Antrag: Hormonstörende Stoffe gehören nicht ins Grundwasser – Endokrine Disruptoren erkennen, definieren und die Forschung stärken

Fraktion der SPD
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Endokrin aktive Substanzen (EAS) sind Stoffe, die auf die normale Hormonaktivität Einfluss nehmen oder sie stören können. Führt dies zu Beeinträchtigungen, werden sie als endokrine Disruptoren bezeichnet. Laut einem Bericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) werden diese Substanzen mit verschiedenen Krankheiten wie u.a. ADHS, Diabetes, Alzheimer oder Brustkrebs in Verbindung gebracht.

Die endokrine Wirkung ist klar abzugrenzen. Menschen und Tiere können auch z.B. durch die Ernährung einer Vielzahl von endokrin wirksamen Stoffen ausgesetzt sein. Diese können natürlich vorkommen (wie Phytoöstrogene in Soja) oder künstlich hergestellt worden sein. Darüber hinaus werden endokrin wirksame Substanzen aufgrund ihrer endokrin aktiven Eigenschaften gezielt in der Medizin eingesetzt (z.B. in Antibaby-Pillen oder Schilddrüsenhormon-Ersatzpräparaten).

Beispiele für endokrin aktive Substanzen, die mitunter in Lebens- und Futtermitteln nachgewiesen werden, umfassen einige Pestizide, Umweltschadstoffe wie Dioxine und PCB sowie eine Reihe von in Lebensmittelkontaktmaterialien enthaltene Substanzen wie Bisphenol A (BPA).

Die schädliche Wirkung endokriner Disruptoren beruht darauf, dass sie sich im Körper ähnlich wie Hormone verhalten bzw. körpereigene Stoffe blockieren und damit besonders in der Schwangerschaft gefährlich sind. Diese nicht-natürlichen Stoffe sind biologisch schwer abbaubar, reichern sich dadurch an und sind u.a. in Trinkwasser, Lebensmitteln und Blutproben nachweisbar.

Aktuell schlägt das Bundesinstitut für Risikoforschung (BfR), erweiterte EU-Kriterien zur Identifizierung endokriner Disruptoren vor. In diesem Zusammenhang hat die EU-Kommission Ende 2014 die Generaldirektion Gesundheit und Lebensmittelsicherheit beauftragt, Kriterien für die Identifizierung dieser Substanzen abschließend zu definieren, damit diese künftig im europäischen Pflanzenschutz- und Biozidrecht angewandt werden können. Eine Einteilung allein nach deren Wirkstärke („Potenz“) sei nach Ansicht des BfR jedoch nicht ausreichend, vielmehr müsse diese sich u.a. auch an der Reversibilität der gesundheitlichen Schäden orientieren.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen,

  • dass erweiterte EU-Kriterien von hormonell wirksamen Substanzen definiert werden, um so mögliche irreversible Schäden für Umwelt und Gesundheit auszuschließen.
  • dass eine EU-weite Regulierung von endokrinen Disruptoren in der Verordnung des europäischen Parlaments und des Rates zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH) initiiert wird.
  • dass die Forderung des EU-Parlaments nach dem Vorsorgeprinzip unterstützt wird. Es dürfen nicht erst Maßnahmen ergriffen werden, wenn der endgültige Beweis eines kausalen Zusammenhangs zwischen endokrinen Disruptoren und Krankheiten vorliege.
  • dass die EU-Forschungförderung in dem Bereich gestärkt wird, um Wirkmechanismen besser zu verstehen und um eine klarere Abgrenzung zwischen endokrinen Disruptoren und endokrin wirksamen Substanzen zu ziehen.

Begründung

Das Thema von endokrin wirksamen Stoffen wird aktuell auf der EU-Ebene diskutiert. Am 01. Juni 2015 hat in Brüssel eine EU-Konferenz stattgefunden um Kriterien zur Identifizierung von endokrinen Disruptoren zu benennen.

Das Land Niedersachsen kann dazu einen Beitrag leisten, indem sie die Bedenken aus der Wissenschaft teilt, die Forschung fördert und den Prozess um die Regulierung und Identifizierung  gesundheitsgefährdender Stoffe begleitet und forciert.

Produkte, die als Gefahrenquelle für Mensch und Umwelt erkannt werden, müssen vom Markt genommen werden. Dabei ist der Diskurs über chemische Substanzen in Produkten und deren Auswirkungen auf den Menschen nicht neu. So ist seit dem 01. März 2011 Bisphenol A in Babyflaschen EU-weit verboten.

Auch die Nachweisbarkeit endokriner Disruptoren auf die Umwelt muss bei der Auseinander-setzung um die Identifizierung eine Rolle spielen. So haben in der EU die Flüsse, Bäche und Gewässer nach dem Inkrafttreten der EU-Wasserrahmenrichtlinie im Jahr 2015 in einem chemisch guten Zustand zu sein. Der aktuelle Bericht des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- Naturschutz (NLWKN) über Wirkstoffe und Metaboliten im Grundwasser geht jedoch davon aus, dass viele Grundwasserkörper nicht in dem von der EU-geforderten Zustand sind. Gründe dafür sind u.a. die hohe Nitratbelastung, aber auch der übermäßige Einsatz von Pestiziden, Antibiotika, aber auch hormonell wirkendende Substanzen, die nicht durch die Kläranlagen gefiltert werden können.

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