Antrag: Härtefallkommission beibehalten und nach humanitären Grundsätzen umgestalten

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Landtag stellt fest:

  • Das bundesgesetzlich eingeführte Instrument der Härtefallkommission hat sich grundsätzlich bewährt. Ziel ist es, die weit verbreiteten Kettenduldungen zu vermeiden und aus dringenden humanitären oder persönlichen Gründen Aufenthaltserlaubnisse zu erteilen.
  • Die in Niedersachsen geltenden restriktiven Zugangsvoraussetzungen schließen eine viel zu große Zahl von Menschen von der Befassung ihres Falls durch die Härtfallkommission aus.
  • Die gegenwärtigen Regelungen der Niedersächsischen Härtefallkommissionsverordnung und auch der Entwurf der Landesregierung zur Änderung der Verordnung sind ungeeignet, um die humanitären Ziele der Härtefallregelung im Aufenthaltsgesetz zu erreichen. Die diesbezüglichen wichtigen Vorschläge der Kirchen und Verbände wurden bisher nur unzureichend aufgenommen.

Die Landesregierung wird beauftragt,

  • umgehend eine Bundesratsinitiative zu starten mit dem Ziel, die bundesgesetzliche Grundlage für die Härtefallkommission dahingehend zu ändern, dass die bislang geltende Befristung auf den 31.12.2009 ersatzlos aufgehoben wird, so dass die Härtefallkommissionen in den Ländern zu dauerhaften Einrichtungen werden können,
  • umgehend den Entwurf einer Verordnung vorzulegen, die humanitären Grundsätzen gerecht wird. Dabei ist nachzubessern, dass,
  1. die Kommission mit einfacher Mehrheit der anwesenden Mitglieder entscheidet,

  2. alle Elemente von Sippenhaft aus der Verordnung getilgt werden,

  3. ein bereits feststehender Abschiebetermin oder verhängte Abschiebehaft nicht die Befassung der Kommission mit einer Eingabe ausschließen,

  4.  eine Härtefalleingabe nicht von vornherein durch vorhergehende asyl- oder ausländerrechtliche Entscheidungen ausgeschlossen ist,

  5.  die eigenständige Sicherung des Lebensunterhalts nicht als Voraussetzung für ein Härtefallersuchen gefordert wird, insbesondere dann, wenn keine Arbeitsgenehmigung erteilt ist oder wegen gesundheitlicher Gründe, Alter, Behinderung, alleiniger Erziehung oder Schwangerschaft ohnehin keine Arbeitsaufnahme möglich ist,

  6. die Kommission um ein weiteres Mitglied auf Vorschlag des Flüchtlingsrats Niedersachsen ergänzt wird,

  7. die Integrationsbeauftragte des Landes Niedersachsen als beratendes Mitglied in die Kommission aufgenommen wird,

  8. aufenthaltsbeendende Maßnahmen bereits zurückgestellt werden, sobald eine Eingabe an ein Kommissionsmitglied herangetragen wurde.

Begründung

Das Zuwanderungsgesetz eröffnet den Ländern die Möglichkeit, durch Rechtsverordnung die Einrichtung von Härtefallkommissionen und deren Verfahren zu regeln, enthält jedoch auch eine diesbezügliche Befristung auf den 31.12.2009. Da sich die Kommissionen in den Bundesländern grundsätzlich bewährt haben und sich ein dringender Bedarf für humanitäre Entscheidungen durch Härtefallkommissionen manifestiert hat, muss die Befristung im Zuwanderungsgesetz aufgehoben werden, damit die Kommissionen ihre Arbeit unbefristet fortsetzen können.

Niedersachsen hat auf Druck der Opposition sowie der Kirchen und Verbände als letztes Bundesland eine Härtefallkommission eingerichtet. Im ersten Jahr ihres Bestehens bis September 2007 sind 104 Eingaben an sie gerichtet worden. Davon wurden nur 8,6% zur Beratung angenommen und lediglich 4,8%, von der Kommission positiv entschieden und mit einem entsprechenden Härtefallersuchen an den Innenminister weitergeleitet. Andere Bundesländer können weitaus höhere Quoten vorweisen. So liegen 11 Länder mit ihren Annahmequoten zur Beratung über 40 %, fünf sogar über 60%. Die restriktiven niedersächsischen Regelungen der "Nichtannahmegründe", nach denen eine Eingabe gar nicht erst zur Beratung durch die Kommission akzeptiert wird, und der "Regelausschlussgründe" führen zu diesen schlechten Ergebnissen und sind auf starke Kritik der Kommissionsmitglieder gestoßen. Aufgrund des geringen Handlungsspielraums haben die Kommissionsmitglieder der Wohlfahrtspflege die Arbeit aufgekündigt und wie die Vertretungen der beiden Kirchen gefordert, die Verordnung zu ändern. Daraus müssen Schlüsse gezogen werden, die in eine Umgestaltung der Verordnung nach humanitären Grundsätzen münden und die wertvollen Hinweise seitens der Kirchen und Verbände berücksichtigen müssen. Das bislang sehr starre und restriktive Härtefallverfahren ist zu entschärfen und Aspekte wie Menschenwürde und Humanität sind mehr in den Vordergrund des Verfahrens zu stellen. Der vorliegende Entwurf zur Änderung der Verordnung wird diesen Erfordernissen bei Weitem nicht gerecht. Die Kommission kann ihrem humanitären Auftrag jedoch nur dann gerecht werden, wenn akzeptable Rahmenbedingungen geschaffen werden. Zudem muss durch häufigere Sitzungsfolge eine effektive Bearbeitung der Eingaben durch die Kommission sicher gestellt werden. In diesem Jahr haben lediglich zwei Sitzungen stattgefunden, so dass eine zeitnahe Entscheidung der Eingaben nicht gewährleistet war. Die Vorprüfung darf sich zudem ausdrücklich nur auf formale Kriterien beziehen. Die Entscheidung über andere Aspekte muss den Kommissionsmitgliedern vorbehalten sein.

