Antrag: Gigaliner sind Megaunsinn: Niedersachsen muss Feldversuch stoppen

 

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  1. den Feldversuch mit den so genannten Gigalinern in Niedersachsen umgehend einzustellen,
  2. die bisherige Position der Landesregierung zu revidieren und sich klar gegen den Einsatz der Gigaliner in Deutschland einzusetzen und
  3. den Ausbau des Gütertransportes über Schiene und Wasserwege stärker zu unterstützen.

Begründung

Zu Zeit erprobt die Landesregierung in Niedersachsen den Einsatz so genannter Gigaliner. Darunter zu verstehen sind Lastzüge, die bis zu 25,25 Meter lang sind. In Niedersachsen ist deren Gewicht für den Feldversuch bisher auf 40 Tonnen begrenzt. Allerdings sind Gigaliner ausgelegt für ein Gewicht bis zu 60 Tonnen, das Spediteure später in der flächendeckenden Praxis sicherlich auch ausschöpfen werden. Der Versuch der Landesregierung endet laut Planung im Juli 2007.

Umfragen, Studien und Verbände warnen vor den finanziellen Folgen und den Gefahren einer flächendeckenden Genehmigung für die modularen Fahrzeugkombinationen. Zuletzt verweist die Studie der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), die in Teilen wegen einer parlamentarischen Anfrage der FDP-Fraktion im Bundestag (DS 16/3901) vor ihrer eigentlichen Veröffentlichung bekannt wurde, unter anderem darauf, dass Straßen, Brücken, Rastplätze, Tunnel und Rückhaltesysteme wie beispielsweise Leitplanken für den Einsatz der Gigaliner nicht ausreichend ausgelegt sind und angepasst werden müssten, wenn nicht eklatante Sicherheitslücken entstehen sollen. Laut BASt sei die flächendeckende Umgestaltung des Verkehrsnetzes jedoch wirtschaftlich nicht vertretbar.  Außerdem heißt es in der Studie, dass Unfälle mit Gigalinern gravierender seien als Unfälle mit herkömmlichen Lastwagen.

Bislang sind in Deutschland Lastzüge bis zu 18,75 Metern und bis zu 40 Tonnen zugelassen. Allerdings wird nach Berichten von Branchenkennern schon heute beim Transport durch herkömmliche Lastwagen die Gewichtsbegrenzung von 40 Tonnen immer wieder überschritten. Es ist deshalb auch nicht anzunehmen, dass sich die Spediteure bei Gigalinern, die über eine größere Ladefläche als die bisherigen Lastwagen verfügen, an eine begrenzende Vorgabe von 40 Tonnen bei vorhandenen größeren Kapazitäten halten würden.

Die Erweiterungen in Länge und Gewicht bringen gravierende Probleme mit sich und bergen nicht abzusehende Gefahren. 60-Tonnen schwere Lastzüge verfügen über ein 1,5-faches Energiepotenzial, das für entsprechend längere Bremswege sorgt. Außerdem potenziert sich im Vergleich zum herkömmlichen LKW die Wucht, mit der ein Gigaliner auf beispielsweise Leitplanken und im Stau stehende PKWs prallt. Schon heute ist bei jedem fünften tödlichen Unfall in Deutschland ein LKW beteiligt. Es wird bezweifelt, dass Sonderschulungen für Fahrer der Gigaliner und höherwertige Bremssysteme verhindern, dass Sach- und Personenschäden zunehmen werden.

Die Verkehrssicherheit ist zudem im Vergleich zu herkömmlichen Lastzügen stärker gefährdet, weil Gigaliner unter anderem längere Überholzeiten benötigen, die Taktzeiten an Ampeln ggf. für sie nicht ausreichen, Gigaliner die Sicht länger behindern und Fahrer von Gigalinern wegen eines größeren toten Winkels leichter andere Verkehrsteilnehmer übersehen.

Die Kosten für die Infrastruktur erhöhen sich stark. Rastplätze müssen angepasst und Tunnel sicherer gemacht werden. Durch die höhere Belastung müssen Straßen und Brücken nicht nur angepasst, sondern auch häufiger ausgebessert werden als bislang. Das verursacht Kosten, die Bund und Land nicht tragen können. Niedersachsen hat schon heute zu wenig Mittel, um sein Straßennetz erhalten zu können. Ein stärkerer Verfall niedersächsischer Straßen ist nicht akzeptabel.

Völlig ungeklärt ist die Frage, was passiert, wenn Gigaliner jenseits der Autobahnen fahren (müssen). Die BASt kommt in ihrer Studie zu dem Schluss, dass Gigaliner aufgrund ihrer Länge in Ortsbereichen häufig nicht ordnungsgemäß bzw. gar nicht fahren können, z.B. in kleinen Kreisverkehren. Der Einsatz in Städten käme daher nicht in Betracht. Und auch auf Bundesstraßen würde je nach Beschaffung der Straße nur fallweise eine Nutzung in Frage kommen. Spediteure selbst räumen ein, dass ihnen Gigaliner zu teuer seien, wenn sie die Güter beim Übergang von Autobahnen auf Landstraßen auf kleinere Lastwagen umladen müssten.

Die Bevölkerung selbst spricht sich in Umfragen gegen die 25 Meter langen Lastwagen aus. Laut einer Befragung durch den ADAC lehnten 75 Prozent den Einsatz von Gigalinern ab. Fast 90 Prozent befürchten danach, dass die Riesen-LKW die Straßen gefährlicher machen. So ist zum Beispiel damit zu rechnen, dass auch Gigaliner-Fahrer, ähnlich wie heute die Fahrer herkömmlicher Lastzüge, zum Teil übermüdet und überarbeitet sein werden. Ein dadurch ggf. außer Kontrolle geratener Gigaliner wird jedoch erheblich mehr Schaden anrichten als ein 40 Tonnen schwerer und 18 Meter langer LKW.

Ein Vergleich mit anderen europäischen Ländern wie Schweden, wo Gigaliner zugelassen sind, ist verfehlt. Schon jetzt ist Deutschland in der EU am stärksten durch den Lastwagenverkehr belastet. Durch den Einsatz von Gigalinern nimmt die Belastung eher noch zu als ab. Denn deren Einsatz konkurriert, so die Internationale Kombiverkehr-Vereinigung UIRR, mit dem kombinierten Güterverkehr, dem Transport von LKW-Anhängern und Containern auf der Schiene. Laut einer Studie der UIRR würde bis zur Hälfte der kombinierten Gleistransporte auf die Straße rückverlagert werden. Das wären 1,3 Millionen zusätzliche LKW-Fahrten.

Bis 2015 kann laut ADAC der LKW-Verkehr auf den Straßen bereits ohne den zusätzlichen Sog durch Gigaliner um ein Drittel zunehmen. Eine völlige Verstopfung der Straßen wäre die Folge.

Fraktionsvorsitzender

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