirksam und familientauglich gestalten - Feste kleine Kontaktgruppen statt praxisferner Plus-Eins-Regel

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der erste Lockdown im Frühjahr 2020 war eine einschneidende Zeit für Familien. Während Kinder und Jugendliche wochenlang weitgehend zuhause isoliert waren, mussten Eltern die Doppelbelastung aus Kinderbetreuung und Homeoffice bewältigen. Psychische Belastungen, Bewegungsmangel und übermäßiger Medienkonsum haben sich Studien zufolge insbesondere auf die Gesundheit finanzschwacher Familien negativ ausgewirkt.

Parteiübergreifend war deshalb Konsens, dass geschlossene Kitas und Schule und strenge Kontaktbeschränkungen für Kinder und Jugendliche in Zukunft nach Möglichkeit vermieden werden sollten.

Kaum ein Jahr später befinden wir uns erneut in einem harten Lockdown und sind abermals mit der Herausforderung konfrontiert, die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen mit dem Infektionsschutz in Einklang bringen zu müssen.

Der Landtag stellt fest:

Die Erkenntnisse aus dem ersten Lockdown haben kaum Eingang in die aktuelle Verordnungspraxis von Bund und Ländern gefunden. Abermals führen geschlossene Kitas und Schulen und strenge Kontaktbeschränkungen zu weitgehender Isolation von Kindern und Jugendlichen und zu massiver Belastung von Eltern. Die derzeit geltenden Einschränkungen für private Zusammenkünfte gehen darüber hinaus an der Lebensrealität von Familien vorbei und sind teilweise widersprüchlich. So können Geschwisterkinder bspw. nicht gemeinsam ihre Großeltern besuchen, aber jeden Tag irgendeine andere Person treffen. Insbesondere Familien mit einem Kleinkind, für das eine Ausnahmeregelung gilt, und einem älteren Kind, sind die wenigen derzeit zulässigen Kontaktmöglichkeiten kaum praktikabel. Die Wirksamkeit der Maßnahmen ist indes nicht belegt.

Gleichzeitig sind Nachvollziehbarkeit, Praktikabilität und Wirksamkeit maßgebliche Voraussetzungen für die Akzeptanz der Corona-Regelungen. Auch eine langfristige Strategie würde Familien mehr Planbarkeit und Berechenbarkeit ermöglichen.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  1. kurzfristig auch in Zeiten strenger Kontaktbeschränkungen praktikable Regelungen für Familien, Kinder und Jugendliche, insbesondere auch für Kleinkinder und Geschwisterkinder, möglich zu machen,
  2. bei der Beschränkung von Kontakten künftig einen anderen Ansatz zu wählen und feste Kontaktgruppen (sog. Infektionsgemeinschaften oder „Social Bubbles“) anstelle der starren Plus-Eins-Regel zuzulassen
  3. die Menschen in Niedersachsen gezielt über das Prinzip von Infektionsgemeinschaften zu informieren,
  4.  sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass
    a.      Lohnentschädigungsleistungen nach dem Infektionsschutzgesetz und Kinderkrankengeld zu einem Corona-Elterngeld weiterentwickelt werden, um allen Familien finanzielle und rechtliche Absicherung zu ermöglichen,
    b.      die SGB II-Regelsätze kurzfristig und rückwirkend zum 1.1.2021 bedarfsgerecht zu erhöhen, um das Existenzminimum insbesondere in Krisenzeiten zu sichern,
  5. die Kommunen dazu anzuhalten, Kindern im SGB II-Bezug auch in Zeiten geschlossener Kitas und Schulen ein warmes Mittagessen zu ermöglichen und dafür die eigens flexibilisierten Möglichkeiten des Bildungs- und Teilhabepaketes (BuT) zu nutzen,
  6. im Hinblick auf die Öffnung der Schulen bereits jetzt bei den Schulträger*innen auf versetzte Schulanfangszeiten zu drängen und dadurch den Schüler*innenverkehr zu entlasten,
  7. die Träger*innen von Jugendhilfeeinrichtungen gezielt zu unterstützen und zu ermutigen, ihre Angebote im Rahmen der geltenden Corona-Verordnung aufrecht zu erhalten und damit sichere Aufenthaltsräume für Kinder und Jugendliche zu schaffen,
  8. Kinder und Jugendliche und ihre Interessenvertreter*innen bei der Ausgestaltung von coronabedingten Einschränkungen angemessen zu beteiligen und einschlägige wissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen,
  9. die geltenden Kontaktbeschränkungen für Kinder und Jugendliche laufend auf ihre Wirksamkeit für das Infektionsgeschehen hin zu überprüfen.
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