Ein praktisches Problem stellt die für ein Härtefallersuchen erforderliche Mehrheit von sechs der acht Stimmen (3/4-Mehrheit) in der Kommission dar. Hier ist eine Absenkung auf eine einfache Mehrheit der anwesenden Mitglieder, wie sie in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein vorgesehen ist, angemessen und erforderlich. Die im Änderungsentwurf vorgesehene 2/3-Mehrheit bringt in der Praxis keine signifikante Besserung.

Sippenhaftregelungen sind aus keiner anderen Härtefallkommissionsverordnung der Bundesländer bekannt. Ein bei einem einzelnen Familienmitglied vorliegender Ausschlussgrund rechtfertigt in keiner Weise den Ausschluss weiterer Familienmitglieder vom Härtefallverfahren, da die Ausschlussgründe sehr individuell begründet sein können und eine Verallgemeinerung den Betroffenen nicht gerecht würde. Dementsprechend ist der Entwurf hinsichtlich dieses Punktes nicht ausreichend, da er die sippenhaftähnlichen Regelungen lediglich von den Nichtannahmegründen zu den Regelausschlussgründen verlagert.

Der Nichtannahmegrund des bereits feststehenden Abschiebungstermins und der angeordneten Abschiebungshaft ist zu streichen, da ein humanitärer Härtefall unabhängig vom Zeitpunkt der Antragstellung bestehen kann.

Auch die Regelung, dass eine Eingabe nicht zur Beratung anzunehmen ist, wenn ausschließlich Gründe vorgebracht werden, die durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu prüfen sind, ist zu streichen. Denn mit den Härtefalleingaben werden in der Regel auch immer nichtzielstaatsbezogene Gründe geltend gemacht, die gewürdigt werden müssen. Es ist zu beachten, dass nach § 23a AufenthG gerade bei einer Härtefallentscheidung von den allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels abgewichen werden darf. Eine Härtefalleingabe darf deshalb nicht von vornherein durch vorhergehende asyl- oder ausländerrechtliche Entscheidungen ausgeschlossen sein.

Die Regelung zur eigenständigen Sicherung des Lebensunterhalts ist zu streichen, da hierdurch gerade sozial schwache Personen, die eine humanitäre Entscheidung besonders benötigen, ausgegrenzt werden. Es läuft dem humanitären Zweck des Härtefallverfahrens entgegen, insbesondere allein erziehende Müttern, kinderreiche Familien, Kranke, Behinderte und Alte auszuschließen. Durch die häufig offensichtliche schwierige Lebenssituation oder durch Verweigerung oder Entzug von Arbeitserlaubnissen ist den Betroffenen vielfach der Weg zu einer eigenständigen Sicherung des Lebensunterhalts abgeschnitten. Ein positives Votum darf hier nicht an der Kostenfrage scheitern.

Praktische Erfahrungen in der Migrations- und Flüchtlingsberatung oder Flüchtlingsbetreuung sind für eine ausgewogene Entscheidung der Kommission essentiell. Deshalb muss dem Flüchtlingsrat Niedersachsen als führender Flüchtlingsorganisation in Niedersachsen das Vorschlagsrecht für ein weiteres Kommissionsmitglied eingeräumt werden. In den meisten Bundesländern ist eine entsprechende Vertretung von Flüchtlingsräten oder vergleichbarer Organisationen vorgesehen.

Die Integrationsbeauftragte des Landes Niedersachsen muss in der Härtefallkommission vertreten sein, um die erforderliche Würdigung von Integrationsleistungen Betroffener sicher zu stellen und bei den Entscheidungen zu berücksichtigen. Oft stammen die Eingaben von längjährig geduldeten Personen, die faktische Inländer sind. Die Integrationsbeauftragte kann solche Sachverhalte fachlich versiert beurteilen und als beratendes Mitglied der Kommission entsprechende Hinweise zur Beurteilung geben.

Der Abschiebungsschutz muss früher greifen und aufenthaltsbeendende Maßnahmen müssen bereits zurückgestellt werden, sobald eine Eingabe an ein Kommissionsmitglied herangetragen wurde.

Stefan Wenzel

Fraktionsvorsitzender

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