Antrag (interfraktionell): „Demokratie braucht politische Bildung“ – Eine neue Landeszentrale für Politische Bildung für Niedersachsen

Fraktion der CDU
Fraktion der SPD
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Fraktion der FDP

„Demokratie braucht politische Bildung“ – Eine neue Landeszentrale für Politische Bildung für Niedersachsen

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Politische Bildung hat eine zentrale Bedeutung für unsere Gesellschaft und Demokratie.

Die politische Bildung in Deutschland hat immer wieder eigenes Handeln hinterfragt und Konzepte neu ausgerichtet. Der „Beutelsbacher Konsens“ aus dem Herbst 1976 hat die Grundsätze für politische Bildung mit den Prinzipien Überwältigungsverbot, Kontroversität und Schülerorientierung festgelegt.

Im „Münchner Manifest“ vom 26. Mai 1997 haben die Bundeszentrale für politische Bildung und die Landeszentralen für politische Bildung unter dem Titel „Demokratie braucht politische Bildung“ den Auftrag an sich selbst formuliert. Sie wollen das demokratische und politische Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger stärken und ihre aktive Beteiligung am politischen Leben fördern. Dabei haben sie sich als Leitziele Überparteilichkeit und Objektivität gesetzt.

Der Niedersächsische Landtag stellt fest:

  • Die politische Bildung hat einen hohen Stellenwert für unsere Demokratie und Gesellschaft und muss gestärkt werden.
  • Niedersachsen hat als einziges Bundesland keine Landeszentrale für Politische Bildung. Nach der Schließung wurden viele Aufgaben der Landeszentrale von anderen Institutionen übernommen. Der Dank gilt allen Beteiligten, die sich weiter für politische Bildung in Niedersachsen engagieren. Niedersachsen hat eine große Vielfalt von Trägern und Akteuren der politischen Bildung. So erreichen allein die Träger der Erwachsenenbildung mit ihren Angeboten jährlich rund 100.000 Menschen. Dafür werden 5,3 Mio. Euro aufgewendet. Das Europäische Informationszentrum organisiert landesweite Aktionstage, stellt Informationsmaterial für Europabildung zur Verfügung und vermittelt Ansprechpartner auf europäischer Ebene. Der Landespräventionsrat, die Stiftung niedersächsische Gedenkstätten, die politischen Stiftungen, der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge und viele weitere Akteure engagieren sich ebenfalls in der politischen Bildungsarbeit. Sie werden mit Landesmitteln gefördert. Weitere Aktivitäten, die in verschiedenen Ministerien koordiniert oder von diesen gefördert werden, komplettieren das breit gefächerte Angebot der politischen Bildung in Niedersachsen. Insgesamt stehen jährlich rund 10 Mio. Euro an Mitteln des Landes Niedersachsen für politische Bildung zur Verfügung.
  • Niedersachsen braucht eine unabhängige Institution, die zielgruppengerecht und niedrigschwellig arbeitet und kommuniziert, um Menschen für demokratische Prozesse zu begeistern, ihnen Wege der politischen Partizipation zu eröffnen und sie zur Teilhabe an einem gesellschaftlichen Diskurs über akute politische Herausforderungen zu befähigen und zu ermutigen. Eine Institution, die eine Unterstützung von Schulen, der Erwachsenenbildung, zivilgesellschaftlichen Initiativen, Sozialpartnern und Ehrenamtlichen sicherstellt.
  • Niedersachsen steht vor den aktuellen Herausforderungen, wie zum Beispiel Antisemitismus, verfassungsfeindliche Bestrebungen, wie dem Salafismus, einem massiven Anstieg politisch motivierter Straftaten, einer permanent sinkenden Wahlbeteiligung und abnehmende Teilhabe an Prozessen politischer Partizipation. Auch die Integration von Geflüchteten und Aufklärung über Fluchtursachsen wird derzeit breit in der Gesellschaft diskutiert. Die Angebote der politischen Bildungsarbeit zu koordinieren und Bedarfe zu erkennen, ist gerade vor den aktuellen Anforderungen von zentraler Bedeutung.

