Antrag: Keine Kapazitätserweiterung von Schacht Konrad - stattdessen Überprüfung nach aktuellem Stand von Wissenschaft und Technik

Fraktion der SPD
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Die EU-Richtlinie 2011/70/EURATOM zur Entsorgung radioaktiver Abfälle verpflichtet die Bundesregierung, ein Nationales Entsorgungsprogramm (NAPRO) zu erstellen. Das Programm muss eine Bestandsaufnahme sämtlicher abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle beinhalten. Zudem müssen Konzepte, technische Lösungen, Zuständigkeitsverteilungen und Zeitpläne für die Errichtung von Endlagern dargestellt werden.

Im August 2015 hat die Bundesregierung der EU-Kommission ein Programm für eine verantwortungsvolle und sichere Entsorgung bestrahlter Brennelemente und radioaktiver Abfälle vorgelegt. In der Abfallbilanz werden erstmals auch 100.000 Kubikmeter abgereichertes Uran aus der Brennelementherstellung sowie 200.000 Kubikmeter Abfallvolumen, das aus der Asse rückgeholt werden soll, berücksichtigt. Im Vergleich zu den bisherigen Annahmen der Bundesregierung bedeutet dies eine Verdoppelung des Volumens von schwach- und mittelradioaktiven Abfällen, das bis 2080 erwartet wird.

Für schwach- und mittelradioaktive Abfälle ist das ehemalige Erzbergwerk Schacht Konrad in Salzgitter vorgesehen. Im Planfeststellungsbeschluss ist Schacht Konrad jedoch auf ein Abfallgebindevolumen von 303.000 Kubikmetern mit einer Gesamtaktivität von 5∙10 18 Becquerel begrenzt. Wie die oben genannten zusätzlichen Abfallmengen entsorgt werden sollen, ist bis dato ungeklärt. Klar ist aber auch: Die Landessammelstelle sowie die Zwischenlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle sind sicherheitstechnisch nicht für eine längerfristige Lagerung geeignet.

Im ersten Entwurf des NAPRO nannte die Bundesregierung allerdings eine Erweiterung von Schacht Konrad als Option: „Eine Erweiterung des Schacht Konrad für diese Abfälle wird nicht ausgeschlossen und soll ggf. nach dessen Inbetriebnahme geprüft werden“.

Im Zuge der Öffentlichkeitsbeteiligung zum Nationalen Entsorgungsprogramm reichte ein regionales Aktionsbündnis rund 70.000 Einwendungen gegen das geplante Endlager Schacht Konrad und die geplante Kapazitätserweiterung beim Bundesumweltministerium (BMUB) ein. Nach diesen Protesten hat die Bundesregierung das NAPRO überarbeitet und auf den Verweis auf eine mögliche Erweiterung von Schacht Konrad verzichtet. Stattdessen setzt die Bundesregierung nun auf eine Mischlagerung, bei der die zusätzlichen nicht-wärmeentwickelnden Abfälle im geplanten Endlager nach Standortauswahlgesetz eingelagert werden. Die Option Schacht Konrad wird aber nicht ausgeschlossen, sollte sich die Endlager-Kommission doch für eine Erweiterung von Schacht Konrad aussprechen.

Die Endlager-Kommission des Bundes hat unter anderem den Auftrag, Sicherheits- und Ausschlusskriterien für die dauerhaft sichere Lagerung von insbesondere hochradioaktiven Stoffen zu erarbeiten. Nach der Aktualisierung des Nationalen Entsorgungsprogramms wurde in einer Arbeitsgruppe der Kommission diskutiert, ob die Kommission jenseits der Fragen zum zukünftigen Umgang mit hochradioaktiven Abfällen auch die Anforderungen der Lagerung von nicht-wärmeentwickelnden Abfällen und einer möglichen Mischlagerung abdecken kann.

Das Atomrecht schreibt vor, dass „die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden durch die Errichtung und den Betrieb der Anlage getroffen ist“ (§ 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG. Es besteht das Erfordernis, im Sinne der Vorsorge auch potentielle Gefahren aufgrund von Wissenslücken, einem Gefahrenverdacht oder ein Besorgnispotential auszuschließen.

Der Landtag stellt fest,

  • Es bestehen berechtigte Zweifel, ob Schacht Konrad dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik genügt.
  • Für die Erarbeitung eines Entsorgungskonzepts für schwach- und mittelradioaktive Abfälle müssen gleichermaßen hohe Anforderungen an Transparenz, Beteiligung und Sicherheit gelten wie für die Entsorgung hochradioaktiver Abfälle.
  • Gleichwohl müssen die schwach- und mittelradioaktiven Abfälle aus der Landessammelstelle sowie den anderen Zwischenlagern an ein Bundesendlager abgegeben werden.

Der Landtag begrüßt, dass die Landesregierung nach Maßgabe des Planfeststellungsbeschluss zu Schacht Konrad eine aktualisierte Sicherheitsanalyse eingefordert hat. Der Landtag erwartet, dass der Bund diese zeitnah vorlegt. Der Landtag erwartet ferner, dass sich die Endlager-Kommission des Bundes auch mit den ungelösten Fragen der Entsorgung von schwach- und mittelradioaktiven Abfällen befasst.

