Antrag: Keine Zustimmung zur Weservertiefung – Niedersachsen muss ökonomisch unsinniges und ökologisch schädliches Vorhaben ablehnen

 

Antrag

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen                                                                          Hannover, den 29.08.06
     

Keine Zustimmung zur Weservertiefung –  Niedersachsen muss ökonomisch unsinniges und ökologisch schädliches Vorhaben ablehnen

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Landtag stellt fest, dass:

  • Die im Zuge der letzten Weservertiefung mit Beschluss des Landtages vom 04.11.97 zugesi-cherte dauerhafte  Freihaltung des Fedderwarder Priels nicht gewährleistet ist und eine weitere Vertiefung der Weser die Verschlickung des Burhaver Strandes und der Zufahrt zum Hafen Fedderwarder Siel verstärken würde. Dadurch sind zahlreiche Arbeitsplätze in den Wirtschaftszweigen Tourismus, Fischerei und Landwirtschaft gefährdet.       
  • Die morphologischen, hydrologischen und ökologischen Auswirkungen der Weservertiefung auf 14,00 Meter nach wie vor nicht geklärt und die entsprechenden begleitenden Untersuchungen noch nicht abgeschlossen sind.
  • Die Deichsicherheit und damit die Sicherheit zahlreicher Menschen in der Wesermarsch angesichts der aufgrund des Klimawandels zu erwartenden Zunahme extremer Wetterereignisse und des Anstiegs des Meeresspiegels durch eine weitere Weservertiefung immer weniger gewährleistet ist.
  • Den Grundstückseigentümern, insbesondere den Landwirten, in der Wesermarsch durch größere Aufwendungen für die Be- und Entwässerung  höhere Kosten aufgebürdet werden.
  • Durch eine erneute Weservertiefung weitere ökologische Schäden im als FFH-Gebiet ausgewiesenen Weserästuar zu erwarten sind.
  • Mit dem Jade-Weser-Port ausreichende Hafenkapazitäten für große Containerschiffe in der Region zur Verfügung stehen und die Konkurrenzsituation der norddeutschen Containerhäfen mit der Vertiefung der Weser zu Lasten der öffentlichen Haushalte voran getrieben würde.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

das erforderliche Einvernehmen zur Vertiefung der Weser zu versagen.

Begründung:

In einer einstimmig vom Kreistag des Landkreises Wesermarsch verabschiedeten "Resolution zum Fedderwarder Priel" vom 19.07.2006 wird auf die im Zuge der letzten Weservertiefung eingegangenen Zusagen des Landes zur dauerhaften Freihaltung des Priels hingewiesen und deren Umsetzung eingefordert. Außerdem fordert der Kreistag das Land mit Verweis auf das Bundeswasserstraßengesetz zur Ablehnung einer erneuten Weservertiefung auf. In ähnlicher Weise äußert sich auch der Rat der Gemeinde Butjadingen. Eine mit weiteren Flussvertiefungen zunehmende Verschlickung des Fedderwarder Priels hätte unweigerlich das Ende des Hafens Fedderwardersiel in seiner bisherigen Nutzung zur Folge. Kreistag und Gemeinde Butjadingen weisen in ihren Resolutionen auf erhebliche wirtschaftliche Einbußen in Höhe von 46 Millionen Euro hin. Diese wirtschaftlichen Einbußen vor allem im Tourismus und in der Fischerei wären zudem mit dem Verlust zahlreicher Arbeitsplätze und der Gefährdung wirtschaftlicher Existenzen verbunden.

Auch seitens der Landwirte stößt eine erneute Weservertiefung auf Ablehnung, vor allem weil die Verlagerung der Brackwasserzone um  mindestens 1000 Meter in das Binnenland eine Versalzung des Gewässersystems nach sich ziehen würden. Dies hätte erhebliche negative Auswirkungen auf die in der Region vorherrschende Weidehaltung, da Viehtränken unbrauchbar würden. Grundstückseigentümer in der Wesermarsch, insbesondere die Landwirte, würden darüber hinaus belastet, weil sich der Aufwand für die Entwässerung mit einer zunehmenden Verschlickung erheblich erhöhen würde.

