Antrag: Keine Hilfspolizisten in Niedersachsen - die öffentliche Sicherheit der Polizei überlassen, Zivilcourage stärken

...

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Hannover, den 08.04.05

Der Landtag wolle beschließen:
Entschließung
Die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit ist die Aufgabe einer gut ausgebildeten, professionellen Polizei. Deshalb wendet sich der Landtag gegen jedes Ansinnen, ehrenamtliche polizeiliche Hilfsdienste in Niedersachsen zu etablieren.
Begründung
Seit Beginn dieses Jahres propagiert der niedersächsische Innenminister die Einrichtung eines so genannten freiwilligen Polizeidienstes. Zur Optimierung der inneren Sicherheit sollen demnach ehrenamtliche engagierte Bürger und Bürgerinnen in den Kommunen Befugnisse im Bereich der Gefahrenabwehr übertragen bekommen. Beispielhaft genannt wurden Ausweiskontrollen, Bußgeldverhängungen sowie die Erteilung von Platzverweisen. Die Ausbildung im Umfang von ca. 40-80 Stunden sowie die Ausstattung der Hilfspolizisten soll vom Land getragen werden, die Kommunen hingegen sollen eine Aufwandsentschädigung für die Beteiligten finanzieren. Auch die "Einstellung" im Rahmen von Ein-Euro-Jobs hat der Innenminister ins Gespräch gebracht. Die "wandelnden Notrufsäulen" (Zitat Schünemann) sollen sich an dem hessischen Modell des Freiwilligen Polizeidienstes orientieren, ohne dass bis heute deutlich geworden wäre, in welchem Umfang die hessischen Regelungen kopiert werden sollen. Ob die Freiwilligen z.B. wie dort mit Pfefferspray ausgestattet werden sollen, legt der Innenminister bisher nicht offen.
Die vom Innenminister angesprochenen Kommunen haben sich bisher zurückhaltend bis ablehnend zu den Vorschlägen geäußert. Auch von Seiten der Polizei wurden Zweifel an der Sinnhaftigkeit von "Hilfspolizisten" laut, da sie nicht den notwendigen sicherheitspolitischen Anforderungen entsprechen können. Da das Land außerdem im kriminalpräventiven Bereich der Polizei spart und die Zahl der Kontaktbeamten wie zum Beispiel in Celle reduziert, liegt der Verdacht nahe, dass mit einem freiwilligem Polizeidienst ein billiger Ersatz zu Lasten der Kommunen aufgebaut werden soll, um diese Lücken zu schließen.
Der hessische Modellversuch freiwilliger Polizeidienst wurde zwei Jahre lang wissenschaftlich von der Uni Gießen evaluiert. Im Ergebnis konnte auch hierin der unabweisbare Nutzen des Polizeidienstes für die öffentliche Sicherheit oder ein Zugewinn an Sicherheit nicht bestätigt werden. Stärken des Dienstes sahen die Wissenschaftler in der "Kommunikation mit den Bürgern und insbesondere "im Knüpfen von Kontakten gegenüber alten Menschen". Es ist anzunehmen, dass diese Zielsetzung effektiver mit anderen Mitteln, so beispielsweise der Stärkung der Freiwilligenarbeit im sozialen Bereich, dem Ausbau präventiver Maßnahmen oder dem Projekt Soziale Stadt, erreicht werden könnte, als über einen freiwilligen Polizeidienst. Darüber hinaus wies die Gießener Studie nach, dass rund ein Drittel der ehrenamtlichen Kräfte zumindest gedanklich davon überzeugt war, eigentlich bei der Polizei und damit tatsächlich Polizist zu sein und deshalb Gefahr liefen, dass ihre eigentliche Aufgabe - präsent sein-beobachten-melden - "vor dem Wunsch, Polizeiarbeit zu machen, in den Hintergrund gerät." (Gutachten, S.3) Auch vor diesem Hintergrund ist es fraglich, ob es verantwortungsvoll ist, Bürgerinnen und Bürger Situationen und Gefahren auszusetzen, für die sie weder vorgesehen noch ausgebildet sind.
Polizeihilfsdienste stellen deshalb auch keine Antwort auf die Forderung nach mehr Zivilcourage dar. Zivilcourage, verstanden als politische Tugend der Bürgergesellschaft, setzt nicht auf die Delegierung an Dritte, sondern setzt auf den interventionsfähigen Einzelnen. Zivilcourage ist also Ansatz und "Produkt" der Politischen Bildung und nicht der Hilfsdienst-Bildung. Ein tatsächlicher Gewinn für die öffentliche Sicherheit ist - neben der Arbeit einer professionellen und gut ausgebildeten Polizei – nur durch vermehrte Anstrengungen der Landesregierung zur Stärkung der Zivilcourage zu erreichen.
In der Summe der Argumente würde mit einem freiwilligen Polizeidienst ein sicherheitspolitisch sehr umstrittenes Placebo installiert. Zudem würden Landesaufgaben auf die Kommunen abgewälzt. Begleiterscheinung der Pläne des Innenministers wäre außerdem die Etablierung "Freiwilliger erster und zweiter Klasse" in Niedersachsen. Die andachte Aufwandsentschädigung für alle Mitglieder der freiwilligen Hilfspolizei bedeutete eine ungerechtfertigte Privilegierung z.B. gegenüber ehrenamtlichen Brandschützern und Katastrophenhelfern. Aus diesen Gründen wird die Einführung derartiger Dienste abgelehnt.

Fraktionsvorsitzender

Zurück zum Pressearchiv