Antrag: Gentechnikrecht: Verbessern – nicht verwässern!

 

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Landtag lehnt die vom Bundeskabinett am 8. August 2007 beschlossenen Änderungsentwürfe zur Novellierung des geltenden Gentechnikrechtes entschieden ab.

Er verurteilt sie als eine massive Verschlechterung und als einen direkten Angriff auf  das Vorsorgeprinzip beim Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen (GVO). Diese Novellierungspläne dienen weder dem Schutz der Verbraucher noch der Umwelt und der gentechnikfreien Landwirtschaft. Stattdessen werden die Gentechnikindustrie und -forschung einseitig bevorteilt.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf, die vorgelegten Änderungsentwürfe des Gentechnikrechts im Bundesrat abzulehnen, insbesondere weil

  • die vorgesehenen Abstandsregelungen völlig unzureichend sind,
  •  die ermöglichte Umgehung gesetzlicher Haftungsregelungen durch private Nachbarschaftsvereinbarungen die gentechnikfreie Produktion gefährdet,
  • die vorgeschlagenen Vereinfachungen im Forschungsbereich das Risiko einer unkontrollierten Ausbreitung von GVO-Pflanzen erhöhen.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf, sich stattdessen dafür einzusetzen, dass

  • im Gentechnikrecht besondere Schutzmaßnahmen für die Imkerei festgelegt werden, die eine Kontamination von Honig und anderen Imkereiprodukten verhindern,
  • die gesetzliche Schadensersatzpflicht eintritt, sobald eine Verunreinigung mit GVO von mindestens 0,1 % nachweisbar ist,
  • die Kosten im Rahmen der Sicherstellung der "Koexistenz" (z.B. Reinigungs- und Untersuchungskosten) verursachergerecht von den Gentechnikanwendern getragen werden,
  • die Möglichkeiten verbessert werden, insbesondere tierische Lebensmittel, die "ohne Gentechnik" erzeugt wurden, als solche zu kennzeichnen,
  • der Anbau von gentechnisch verändertem Raps als nicht koexistenzfähig erklärt wird und deshalb auch künftig keine Zulassungen erteilt werden.

Begründung

Der als Kompromiss bezeichnete Novellierungsentwurf des Gentechnikrechts der Bundesregierung ist auf breite Kritik gestoßen:

Die vorgeschriebenen Abstände zwischen Feldern mit gentechnisch verändertem Mais (GVO-Mais) zu konventionell oder ökologisch bewirtschafteten Maisfeldern sind mit 150 und 300 Metern zu gering und völlig unzureichend, um Verunreinigungen mit GVO-Mais zu vermeiden. Die Abstände müssen deutlich erhöht werden und sich  mindestens an Regelungen anderer Länder wie z.B. Luxemburg orientieren, die 800 Meter Abstand festgelegt haben.

Der Gesetzentwurf bietet den Landwirten, die Gentechnik einsetzen wollen, Schlupflöcher und Ausnahmeregelungen um nichts gegen gentechnische Verunreinigungen tun zu müssen und um Haftungs- und Schadensersatzregelungen umgehen zu können. So sollen z.B. private schriftliche Vereinbarungen mit Nachbarn ermöglicht werden, um die vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Koexistenzmaßnamen zu unterlaufen. Dadurch können andere Nachbarn und weitere Wirtschaftsbeteiligte von Kontamination durch GVO bedroht sein. Die gesetzlich vorgeschriebenen Abstandsregelungen und die gesetzlichen Koexistenzmaßnahmen müssen verbindlich für alle gelten.

Die vorgeschlagenen Vereinfachungen für die Forschung mit gentechnisch veränderten Pflanzen bergen die Gefahr, dass Gentechnikpflanzen in Laboren und Gewächshäusern, oder sogar in schlecht gesicherten Institutsfeldern keiner Risikobewertung mehr unterliegen, nicht mehr überwacht und gekennzeichnet werden müssen. Damit ist der Ausbreitung von ungeprüften GVO-Pflanzen Tor und Tür geöffnet sowie der Verlust von Transparenz für Länderbehörden, die Öffentlichkeit und die gentechnikfreie Landwirtschaft verbunden. Alle gentechnisch veränderten Pflanzen müssen den Regelungen des Gentechnikgesetzes unterliegen.

Welche Folgen ein leichtfertiger Umgang mit Freisetzungen hat, zeigt die aktuelle Verunreinigung von Rapssaatgut der Deutschen Saatveredlung in Lippstadt. Es ist plausibel, dass frühere Freisetzungsversuche für die Kontamination verantwortlich sein können. Es beweist überdies, dass Koexistenz bei Raps nicht machbar ist.

Dringend notwendiger Handlungsbedarf, der sich aus den ersten Erfahrungen in der Praxis ergeben hat, bleibt dagegen unberücksichtigt:

Zu nennen ist da insbesondere die Situation in der Imkerei. Angesichts des Bienenflugs, der über mehrere Kilometer gehen kann, greifen alle diskutierten Abstandsregelungen nicht. Nachgewiesen ist, dass Bienen auch Maispollen sammeln. In den Gesetzesregelungen müssen deshalb besondere Schutzmaßnahmen für die Imkereiwirtschaft festgelegt werden, die eine Kontamination von Honig  und anderen Imkereiprodukten verhindern.

In den Entwürfen zur Novellierung fehlt die Regelung, dass alle Landwirte entschädigt werden, sobald eine Verunreinigung mit GVO von 0,1 Prozent in ihrer Ernte nachweisbar ist. Die Kennzeichnungsschwelle für zufällige und unvermeidbare Verunreinigungen von 0,9 %, die hier diskutiert wird,  kann in diesen Fällen kein Maßstab sein, da viele Verarbeiter und Abnehmer auf deutlich geringeren Werten bestehen.

Zudem muss klargestellt werden, dass die Kosten für die Maßnahmen zur Koexistenz, wie Reinigung gemeinsam genutzter Maschinen, Laboruntersuchungen auf Verunreinigungen etc. von den Anwendern der Gentechnik übernommen werden müssen. Das Verursacherprinzip muss gewahrt werden. Es ist nicht hinnehmbar, dass gentechnikfreie Produkte verteuert werden, weil sie ihre bisher sichergestellte Gentechnikfreiheit aufwändig sichern und beweisen müssen.

Im Rahmen der Änderung des Gentechnikrechtes muss eine Novelle der so genannten "Neuen Lebensmittelverordnung" (NVL) zur Kennzeichnung "ohne Gentechnik" vorgelegt werden. Damit können tierische Lebensmittel, wie Milch, Eier und Fleisch, die ohne den Einsatz von gentechnisch veränderten Futtermitteln erzeugt wurden, klar erkennbar für den Verbraucher gekennzeichnet werden. Aufgrund erheblicher Rechtsunsicherheiten in den bisherigen Bestimmungen war eine solche Positivkennzeichnung bisher kaum praktikabel.

Fraktionsvorsitzende

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