Antrag: Kein Regenwald in den Tank

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Fraktion Bündnis 90/Die Grünen      Hannover, den 09.05.06

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Landtag stellt fest:

Für die Strategie "weg vom Öl" leistet die Nutzung von Biokraftstoffen einen unverzichtbaren Beitrag. Nach der Energieeinsparung und einem effektiveren Energieeinsatz ist der Ersatz fossiler Energieträger durch Biokraftstoffe ein förderungswürdiger Weg, u.a. weil

  • durch die klimaneutrale Wirkung nachwachsender Rohstoffe der fortschreitenden Klimakatastrophe entgegenwirkt wird,

  • die erneuerbaren Energien dauerhaft zukunftsfähige Lösungen bieten, im Gegensatz zu den zu Ende gehenden fossilen Energieträgern,

  • die Abhängigkeit unserer Wirtschaft und Gesellschaft von den knapper und teurer werdenden Krisenstoffen Erdöl, Erdgas und Uran verringert wird,

  • unserer Wirtschaft steigende Importbelastungen erspart werden,

  • die heimische Produktion von Biokraftstoffen für unsere Landwirtschaft sowie mittelständische und industrielle Produktionsunternehmen neue Beschäftigungs-, Wertschöpfungs- und Einkommensmöglichkeiten schafft.

Voraussetzung dafür ist, dass die biogenen Energieträger selbst umwelt- und sozialgerecht gewonnen und gehandelt werden. Hier ergibt sich durch die Nutzung tropischer Pflanzen eine besondere Problematik. Insbesondere der weltweite Palmölboom verursacht z.B. in Indonesien großflächige Zerstörungen der Regenwälder und schädigt ihre Bewohner. Waldzerstörung, Vergiftung von Böden, Wasser und Luft durch Agrargifte sowie Landkonflikte und Verarmung der betroffenen Menschen sind die Folgen. Auch die Lebensräume von Ausrottung bedrohter Arten wie Orang Utans, Waldelefanten und Tiger auf Sumatra und Borneo fallen in atemberaubender Geschwindigkeit dem Kahlschlag für Palmöl-Plantagen zum Opfer. Unzureichende staatliche Strukturen öffnen in vielen Ländern illegalen Praktiken und Menschenrechtsverletzungen Tür und Tor.

Eine Ausweitung der Palmölproduktion für den europäischen Energiebedarf ist deshalb unter diesen Umständen abzulehnen. Die Nutzung solcher Biokraftstoffe wäre kontraproduktiv, weil

  • mit der Regenwaldzerstörung die positive Klimawirkung aufgehoben und in ihr Gegenteil verkehrt wird,

  • die Natur- und Artenschutzbilanz katastrophal ist,

  • alte Abhängigkeiten durch neue ersetzt werden,

  • die wirtschaftlichen Potenziale der heimischen Biokraftstoffproduktion zerstört werden.

Der Landtag lehnt deshalb die geplante Herstellung von Biodiesel aus Palmöl in Emden ab und fordert die Landesregierung auf, das Projekt in dieser Form nicht weiter zu unterstützen, insbesondere keine Fördermittel zur Verfügung zu stellen.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf, sich dafür einsetzen, dass zukünftig die Nutzung tropischer Produkte (z.B. Palmöl) für den heimischen Energiebedarf an strenge Kriterien gebunden wird. Dazu sollen u.a. folgende Eckpunkte zählen:

- Keine Umwandlung von Primärwald in Plantagen
- Kein Abbrennen von Wald für die Anlage von Plantagen
- Respektierung traditioneller Rechte und Landrechte
- Keine Gewalt, Menschenrechtsverletzungen, Vertreibungen, Polizei- und Militäreinsätze
- Einhaltung ratifizierter internationaler Abkommen in Anbauländern wie Indonesien (u.a. zu Biodiversität, Arbeiterrechten, Gesundheit und zum Schutz von Plantagenarbeitern und Ureinwohnern,)
- Keine Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion in den Anbauländern mit Nahrungsmittelknappheit
- Förderung von biologischen Anbaumethoden und
- keine Zerstörung kleinbäuerlicher Strukturen in den Anbauländern.

An den Nachweis dieser Kriterien sind hohe Maßstäbe anzulegen. Eine unabhängige Kontrolle ist sicherzustellen.

Begründung

Eine niederländische Investorengruppe plant den Bau einer Palmöl-Raffinerie in Emden. Ab 2007 soll die Anlage aus rund 430.000 Tonnen Palmöl im Jahr etwa 400 Millionen Liter "Bio"diesel herstellen. Das Land Niedersachsen schließt eine Förderung dieses Projektes nicht aus, weil die Fabrik einen Beitrag leisten könne, die Abhängigkeit vom Erdöl zu verringern. Das in der Raffinerie verwendete Palmöl soll nach Angaben der Betreiber aus Indonesien kommen. Dort hat die Palmöl-Industrie in den vergangenen Jahren bereits Millionen Hektar Regenwald vernichtet. Damit wälzen wir durch unseren Konsum verursachte Umweltprobleme auf Regenwaldländer ab. Die vermeintlich neutrale Klimabilanz der Energiegewinnung aus Palmöl ist eine Milchmädchenrechnung, die nicht berücksichtigt, wo die nachwachsenden Rohstoffe angebaut werden. So sind die Sumpf- und Torfwälder auf Sumatra und Borneo bedeutende CO2-Senken. Genau diese Wälder werden per Brandrodung vernichtet und die Flächen für Palmöl-Plantagen genutzt. Damit verschwinden nicht nur wichtige Ökosysteme, auch der Vorteil durch die Nutzung biogener Treibstoffe relativiert sich mit der Vernichtung der CO2-Senken. Für die betroffenen Menschen bedeutet der Palmölboom neben der Waldzerstörung die Vergiftung von Flüssen durch Pestizide und häufig die Vertreibung von ihrem Land. Im "Herzen Borneos" planen indonesische Großunternehmen jetzt den Kahlschlag von zwei Millionen Hektar Wald für Palmöl-Plantagen. Schon bisher gehen in Kalimantan, dem indonesischen Teil von Borneo, jedes Jahr 1,2 Millionen Hektar Regenwald für immer verloren. Die Weltbank schätzt, dass bis 2010 sämtliche Tieflandwälder in Kalimantan vernichtet sein werden, wenn nicht endlich entschieden gegen die Zerstörung vorgegangen wird. Vor diesem Hintergrund ist die Förderung der geplanten Palmöl-Raffinerie nicht zu verantworten. Staatliche Zuschüsse finanzieren mit hoher Wahrscheinlichkeit indirekt die weitere Regenwaldvernichtung in Indonesien. Das widerspricht auch der offiziellen Selbstdarstellung der Landesregierung, in der es heißt: "Das Leitbild der Nachhaltigkeit ist auch für Niedersachsen handlungsleitendes Prinzip der Umweltpolitik."

Nach Protesten von Umweltgruppen in den Niederlanden wird dort der Einsatz von Palmöl zur Produktion von Biodiesel möglicherweise von 400.000 Tonnen im Jahr 2005 auf 100.00 Tonnen in diesem Jahr gesenkt. Das erklärt möglicherweise das Engagement der niederländischen Investorengruppe in Niedersachsen, ist mit einer harmonisierten Umwelt- und Entwicklungspolitik der EU aber nicht zu vereinbaren.

Fraktionsvorsitzender

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