Antrag: Gleichstellungspolitik strategisch denken und wirksam umsetzen – Für eine zukunftsfähige Neuauflage des NGG

Fraktion der SPD
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Die Niedersächsische Gleichberechtigungsgesetzgebung ist vor über 20 Jahren mit großem Engagement von der damaligen Rot-Grünen Landesregierung initiiert worden. Gleichstellungsbeauftragte, damals noch Frauenbeauftragte, wurden mit dem Ziel eingestellt, nachhaltige Impulse für die Gleichstellung von Männern und Frauen im öffentlichen Dienst zu setzen. Das Gesetz ist ein wichtiges Instrument, die Gleichstellung von Frauen auf allen Ebenen der öffentlichen Verwaltung zu erreichen.

Unter der letzten Landesregierung wurde die Arbeit der Gleichstellungsbeauftragten sowohl in den Landesbehörden als auch in den Kommunen deutlich geschwächt und entwertet. Stellen wurden reduziert, Gleichstellungsbeauftragte sind vielerorts lediglich im Ehrenamt tätig.

Die im Rahmen der letzten Novelle erfolgte Schwerpunktsetzung auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Frauen hat dazu beigetragen, tradierte Geschlechter- und Rollenstereotype festzuschreiben: eine Beurlaubung aus familiären Gründen wird überproportional häufig von Frauen in Anspruch genommen, im Vergleich mit männlichen Beschäftigten gehen Frauen überdurchschnittlich oft einer Teilzeitarbeit nach. Heute und in Zukunft muss es allerdings darum gehen, eine moderne Gleichstellungspolitik mit Blick auf gesellschaftlich veränderte Bedingungen und neue Erfordernisse an den Arbeitsmarkt anzupassen.

Durchgängiges Leitprinzip für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern bei allen Planungsvorhaben, Verwaltungsaufgaben und Zusammenarbeit der Dienststellen ist der bereits in der Verfassung festgelegte Gleichstellungsauftrag des Grundgesetzes. Dieser ist nicht allein Aufgabe der Gleichstellungsbeauftragten, sondern gemeinsamer Handlungsauftrag aller in den Verwaltungen Verantwortlichen und muss dem Prinzip Gender Mainstreaming zufolge als Top-Down-Instrument eingesetzt werden. Alle Beschäftigten, insbesondere diejenigen mit Vorgesetzten- und Leitungsaufgaben, sind verpflichtet, die Gleichstellung von Frauen und Männern zu fördern.

Gesellschaftlicher Fortschritt und Gleichstellung gehören zusammen. Unsere Leitlinie für ein zukunftsorientiertes Niedersachsen ist ein gleichberechtigtes und partnerschaftliches Miteinander von Männern und Frauen. Deswegen fordert der Landtag die Landesregierung auf, das Niedersächsische Gleichberechtigungsgesetz unter Berücksichtigung insbesondere folgender Punkte zu novellieren:

  1. Ziel des NGG ist die Verwirklichung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern als eine ständige Aufgabe des Landes, der Gemeinden und Landkreise. Da auch der öffentliche Dienst einen in puncto Gleichstellung offensichtlichen Nachholbedarf hat, wird die zielgerichtete Förderung von Frauen neues zentrales Element. Gleichberechtigung umfasst vor allem die geschlechterparitätische Besetzung aller Führungsfunktionen, die sichtbare Prägung des Verwaltungshandelns durch Frauen und Männer gleichermaßen und die Umsetzung einer geschlechtergerechten Aufgabenwahrnehmung.
  2. Das NGG wird mit Hilfe verbindlicher Gleichstellungspläne auf eine festzusetzende 50%-Quote ausgerichtet. 
  3. Um die Quote zu erreichen und Gleichstellung zu verwirklichen, bedarf es unter Einsatz von sowohl unterstützenden als auch Sanktionsmaßnahmen der konsequenten Steuerung und Kontrolle von Personalentwicklung und geplanten Veränderungen. Das Nichterreichen von Zielen ist seitens der Verwaltungsleitung zu begründen.
  4. Gleichstellungspolitik ist Aufgabe aller Ressorts, Behörden und Dienststellen. Sie darf nicht ausschließlich an das für Gleichstellung zuständige Landesministerium und die Gleichstellungsbeauftragten delegiert werden.
  5. Gleichstellungspolitik unterliegt wie alle anderen Politikfelder der Rechts- bzw. Fachaufsicht, die im Bedarfsfall jeweils regulierend eingreifen können.
  6. Der Anwendungsbereich des NGG ist auf selbständige Betriebe der öffentlichen Hand und kommunale Eigenbetriebe auszudehnen.
  7. Die Gleichstellungsbeauftragten erhalten bei Verletzung ihrer Rechte eine Klagebefugnis.
  8. In allen Bereichen, in denen Frauen unterrepräsentiert sind, sind Stellen auszuschreiben. Die Ausschreibung muss grundsätzlich öffentlich erfolgen. Bei allen höhengleichen Umsetzungen oder Versetzungen innerhalb eines Ressorts kann von einer Ausschreibung abgesehen werden. Bei ressortübergreifenden höhengleichen Versetzungen kann nur im Einvernehmen mit der Gleichstellungsbeauftragten von einer Ausschreibung abgesehen werden. Auf eine öffentlichen Ausschreibung kann z. B. verzichtet werden, wenn ausreichend geeignete Bewerberinnen innerhalb der Dienststelle vorhanden sind.
  9. Das Gesetz muss eine Regelung für geschlechtergerechte Beurteilungen enthalten. In diesem Zusammenhang sind regelmäßige statistische Analysen der Regelbeurteilungen mit Blick auf Geschlecht und Beschäftigungsumfang vorzusehen.
  10. Die Aus- und Fortbildung von Fach- und Führungskräften erfolgt unter besonderer Berücksichtigung gleichstellungspolitischer Belange und dem Auftrag, sexueller Belästigung am Arbeitsplatz entgegenzuwirken. 
  11. Mit Blick auf die Frauenquote sind Teilzeitbeschäftigte bei der Besetzung von Vollzeitstellen vorrangig zu berücksichtigen, sofern der Wechsel von einer Teilzeit- auf eine Vollzeitstelle angestrebt wird.
  12. Aus familiären Gründen beurlaubten Beschäftigten ist die Verbindung zum Beruf zu ermöglichen und der berufliche Wiedereinstieg zu erleichtern. Dazu gehören ebenso das Angebot von Urlaubs- und Krankheitsvertretungen, die rechtzeitige Information über Fortbildungsprogramme und das Angebot zur Teilnahme an Fortbildungsmaßnahmen während oder nach der Beurlaubung.
  13. Die Rolle, Aufgaben und Zuständigkeiten von Gleichstellungsbeauftragten müssen sich am veränderten Verständnis von Gleichstellungspolitik ausrichten, so dass über Struktur, Stellung und Rechte der Gleichstellungsbeauftragten neu zu befinden ist.