Der Landtag fordert den Bund auf,

  • eine Erweiterung von Schacht Konrad dauerhaft auszuschließen.
  • unverzüglich ein Entsorgungskonzept zu erarbeiten, das alle Arten und Mengen von schwach- und mittelradioaktivem Abfall umfasst und Anforderungen an ein Standortsuchverfahren für diese Abfälle definiert.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  • Sich im Bundesrat dafür einzusetzen, eine Kapazitätserweiterung für den Standort Konrad dauerhaft auszuschließen.
  • Gegenüber der Bundesregierung die nochmalige und zügige Überarbeitung der Transportstudie Konrad der GRS einzufordern, um die Auswirkungen von Atommüll-Transporten sowie die Auswirkungen möglicher Transportunfälle ausreichend abschätzen zu können.
  • Auf Bundesebene für die Option der Rückholbarkeit auch bei der Lagerung nicht- oder nur schwach-wärmeentwickelnder radioaktiver Abfälle, und damit auch bei Schacht Konrad, einzutreten.
  • Sich mit Nachdruck für eine Neubewertung der Konzeptions- und Einlagerungssituation von Schacht Konrad zu verwenden, die den aktuellen Anforderungen an den Stand von Wissenschaft und Technik entspricht.

Begründung

Ziel der EU-Richtlinie ist es, mehr Transparenz im Nuklearbereich zu schaffen. Unter anderem soll sichergestellt werden, dass den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit gegeben wird, sich an der Entscheidungsfindung im Zusammenhang mit der Entsorgung effektiv zu beteiligen. Diese Kriterien müssen auch im Umgang mit schwach- und mittelradioaktiven Abfällen berücksichtigt werden. In der Region stießen erste Planungen der Bundesregierung hierzu auf Widerstand. Im Raum stand die Option der Erweiterung des Atommüllendlagers Schacht Konrad für 100.000 Kubikmeter abgereichertes Uran aus der Brennelementherstellung sowie 200.000 Kubikmeter Abfallvolumen, das aus der Asse rückgeholt werden soll. Im Zuge der Öffentlichkeitsbeteiligung zum Nationalen Entsorgungsprogramm hat ein regionales Aktionsbündnis rund 70.000 Einwendungen gegen das geplante Endlager Schacht Konrad und eine mögliche Kapazitätserweiterung beim Bundesumweltministerium (BMUB) eingereicht.

Die Bundesregierung kann bislang für rund 300.000 Kubikmeter nicht-wärmeentwickelnde Abfälle kein Entsorgungskonzept vorweisen. Dies gilt auch für graphit- und thoriumhaltige radioaktive Abfälle, die nicht den Einlagerungskriterien des geplanten Endlagers Schacht Konrad entsprechen. Als einzige Option wird im NAPRO auf eine Einlagerung im noch zu bestimmenden Endlager nach Standortauswahlgesetz verweisen. Es ist jedoch zweifelhaft, ob die hohen Sicherheitsanforderungen die Lagerung von radioaktiven Abfällen bei der Einlagerung unterschiedlichster Abfallarten mit höchst unterschiedlichen Eigenschaften in einem Mischlager erfüllt werden können.

Die alternative Option der Erweiterung der Einlagerungskapazität in Schacht Konrad ist im NAPRO nicht mehr genannt, kann jedoch beispielsweise durch eine Empfehlung der Endlager-Kommission wieder neu entfacht werden. Diese Erweiterung würde jedoch erst nach der Inbetriebnahme der Anlage geprüft werden. Nach Standortauswahlgesetz würde dann das neue Bundesamt für kerntechnische Entsorgung zuständige Planfeststellungsbehörde für Schacht Konrad. Diese Zuständigkeiten liegen derzeit beim Land Niedersachsen.

Der Ausbau von Schacht Konrad zu einem Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle verzögert sich immer weiter. Ursprünglich sollte das Endlager 1986 in Betrieb gehen, doch die letzte Klage gegen die Errichtung wurde erst 2007 abgewiesen. Im NAPRO nennt die Bundesregierung das Jahr 2022 für eine voraussichtliche Inbetriebnahme, verweist aber bereits auf das Risiko weiterer Verzögerungen.

Bislang liegt für Schacht Konrad zudem keine aktualisierte Sicherheitsbetrachtung entsprechend dem heutigen Stand von Wissenschaft und Technik vor. Auch die Transportstudie Konrad 2010 von der GRS steht in der Kritik. Ein Gutachten im Auftrag der Stadt Salzgitter weist darauf hin, dass für die Ermittlung der Strahlenbelastung durch Transporte und mögliche Transportunfälle nicht ausreichend konservative Annahmen gemacht wurden. Um die Auswirkungen auf Anwohnerinnen und Anwohner sowie das Transportpersonal hinreichend abzuschätzen zu können, ist eine Überarbeitung der GRS-Studie notwendig.

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