Antrag: Innovationsoffensive "Weg vom Öl" ? Wer zu spät kommt, den trifft der Preisschock
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Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Hannover, den 07.09.2005
Innovationsoffensive "Weg vom Öl" – Wer zu spät kommt, den trifft der Preisschock
Explodierende Energiepreise auf Grund zunehmender Erdölknappheit und eine verantwortungslose Preispolitik eines multinational agierenden Konzernkartells einerseits und extreme Wetterereignisse andererseits, zeigen drastisch die Notwendigkeit einer nachhaltigen Energiepolitik auf. Der zügige Umbau unserer Energieversorgung hin zur verstärkten Nutzung regenerativer Energiequellen, erhöhter Energieeffizienz und die Begrenzung der Marktmacht weniger Energiekonzerne sind eine umwelt- und wirtschaftspolitische Notwendigkeit, der sich auch die Landesregierung endlich stellen muss.
Der Landtag stellt fest:
 Angesichts massiv steigender Energiepreise und zunehmender Klimaextreme ist eine Wende in der Energiepolitik hin zum konsequenten Ausbau erneuerbarerer Energien und effizienter Energienutzung aus ökologischen und ökonomischen Gründen zwingend erforderlich.
 Hohe Gas- und Ölpreise sind Ursache für einen steigenden Kaufkraftabfluss in die Förderländer und die Kassen multinationaler Konzerne. Dieser Verlust von Kaufkraft für die heimische Volkswirtschaft dämpft die wirtschaftliche Entwicklung.
 Das Erneuerbare-Energien-Gesetz ist die Grundlage für die Spitzenposition unseres Landes bei moderner und effizienter Energietechnik. Allein durch den Ausbau der Windenergienutzung sind in Niedersachsen über 10.000 qualifizierte und zukunftsträchtige Arbeitsplätze entstanden.
 Die weltweit steigende Nachfrage nach technologischen Lösungen zur Nutzung regenerativer Energiequellen und zur Energieeinsparung sind eine große Chance für die heimische Exportwirtschaft zur Schaffung und Sicherung weiterer Arbeitsplätze.
 Niedersachsen schöpft seine Möglichkeiten, regenerative Energien, technologische Entwicklung und Forschung zur Energieeinsparung voranzutreiben, bislang völlig unzureichend aus.
Der Landtag fordert die Landesregierung daher auf,
 sich zu verpflichten, bis zum Jahr 2020 jeweils 25% des Strombedarfs, der Wärmeenergie und des Kraftstoffbedarfs aus erneuerbaren Quellen zu decken, ferner 25% der fossilen Grundstoffe durch nachwachsende Rohstoffe auszutauschen und konsequent für die bundesweite Erreichung dieser Ziele einzutreten.
 das Erneuerbare-Energien-Gesetz als verlässliche Basis für dringend notwendige Investitions- und Planungssicherheit zur Nutzung regenerativer Energien nicht länger in Frage zu stellen.
 die Rahmenbedingungen in Niedersachsen für den erweiterten Einsatz regenerativer Energiequellen (insbesondere Solarenergie, Biomasse, Windkraft, Geothermie) und für Investitionen zur Energieeinsparung zu verbessern.
 das Innovationspotenzial niedersächsischer Unternehmen bei der Entwicklung energiesparender Technologien, bei technologischen Entwicklungen zur Nutzung erneuerbarer Energien, bei Speichertechniken und für ein verbessertes Verbrauchsmanagement nachhaltig zu fördern und die Vergabe von Fördermitteln aus dem Wirtschaftsförderfonds konsequent auf dieses Ziel hin auszurichten.
 mit Nachdruck auf eine Korrektur der verfehlten Modellpolitik beim größten niedersächsischen Autobauer zu drängen. Das umweltfreundlichste, modernste und effizienteste Auto der Welt muss künftig in Niedersachsen gebaut werden. Um die Entwicklung und den Einsatz verbrauchsarmer und weniger klimaschädigender Fahrzeuge zu beschleunigen, ist die KFZ-Steuer durch eine CO2-Steuer zu ersetzen.
