Antrag: Glasindustrie in der Zukunftsregion Weserbergland+ fördern – die energieintensive Industrie auf dem Weg zur Klimaneutralität unterstützen
Fraktion der SPD
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Der Landtag wolle beschließen:
Entschließung
Die Geschichte der Glasindustrie in Niedersachsen und besonders im Weserbergland reicht bis ins 9. Jahrhundert zurück. Durch die Verfügbarkeit der für die Produktion notwendigen Rohstoffe, wie Quarz und Holz hat sich in den mehr als 1.000 Jahren eine starke Industrie ausgebildet, die sich immer wieder den aktuellen Rahmenbedingungen angepasst hat. Dies ist ein Beispiel für eine Region mit einem starken Industriezweig, der momentan unter besonderem Druck steht.
Aktuell steht diese Industrie auch bundesweit vor großen Herausforderungen. Die starken Steigerungen bei den Energiekosten sowie die drohende Gasmangellage hat insbesondere die energieintensive Industrie in den vergangenen zwei Jahren vor große Herausforderungen gestellt. Hinzu kommen die Veränderungen, die mit der Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaft einhergehen.
Der Landtag begrüßt daher die Verstärkung der Klimaschutz- und Energieagentur (KEAN) bei der Beratung und Unterstützung der Wirtschaft hin zur Klimaneutralität.
Wettbewerbsfähige Stromkosten, investitionsfördernde Rahmenbedingungen, eine Reform der Netz-entgelte sowie die Strom- und Wasserstoffinfrastruktur insgesamt, sind daher für energieintensive Branchen wichtige Themen. Nur durch zukunftsorientierte Lösungen zu diesen Themen können sich die Unternehmen vor Ort positiv entwickeln und die Arbeitsplätze in der Region erhalten werden.
Vor diesem Hintergrund bittet der Landtag die Landesregierung,
- sich bei der Bundesnetzagentur für eine Weiterentwicklung der individuellen Netzentgelte-Regelung (§19, Abs 2 Satz 2 StromNEV) einzusetzen, mit der niedersächsische Industrieunternehmen wie die Glasindustrie auf dem Weg zu einer Erneuerbare Energien-basierten Stromversorgung mit geringeren Stromkosten gezielt unterstützt werden,
- sich auf Bundes- und EU-Ebene für eine Aufnahme der Glasindustrie auf die EU-Strompreiskompensationsliste einzusetzen,
- sich für einen Anschluss der Glasindustrie in der Zukunftsregion Weserbergland+ an das Wasserstoffnetz (H2-Netz) einzusetzen, um die Zukunftsfähigkeit der Industrie in dieser Region sicherzustellen und sich alternativ für eine Versorgung der Glasindustrie mit Wasserstoff durch lokale Erzeugung einzusetzen,
- sich für eine weitere Senkung der Netzentgelte insbesondere in Regionen mit vielen Erneuerbaren Energien einzusetzen und „Nutzen statt Abregeln“ durch die Industrie besonders zu fördern,
- die Eigenstromversorgung der Glas- und Chemieindustrie durch Erneuerbare Energien voranzutreiben,
- die Nutzung Erneuerbarer Wärme sowie Energiespartechnologien in der Glas- und Chemieindustrie zu unterstützen,
- die Nutzung der Abwärme der Glas- und Chemieindustrie in die kommunale Wärmeplanung zu integrieren,
Begründung
Mit deutlich mehr als 2.000 Beschäftigten ist die Glasindustrie ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für die Zukunftsregion Weserbergland+. Von Lauenförde, an der Grenze zu Nordrhein-Westfalen, bis nach Nienburg (Weser) haben sich zahlreiche Firmen niedergelassen, die Gebrauchsglas, vor allem Verpackungen für Getränke, Lebensmittel oder für die Pharmazie herstellen. Damit ist die Glasindustrie auch ein bedeutender Arbeitgeber im industriellen Sektor in der Region.
Glasprodukte sind aufgrund der Nachhaltigkeit des Materials und angesichts der aktuellen öffentlichen Diskussionen um Kunststoffverpackungen im weltweiten Aufschwung. Eine langfristig starke, international wettbewerbsfähige Glasindustrie am Standort Deutschland ist für die Zukunft des Landes von großer Bedeutung.
Durch die gestiegenen Strompreise kommt die heimische Industrie immer stärker unter Wettbewerbsdruck. Um die Strompreise wieder zu senken, ist der Ausbau von Erneuerbaren Energien erforderlich. Die zahlreichen Bemühungen von Kommunen, Land, Bund und privaten Investoren sind in diesem Zusammenhang ausdrücklich zu begrüßen.
Auch die Unternehmen der Glasindustrie haben sich bereits auf den Weg gemacht und stellen ihre Energieversorgung Stück für Stück um. Dabei hat die Bedeutung des fossilen Energieträgers Gas bereits abgenommen und wird dies auch weiter tun. Viele Akteur*innen am Markt wollen ihre Produktion entsprechend anpassen und grünen Strom und Wasserstoff als Energieträger einsetzen.
Ein positives Beispiel ist die vom Bund geförderte neue Schmelzwanne der Firma Ardagh Glass Packaging am Standort Obernkirchen. Diese wird mit modernster Hybrid-Technologie betrieben und kann mit bis zu 80 % aus Strom aus erneuerbaren Energien betrieben werden.
Um diesen Prozess in der gesamten Branche weiter zu forcieren, ist es erforderlich, dass die Zukunftsregion Weserbergland+ an das Wasserstoffkernnetz angeschlossen wird. Ein Anschluss an das Kernnetz wäre wichtig, um die energieintensiven Unternehmen in der Region zu halten und ihnen eine Perspektive zu geben. Dies trifft ebenso auf weitere Landkreise in Südniedersachsen zu, die sich in dieser Sache bereits an die Bundesnetzagentur gewandt haben.
Neben dem Ausbau der Erneuerbaren Energien ist es darüber hinaus erforderlich, dass Unternehmen energieintensiver Branchen wie der Glasindustrie den Strom auch zu einem wettbewerbsfähigen Strompreis abnehmen können. Vor diesem Hintergrund sollte sich die Landes- und Bundesregierung dafür einsetzen, dass die Glasindustrie als energieintensive Branche auf die EU-Strompreiskompensationsliste genommen wird.
Ebenso ist eine Reform der individuellen Netzentgelte dringend geboten. Durch die aktuelle Regelung werden Betriebe benachteiligt, die ihren externen Strombezug durch den Ausbau von erneuerbaren Energien auf dem Betriebsgelände deutlich reduzieren können.
Wenn die Energiewende mit Erhalt einer starken Industrie gelingen soll, muss dieser Mechanismus bei den Netzentgelten aufgelöst werden.