Antrag: Gute Personalausstattung im niedersächsischen Justizvollzug sicherstellen – belastbares Personalbemessungssystem entwickeln und umsetzen

Fraktion der SPD
Fraktion Bündnis 90/Grünen

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

In § 5 Niedersächsisches Justizvollzugsgesetz werden zwei Ziele des Vollzuges wie folgt wiedergegeben: „Im Vollzug der Freiheitsstrafe sollen die Gefangenen fähig werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen. Zugleich dient der Vollzug der Freiheitsstrafe dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten.“ Diese beiden Ziele des Strafvollzuges im Rahmen der Vollzugsgestaltung zu vereinen, ist eine Herausforderung, der sich Niedersachsen seit vielen Jahren erfolgreich stellt. Gleichwohl steht der Justizvollzug vor zahlreichen Herausforderungen, die mit einer Erhöhung der Arbeitsbelastung für die im Justizvollzug Beschäftigten einhergehen.

Neben zunehmenden Gefangenenzahlen ist in den letzten Jahren ein kontinuierlicher Anstieg psychischer Auffälligkeiten bei Gefangenen festzustellen. Hinzu kommt ein weiterhin hoher Anteil von suchtmittelabhängigen Gefangenen, der einhergeht mit dem Einbringen neuer psychogener Drogen, etwa über die Eingangspost. Zudem belastet die Gefahr der Radikalisierung von Gefangenen den Justizvollzug. Hier muss durch Radikalisierungsprävention entgegengewirkt werden. Im Hinblick darauf, dass im Strafvollzug Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen zusammenkommen, bedarf es interkultureller Kompetenz, insbesondere auch im Hinblick auf Resozialisierung und Integration.

Diese Veränderungen und Herausforderungen wirken sich unmittelbar oder mittelbar auf wesentliche Aspekte der Personalgewinnung und -entwicklung in sämtlichen Laufbahnen des Justizvollzugs aus. Im Hinblick auf die gegebenen Rahmenbedingungen und auf veränderte Anforderungen an den Justizvollzug ist zu prüfen, unter welchen Voraussetzungen auch künftig ein leistungsfähiger Justizvollzug in Niedersachsen sichergestellt werden kann, der die Ziele der Resozialisierung und des Schutzes der Allgemeinheit erreicht. Der erforderliche Personalbedarf ist zu ermitteln. Dabei sollen die jeweiligen Räumlichkeiten der Haftanstalten und die damit einhergehenden verschiedenen Arbeitsabläufe in den Blick genommen werden, um einen zeitgemäßen und passgenauen Personalschlüssel zu errechnen.

Auf dieser Grundlage soll dann eine Anwerbestrategie erarbeitet werden, die eine auskömmliche Personalausstattung im niedersächsischen Justizvollzug sicherstellt.

Vor diesem Hintergrund bittet der Landtag die Landesregierung,

den Personalbedarf der niedersächsischen Justizvollzugsanstalten im Wege einer externen Organisationsuntersuchung individuell in Bezug auf ihre Haftarten, die örtlichen Gegebenheiten jeder einzelnen Haftanstalt sowie ihre Größe zu bemessen und darauf aufbauend ein Personalbemessungssystem einzuführen.

Begründung

Die hoch anspruchsvolle Arbeit in den Justizvollzugsanstalten muss als solche gewürdigt werden. Sie erfordert Durchsetzungsfähigkeit und ein hohes Maß an Toleranz und Empathie im Umgang mit Menschen. Durch die hohe Arbeitsbelastung in den Justizvollzugsanstalten wird die Arbeit der Justizvollzugsbediensteten mit den Gefangenen deutlich erschwert. Daher bitten wir die Landesregierung, den tatsächlichen Personalbedarf durch ein unabhängiges Personalbemessungssystem zu ermitteln, das die Herausforderungen an einen modernen Justizvollzug und die Anforderungen in den einzelnen Justizvollzugsanstalten in den Blick nimmt.

Eine pauschalisierte Beurteilung des Personalbedarfs allein auf Grundlage der Anzahl der Haftplätze in der jeweiligen Justizvollzugsanstalt spiegelt nicht die tatsächliche Situation wider. Vielmehr müssen zusätzlich zu den Haftplätzen die individuellen räumlichen und organisatorischen Besonderheiten der einzelnen Anstalten berücksichtigt werden.

Der konkrete Bedarf ist abhängig von der Größe der Anstalt, der Haftarten und der individuellen Arbeitsabläufe in den Anstalten, etwa von den zurückzulegenden Wegen, die sich aus der räumlichen Situation der jeweiligen Justizvollzugsanstalt ergeben.

Ziel der Organisationsuntersuchung ist es, den Personalbedarf zu ermitteln, der den besonderen Gegebenheiten in der jeweiligen Justizvollzugsanstalt entspricht und auch gerecht wird. Der spezifische Bedarf der jeweiligen Anstalt soll im Rahmen der Personalermittlung einzeln abgebildet und nachvollziehbar dargestellt werden. In die Durchführung der Personalbedarfsanalyse sollen dabei das gesamte Personal der Justizvollzugsanstalten mit einbezogen werden und die Personalvertretungen sowie die Anstaltsleitungen beteiligt werden.

Eine solche Analyse bildet die Grundlage für eine angemessene Personalausstattung im niedersächsischen Justizvollzugssystem. Die Organisationsuntersuchung und die daraus abzuleitende Personalbemessung sollen durch einen externen und unabhängigen Dienstleister durchgeführt werden.

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