 die energetische Altbausanierung und die Einführung des Gebäude-Energiepasses in Niedersachsen durch geeignete Maßnahmen zu fördern und zu unterstützen. Es sind Initiativen mit dem Ziel zu ergreifen, nach dem Vorbild des Erneuerbare-Energien-Gesetzes ein Gesetz zur Förderung der Wärmeerzeugung auf Basis erneuerbarer Energien zu erarbeiten und zu beschließen.
 sich für eine Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen auf den Energiemärkten und insbesondere für eine Aufhebung der nicht mehr zu rechtfertigenden Bindung des Gaspreises an den Ölpreis einzusetzen.
Ӣ
Begründung:
Die Ölförderung aus amerikanischen Ölquellen sinkt bereits seit Jahren. Mittlerweile ist auch in der Nordsee die Höchstfördermenge überschritten. Größere Fördermengen sind nur noch im Nahen Osten und im Bereich des Kaspischen Meeres zu erwarten. Gleichzeitig steigt der Rohölverbrauch in bevölkerungsreichen Schwellenländern wie China, Indien und Indonesien. Steigende Preise sind deshalb nicht erst dann zu erwarten, wenn eines Tages der letzte Tropfen Öl gefördert wird. Entscheidend ist vielmehr das Auseinanderklaffen von Angebot und Nachfrage, zumal dann wenn Ölförderung, Verarbeitung und Vertrieb von Ölprodukten sich in der Hand einiger weniger Unternehmen befindet.
Seit Jahren warnen die großen Rückversicherer vor einer Zunahme von extremen Wetterereignissen. Wissenschaftliche Erkenntnisse belegen inzwischen zweifelsfrei, dass dieser sich immer deutlicher abzeichnende Klimawandel von Menschen gemachte Ursachen hat. Aus ökologischen Gründen, aber auch aus ökonomischen Gründen muss daher der Verbrauch fossiler Energieträger deutlich reduziert werden. Ein großer Teil der Weltgemeinschaft hat mit der Unterzeichnung des Kyoto-Protokolls einen ersten Schritt zur Reduzierung der CO2 Emissionen unternommen.
Politische und militärische Konflikte in den Hauptförderregionen der Welt haben ebenfalls eine preistreibende Wirkung. Eine Energiepolitik, die die Abhängigkeit vom Öl reduziert, leistet daher auch einen unverzichtbaren friedens- und sicherheitspolitischen Beitrag.
Vor diesem Hintergrund ist es zwingend erforderlich, alle Kräfte auf eine Reduzierung des Energieverbrauchs und den verstärkten Einsatz regenerativer Energien zu konzentrieren. Bei der konkreten Umsetzung dieser Ziele sind alle gesellschaftlichen Ebenen gefordert, Staat und Kommunen ebenso wie Unternehmen und Verbraucherinnen und Verbraucher.
Die Unterstützung durch die Landesregierung ist bei weitem nicht ausreichend. Im Gegenteil: Minister Hirche torpediert die Offshore-Windkraftnutzung wo immer möglich und verunsichert damit die Investoren. Minister Ehlen kommt seiner Verpflichtung zur landesraumordnerischen Planung von Leitungskorridoren für die Einspeisung des Offshore-Windstroms in das Verbundnetz nicht nach.
Landeseigene Gebäude werden nur ausnahmsweise für die Nutzung als Standort für Solarenergiegewinnung durch Dritte angeboten. Biogasanlagen sehen sich einem Wust unterschiedlicher Genehmigungsanforderungen insbesondere im Baurecht ausgesetzt. Die Erarbeitung und Veröffentlichung von Grundlagen für die verstärkte Nutzung der Geothermie zu Heizzwecken kommt nicht voran. Für landeseigene Gebäude liegen noch nicht einmal qualifizierte Energiedaten als Grundlage für rentable Investitionen zur Energieeinsparung vor.