Der Landtag fordert die Niedersächsische Landesregierung auf:

  1. Eine neue Landeszentrale für politische Bildung einzurichten, die eigenständig und unabhängig ist und die alle Trägerinnen und Träger sowie Zielgruppen der politischen Bildung erreicht.
  2. Bei der Arbeit der Landeszentrale die Einbindung des Landtags, wissenschaftlicher Einrichtungen, Einrichtungen der Erwachsenenbildung und Vertreterinnen und Vertretern der Zivilgesellschaft zu gewährleisten.
  3. Zur Sicherstellung der politischen Überparteilichkeit und der Unabhängigkeit von der Landesregierung sollen nach dem Vorbild der Bundeszentrale alle im Landtag vertretenen Fraktionen im Kuratorium vertreten sein. Der Landtag benennt das Kuratorium mit allen Fraktionen einvernehmlich. Bei der Besetzung der Leitung der Landeszentrale für politische Bildung ist mit dem Kuratorium einvernehmen herzustellen. Näheres regelt eine Geschäftsordnung.
  4. Die Vielfalt der Träger und Akteure der politischen Bildung in Niedersachsen ist beizubehalten und zu fördern. Dabei sind die bestehenden Zuwendungen des Landes für diese Angebote zu sichern und die inhaltliche Unabhängigkeit der Angebote nicht einzuschränken.
  5. Eine Landeszentrale für politische Bildung in Niedersachsen einzurichten, die in Kooperation mit Dritten durch Publikationen, Veranstaltungsreihen, Austauschmöglichkeiten und Beratung Trends aufzeigt, eigene inhaltliche Akzente setzt und Diskussionen zusammenführt. Hierbei soll sich die Landeszentrale auch als Dienstleister für die Akteurinnen und Akteure verstehen. Eine größtmögliche Vernetzung von Akteuren aus Wissenschaft, den Hochschulen und Universitäten, Sozialpartnern, Erwachsenenbildung, Zivilgesellschaft sowie Religionsgemeinschaften ist dabei anzustreben. Zielgruppe einer Landeszentrale für politische Bildung können neben Schulen, der Jugendbildung, freien Trägern der außerschulischen politischen Bildung und der Erwachsenenbildung, die Sozialpartner, Kommunen und zivilgesellschaftlichen Initiativen und Vereinen auch Privatpersonen sein.
  6. Die Landeszentrale soll eng mit der Stiftung Gedenkstätten und der Agentur für Erwachsenenbildung zusammenarbeiten. Die Landeszentrale nimmt im bundesweiten Kontext die niedersächsische Außenvertretung im Rahmen der Landeszentralen für Politische Bildung wahr. Im Haushalt sind dauerhaft hinreichende Mittel für eine Landeszentrale für politische Bildung zur Verfügung zu stellen. Bei der Einrichtung sollen Doppelstrukturen in der Landesverwaltung vermieden und Synergien genutzt werden.
  7. Arbeitsbereiche der Landeszentrale für politische Bildung können zum Beispiel die Aktivierung von Menschen für politische Prozesse, Bürgerbeteiligung, Eine-Welt-Politik, ökonomische Bildung, Wirtschaftspolitik, Kommunalpolitik, landesspezifische Entwicklungen und Gegebenheiten, Wegweiser für gesellschaftspolitisches Engagement sowie die Integration von Geflüchteten sein. Als besondere Querschnittsaufgabe in allen Politikfeldern besteht die Herausforderung, die Zustimmung zum Integrationsprojekt Europäische Union zu stärken und die Diskussion über eine konstruktive Weiterentwicklung dieses Projektes zu intensivieren sowie den Europäischen Gedanken zu fördern.
  8. Weitere Schwerpunkte der inhaltlichen Arbeit der Landeszentrale für politische Bildung soll die Aufklärung über die Gefahren durch gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und demokratiefeindliche Bestrebungen sein, dazu zählen unter anderem auch die Gefahren der politischen und religiösen Radikalisierung, des Antisemitismus und des Salafismus. Die Werte des demokratischen Rechtsstaats und dessen Gewaltmonopols bilden hierfür die Grundlage. Die Stärkung der Medienkompetenz soll sich in den Angeboten als Querschnittsthema wiederfinden. Eine Zusammenarbeit mit der an einer Hochschule zu initiierenden wissenschaftlichen Dokumentationsstelle zur Analyse und Bewertung von Demokratiefeindlichkeit und politisch motivierter Gewaltbereitschaft ist anzustreben. Die wissenschaftliche Arbeit zu den Pha?nomenbereichen und Vernetzung zu zivilgesellschaftlichen Initiativen können Bausteine für eine inhaltliche Kooperation sein.
  9. Die Angebote der Landeszentrale sollen dezentral in Niedersachsen in allen Landesteilen und auch im Internet initiiert werden. Ein Konzept für Lernorte in Niedersachsen ist zu entwickeln.
  10. Die Arbeit der neuen Landeszentrale ist innerhalb von fünf Jahren zu evaluieren.

Begründung

Die im Landtag vertretenen Parteien sind gemeinsam der Überzeugung, dass die politische Bildung und der Schutz der Demokratie aus der Mitte der Gesellschaft und aus der Mitte des Landtags heraus gestaltet und getragen werden muss.

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