Bereits heute sind an zahlreichen Gebäuden in der betroffenen Region Schäden aufgrund des mit den bisherigen Weservertiefungen einhergehenden Absinkens des Grundwasserspiegels zu verzeichnen. Diese von den betroffenen Menschen selbst zu tragenden wirtschaftlichen Schäden würden sich durch eine erneute Flussvertiefung erhöhen.

Schließlich birgt die geplante Weservertiefung eine Reihe weiterer Unsicherheiten im Hinblick auf die Auswirkungen für den Küstenschutz und die Deichsicherheit. Ein höheres Auflaufen der Tide selbst bei "normalen" Wetterbedingungen wird auch seitens des Vorhabenträgers eingeräumt. Der wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) hat in einem Ende Mai 2006 veröffentlichten Sondergutachten darauf hingewiesen, dass der aufgrund des Klimawandels zu erwartende Anstieg des Meeresspiegels mittel- und langfristig deutlich stärker ausfallen wird, als bisher erwartet. Gleichzeitig prognostizieren die Wissenschaftler eine deutliche Zunahme der Häufigkeit und Intensität von Sturmfluten. Der WBGU weist ausdrücklich darauf hin, dass davon vor allem die Mündungsbereiche der großen Flüsse betroffen sein werden, durch die das Wasser sehr weit in das Binnenland gedrückt werden kann. Durch fortwährende Vertiefungen wird dieses Risiko deutlich erhöht.

Im Zuge der letzten Weservertiefung auf 14,00 Meter wurden seitens der Genehmigungsbehörde eine Reihe begleitender Untersuchungen über die Folgen dieser Maßnahme für das Ökosystem, die Morphologie und zu den hydrologischen Auswirkungen festgesetzt. Diese Untersuchungen sollen erst im Jahre 2012 abgeschlossen sein. Erst dann wird man die Folgen dieser Maßnahme endgültig abschätzen können. Bevor die Auswirkungen der letzten Vertiefung überhaupt bekannt sind bereits eine erneute Ausbaggerung des Fahrwassers zu genehmigen, ist geradezu fahrlässig. Die bisherige Praxis, im Rahmen der Genehmigungsverfahren zur Vertiefung des Weserfahrwassers lediglich die Auswirkungen der einzelnen Vertiefungsmaßnahmen zu betrachten, wird den Anforderungen an eine vorsorgende Planung nicht gerecht. Stattdessen müssen die Summationswirkungen der zahlreichen Weservertiefungen der letzten Jahrzehnte einbezogen werden.

Eine weitere Flussvertiefung würde die ökologische Situation im erst auf massiven Druck der EU-Kommission von der Landesregierung gemeldeten FFH-Gebiet "Weserästuar" erheblich verschärfen. Beispielhaft sei ein weiterer Verlust von Flachwasserzonen, eine Veränderung der Salinität im gesamten Ästuar mit Rückwirkung auf angrenzende Flächen und Uferabbrüche genannt.

In dem jüngst von der Bundesregierung vorgelegten Gutachten "Nachhaltigkeitsaspekte der nationalen Seehafenkonzeption" wird die Kleinstaaterei in der deutschen Seehafenpolitik bemängelt und eine verstärkte Kooperation eingefordert. An weitere Flussausbauten wird darin die Anforderung gestellt, dass ihnen eine über die Grenzen der Bundesländer hinaus gehende abgestimmte Konzeption zu Grunde liegt. Davon kann beim geplanten Ausbau der Weser keine Rede sein. Es haben sich lediglich der niedersächsische Ministerpräsident und der bremische Bürgermeister darauf verständigt, diese Maßnahme ergänzend zum Bau des Jade-Weser-Port vom Bund einzufordern. Mit dem Jade-Weser-Port werden in Kürze ausreichende Kapazitäten zur Verfügung stehen, um auch größere Containerschiffe der neuen Generation in der Region abfertigen zu können. Ein paralleler Ausbau der Weser ist daher auch unter infrastrukturpolitischen Gesichtspunkten unsinnig.

Fraktionsvorsitzender

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