Der Bereich Energie des Wirtschaftsförderfonds Niedersachsen (Ökofonds) wird nur in geringem Umfang in Anspruch genommen, weil die Förderbedingungen undurchsichtig und in ihrer Zielrichtung unklar sind. Die entsprechende Richtlinie ist neu zu fassen und der Förderansatz deutlich zu erhöhen. Im Bereich der gerade für Niedersachsen wichtigen Speichertechnologien und des Lastmanagements muss Niedersachsen selbst die Initiative ergreifen und Forschungen vorantreiben. Investoren werden zudem verunsichert, weil Minister Sander das "Deckelungsmodell" des VDEW zur Begrenzung des Ausbaus der regenerativen Energien propagiert.
Die Modellflotte des größten niedersächsischen Autobauers ist den notwendigen Herausforderungen nicht gewachsen. Auf wichtigen Märkten hat VW den Anschluss verpasst. In der neuen VCD-Autoumweltliste macht VW kein gutes Bild. Im Rahmen der so genannten Luxusstrategie wurden Milliardensummen verbrannt, die jetzt für wichtige Zukunftsinvestitionen fehlen. Zur Senkung des Energieverbrauchs im Kraftfahrzeugverkehr sind mit VW verbindliche Ziele anzustreben, um den Durchschnittsverbrauch der Fahrzeugflotte deutlich zu senken. Die Einführung eines Spritpasses für Autos, orientiert an der Regelung der Effizienzklassen bei Haushaltsgeräten, soll den Spritverbrauch eines Kraftfahrzeugs klar erkennbar machen und kann bei Kaufentscheidungen eine tragende Rolle spielen. Der Ersatz der KFZ-Steuer durch eine CO2-Steuer führt zu einer geringeren Besteuerung verbrauchsarmer Fahrzeuge, während Spritfresser stärker belastet werden. Entsprechende Modellrechnung zu einer CO2-Steuer hat der ADAC bereits vorgelegt, ihre Einführung gefordert.
Nicht nur der Bund sollte die Mittel für die CO2-Gebäudesanierung aufstocken, sondern auch das Land die Förderung der energetischen Altbausanierung wieder aufnehmen. Die Einführung des Gebäude-Energiepasses, die EU-weit zum 1. Januar 2006 erfolgt, muss vom Land mit geeigneten Maßnahmen gefördert und unterstützt werden. Es sind Initiativen mit dem Ziel zu ergreifen, nach dem Vorbild des Erneuerbare-Energien-Gesetzes ein Gesetz zur Förderung der Wärmeerzeugung auf Basis erneuerbarer Energien zu erarbeiten und zu beschließen.
Die Bindung des Gaspreises an den Ölpreis ist nicht nur ungerechtfertigt, sondern auch sozial ungerecht. Die Ankündigung der Gas-Konzerne die Preise zum Jahresanfang 2006 um 15% anzuheben, wird – wenn sie umgesetzt wird - zu einer deutlichen Steigerung der Mietnebenkosten führen und besonders sozial Schwache und Familien finanziell belasten. Deshalb ist es notwendig auf allen Ebenen, Bund und Länder, die Vorraussetzungen für fairen Wettbewerb auf den Energiemärkten zu verbessern und die Kopplung des Gaspreises an den Ölpreis abzuschaffen.
Die Dringlichkeit, bei der Energieversorgung endlich umzusteuern, hat in diesen Tagen vor dem Hintergrund der Hurrikan-Katastrophe in den USA auch Klaus Töpfer, der Leiter der Umweltbehörde der Vereinten Nationen, mit deutlichen Worten herausgestellt. Jetzt müssen auch in Niedersachsen Taten folgen.
Fraktionsvorsitzender