Begründung

In Verwaltungen, Dienststellen und Unternehmen mit kommunaler Beteiligung umfasst eine gut vernetzte Gleichstellungspolitik den vornehmlichen Handlungsauftrag die besondere Förderung von Frauen in den Mittelpunkt zu stellen. Dieser reicht von der strategischen Planung mittels festgeschriebener Zielvereinbarungen über die möglichst paritätische Zusammensetzung von Dienststellen bis hin zum Controlling ins Personalmanagement hinein. Bei der gezielten Weiterentwicklung von Organisationskultur, Arbeitsorganisation und Fachaufgaben handelt es sich um anspruchsvolle, teilweise neue Aufgaben, die hohe fachliche und systemische Kompetenzen voraussetzen, die insbesondere dann erfolgversprechend eingesetzt werden können, wenn entsprechende Qualifizierungsmodule vorgesehen sind. 

Die Organisation von Fachaufgaben ist unter Berücksichtigung von Genderaspekten mithilfe des jeweiligen Gleichstellungsplans festzuschreiben.

Zum Erreichen der 50%-Quote können dienststellen-, ebenen- und bereichsbezogene Zwischenzielquoten vereinbart werden, die dem Ziel der durchgängig geschlechterparitätischen Besetzung von Dienstposten nicht zuwiderlaufen dürfen.

Genderaspekte sind standardisierter Bestandteil von Auswahlverfahren und fest in die Fach- und Führungskräfteentwicklung implementiert. Gleichstellungsbeauftragte müssen bei der Erstellung von Bewertungskriterien und operativen Konzepten mitwirken und sind unverzichtbare Begleiterinnen von Veränderungsprozessen. Die Gleichstellungsbeauftragten des Landes und seiner Einrichtungen erhalten bei Verletzung ihrer Mitwirkungsrechte eine Klagemöglichkeit.

Voraussetzung für eine geschlechtergerechte Besetzung von Stellen ist, dass motivierte Mitarbeiterinnen überhaupt Kenntnis von den offenen Stellen erhalten, die Möglichkeit haben, sich zu bewerben und so die Personalentwicklung von Frauen gefördert wird. Deswegen muss die öffentliche Ausschreibung die Regel sein.

Derzeit ist die Organisationskultur von Verwaltungen dem männlichen Rollenverständnis entsprechend geprägt. In Bereichen deutlicher Unterrepräsentanz von Frauen muss diesem Umstand zielgerichtet entgegengewirkt werden, um Veränderungen zu erzielen: Arbeitsorganisation und -prozesse müssen Genderaspekten zufolge ausgerichtet und analysiert werden, Arbeitszuschreibungen und -abläufe sind weiterzuentwickeln, um mehr zeitliche Flexibilität auch durch andere Arbeitsformen zu ermöglichen. Arbeitsbedingungen sind so zu gestalten, dass Erwerbstätigkeit mit der gleichzeitigen Übernahme von Familienaufgaben vereinbar ist.

Die bisherige operative Bilanz ist Aufgabe und Auftrag zugleich, das NGG mit der Zielsetzung, die faktische Gleichstellung von Frauen zu erlangen, zu  optimieren.

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