Antrag: Keine Rückkehr zur Zentralbürokratie bei der Organisation der Jobcenter - Dezentrale Organisation erhalten, - Fördern in den Mittelpunkt stellen

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Landtag stellt fest:

Das Bundesverfassungsgerichtsurteil vom Dezember 2007 hat die bisherige

Zusammenarbeit zwischen den Kommunen und der Bundesagentur für Arbeit bei der Betreuung von Arbeitslosengeld-II-EmpfängerInnen für unzulässig erklärt. Politik und Gesetzgeber sind jetzt aufgefordert bis 2010 an Stelle der Arbeitsgemeinschaften (ARGEN/Jobcenter) eine neue sachgerechte und rechtskonforme Struktur zu entwickeln.Das von Bundesarbeitsminister Scholz vorgelegte Modell der "Kooperativen Jobcenter" genügt den Erfordernissen an Regionalität und Individualität für eine erfolgreiche Vermittlungsarbeit nicht. Vielmehr verbirgt sich unter dem Etikett der freiwilligen Kooperation ein zentralistisches Bundesmodell, bei dem in der Bundesagentur für Arbeit alle Befugnisse gebündelt werden. Die Kommunen werden an den Katzentisch verwiesen und verlieren den Einfluss auf das wichtige operative Geschäft. Gerade hier entscheidet sich aber die Qualität und Effizienz der Förderung.

Der Landtag möge beschließen:

Der Landtag fordert die Landesregierung auf sich aktiv in die bundesweite Diskussion über die Konsequenzen aus dem Verfassungsgerichtsurteil zu den Jobcentern einzubringen, damit folgende Kriterien bei der notwendigen neuen Trägerstruktur für die Grundsicherung berücksichtigt werden:

  1. Leistungen aus einer Hand und einem Guss
    Die direkte Abstimmung von arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Ansätzen hat sich bei der Betreuung von arbeitsuchenden Menschen mit häufig schwierigen Problemen bewährt.
  2. Dezentrale Entscheidungsstrukturen bei bundeseinheitlichem Leistungsrecht
    Zukünftige Strukturen müssen dezentral organisiert werden und mögliche Partner darin müssen auf Augenhöhe agieren können. Wichtig dafür ist auch die Personal- und Budgethoheit. Dabei ist es aber unverzichtbar, dass die Leistungen für die Betroffenen bundeseinheitlich gleich sind.
  3. Individuelle, passgenaue Betreuung
    Das individuelle Fördern muss im Mittelpunkt der Arbeit stehen. Zentrale Dienstleistungen wie zum Beispiel die bundesweite Vermittlung stehen dazu nicht im Widerspruch, sondern sind eine notwendige Ergänzung.
  4. Der Bund muss in der Verantwortung bleiben
    Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ist und bleibt ein gesamtgesellschaftliches Problem, das hauptsächlich in die Verantwortung des Bundes fällt.
  5. Klare Ziele und Transparenz
    Die Vergleichbarkeit der Leistungen und Zielerreichungsgrade ist eine notwendige Bedingung für die Gleichbehandlung der LeistungsempfängerInnen.

Begründung

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Dezember 2007 muss die Trägerstruktur zur Gewährung der Grundsicherung verändert werden. Das in Windeseile vorgelegte Modell des Bundesarbeitsministers ist jedoch nicht geeignet, den Ansprüchen an eine individuelle, regionalisierte und effiziente Gewährung der Leistungen zu gewährleisten.

Die Koalitionsfraktionen in Niedersachsen und die Landesregierung haben sich im Koalitionsvertrag und der Regierungserklärung mit nichtssagenden Formeln vor ihrer Verantwortung gedrückt. Der Fortbestand der bestehenden Optionskommunen über 2010 hinaus und ein Prüfauftrag für mögliche weitere sind aber nicht ausreichend, um die notwendigen Weichenstellungen für eine Strukturreform vorzunehmen. Ausgerechnet das Land Niedersachsen, das in Person von

Ministerpräsident Wulff immer die Kommunalisierung als besseres Modell beworben hat, schweigt jetzt beredt über die Zukunft der Arbeitsgemeinschaften.

Bei allen Überlegungen muss die Frage im Vordergrund stehen, welche Lösung die beste Grundlage für eine erfolgreiche Arbeit für und mit den Arbeitssuchenden bietet. Die Kriterien, die einer Lösung zugrunde liegen müssen, haben sich an den betroffenen Menschen und ihren Bedürfnissen zu orientieren. Erst danach ist die Frage nach dem dafür erforderlichen rechtlichen Rahmen zu klären.

Auch in Zukunft sollen Menschen nicht gezwungen sein, von Amt zu Amt zu laufen. Sie sollen Leistungen und Hilfen aus einer Hand und aus einem Guss bekommen. Hilfen und Angebote müssen zu den Menschen passen und nicht die Menschen für Angebote passend gemacht werden. Dafür braucht es Gestaltungsfreiheit vor Ort und flexible Instrumente, die die passgenaue Betreuung von LeistungsempfängerInnen möglich machen.

Die bisherige Rollen- und Machtverteilung im Zusammenspiel von Bundesagentur und Kommunen hat sich nicht bewährt. Zentrale Vorgaben berücksichtigen individuelle Erfordernisse überhaupt nicht und regionale Planungen kaum. Die sozialpolitische Kompetenz der Kommunen ist aber entscheidend für eine gute Betreuung der EmpfängerInnen von Arbeitslosengeld II.

Ob Stade oder Starnberg: Es darf auch zukünftig keinen Unterschied machen, wo Hilfesuchende leben. Alle haben Anspruch auf dieselben Leistungen und individuelle Förderangebote. Weder das Stadtsäckel noch der Landeshaushalt dürfen Einschnitte in das Leistungsrecht begründen.

Deshalb darf der Bund nicht aus seiner Verantwortung entlassen werden. Nur er kann die Rahmenbedingungen für günstige Arbeitsmarktbedingungen schaffen, nur er verfügt über die notwendigen finanziellen Ressourcen für Leistungen und Hilfen. Finanzlasten, bedingt durch eine hohe Arbeitslosigkeit, dürfen nicht auf Kommunen oder Länder verlagert werden.

Individuelle Förderung ist keine Spielwiese der Beliebigkeit. Klare Ziele, transparente Verfahren und bundesweite Vergleiche verhindern Kleinstaaterei und Willkür. Nachhaltig wirkende Hilfe für ein eigenständiges und selbstbestimmtes Leben muss die Zielsetzung aller Angebote und Maßnahmen sein. 

Stefan Wenzel

Fraktionsvorsitzender

Zurück zum Pressearchiv