Antrag: Gegen die Wand: Schwarz-Gelbe Atompolitik stoppen!

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Landtag stellt fest:

  1. Der Standort Gorleben ist verbrannt. Er ist 1976/1977 innerhalb weniger Monate aus politischen Gründen und gegen den Rat von maßgeblichen Geologen und damals vorliegenden Gutachten ausgewählt worden. Die Ergebnisse der von 1972 bis 1976 vom Bund durchgeführten vergleichenden Standortauswahl, bei der Gorleben nicht in die engere Auswahl kam, wurden nicht berücksichtigt, bereits angelaufene Eignungsuntersuchungen abgebrochen. Die Geologie des Salzstocks Gorleben weist schwere Mängel auf. Wichtige geologische Gutachten wurden später offenbar manipuliert, um eine Eignung vorzutäuschen. Andere kritische Gutachten wurden ignoriert. Für Errichtung und Erkundung eines Endlagers notwendige Grundstücke stehen entweder gar nicht oder nicht dauerhaft zur Verfügung. Gegen den Standort Gorleben spricht auch die Tatsache, dass beim Versuchsendlager für Gorleben, der Asse, entgegen aller Langzeitprognosen schon nach einer Generation die Standfestigkeit nicht mehr gewährleistet und ein Absaufen zu befürchten ist.
  2. Die vom niedersächsischen Umweltminister vorgeschlagene Begleitgruppe für den von der Bundesregierung beabsichtigten Weiterbau in Gorleben ist in keiner Weise geeignet, dem Standort zur Akzeptanz in der Bevölkerung zu verhelfen. Im Gegenteil: Die Wiederaufnahme der Erkundungsarbeiten in Gorleben würde einen nicht akzeptablen und nicht genehmigten weiteren Ausbau dieses Standortes darstellen. Europäisches und deutsches Planungsrecht und Atomrecht würden unterlaufen. Die Konzeption eines Endlagers ist noch immer nicht definiert, Sicherheitskriterien und Sicherheitsanalysen fehlen. Eine Definition der einzulagernden Abfälle und ihrer Mengen, Rückholbarkeit und Behälterkonzeption fehlt. In Gorleben kann deshalb nicht einfach weitergebohrt werden. Fehler der Vergangenheit dürfen nicht wiederholt werden und die durch die Atompolitik verursachte gesellschaftliche Spaltung darf nicht noch weiter vertieft werden. Wer immer wieder gegen die Wand läuft, muss lernen Weg und Richtung zu ändern. Die Programme der skandinavischen Länder oder der Schweiz zeigen erfolgversprechende Wege zu einem Endlager.
  3. Die Schachtanlage Asse war die Versuchsanlage für den Standort Gorleben. Das ist durch Aussagen des ehemaligen wissenschaftlichen Leiters Prof. Dr. Klaus Kühn (2001)[1], durch Aussagen des ehemaligen niedersächsischen Umweltstaatssekretärs Christian Eberl[2] (2003) und auch durch Formulierungen in einer Teilerrichtungsgenehmigung des Atomkraftwerkes Brokdorf [3](1982) belegt.
  4. Die Öffentlichkeit ist über viele Jahre über die wahre Entwicklung in dem Versuchsendlager für Gorleben, Asse bei Wolfenbüttel, getäuscht worden.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf:

  1. Sich mit allen Mitteln dafür einzusetzen, dass Gorleben als Standort für ein Atommüllendlager endgültig aufgegeben wird.
  2. Für eine echte, neue und ergebnisoffene Suche nach einem geeigneten Ort und einem geeigneten Konzept für die Lagerung von Atommüll einzutreten.
  3. Für eine gesetzliche Grundlage einzutreten, die ein transparentes öffentlich-rechtliches Suchverfahren mit umfassender Bürgerbeteiligung und einer verursachergerechten Umlage der Kosten auf die Atomindustrie sicherstellt.
  4. Alles zu unterlassen, was die in Deutschland sicher zu lagernde Menge von Atommüll weiter erhöht und deshalb insbesondere jede Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken über den bislang geltenden gesetzlichen Rahmen im Bundesrat abzulehnen.

Begründung

Seit mehr als 30 Jahren spaltet der Konflikt um die Folgen der Produktion von Atomstrom unsere demokratisch verfasste Gesellschaft. Mit dem von der Bundesregierung geplanten Ausstieg aus dem Atomausstieg droht diesem Konflikt eine neue Dimension. Das gilt umso mehr, wenn Standortentscheidungen für die Endlagerung von Atommüll völlig intransparent und auf der Grundlage manipulierter Gutachten gefällt wurden und trotzdem mit aller Macht durchgesetzt werden sollen.

Seit einem guten halben Jahrhundert wurden und werden in Deutschland viele Forschungsreaktoren, eine Versuchswiederaufarbeitungsanlage und derzeit noch 17 Leistungsreaktoren betrieben. Seit gut einem halben Jahrhundert gibt es keinen sicheren Ort zur dauerhaft sicheren Lagerung von Atommüll. Wohl nie zuvor in der Geschichte der Menschheit haben Menschen ihren Kindern und Kindeskindern eine solch tödliche Zeitbombe hinterlassen.

"Forscher: Im Bergwerk gefahrlos für alle Zeiten", titelte die Hannoversche Allgemeine Zeitung am 20.5.1969 und zitierte damals Wissenschaftler der GSF (heute Helmholtz-Zentrum) zur Lagerung von Atommüll im Bergwerk Asse. Über Jahrzehnte hinweg hat man der Öffentlichkeit die mangelhafte Standsicherheit, Wasser- und Laugenzuflüsse und Verstöße gegen Strahlenschutz- und Atomrecht verschwiegen. Die Nutzung der Schachtanlagen Asse und Morsleben, die trotz bekannter eklatanter Probleme für die Lagerung von Atommüll genutzt wurden, muss heute als Brunnenvergiftung und damit als umweltpolitisches Verbrechen bezeichnet werden.

Seit vielen Jahrzehnten hat die Gefahr einer Kernschmelze in einem Atomreaktor, die Gefahr der Weiterverbreitung von atomwaffenfähigem Material, die ungelöste Endlagerfrage und die Strahlengefährdung im so genannten Normalbetrieb zu tief greifenden gesellschaftlichen Konflikten geführt: In Wyhl, in Gorleben, in Brokdorf, Grohnde, Wackersdorf und anderswo.

Die rot-grüne Bundesregierung hat mit dem Atomkonsens einen neuen Ansatz zur Überwindung dieser gesellschaftlichen Spaltung gesucht. Die Laufzeit von Atomkraftwerken wurde begrenzt und außerdem wurde ein zehnjähriges Moratorium für Gorleben beschlossen. Ein Endlagersuchgesetz konnte aufgrund der verkürzten Wahlperiode allerdings leider nicht mehr realisiert werden.

Wenn die neue Bundesregierung den Atomkonsens jetzt aufkündigt, die Laufzeiten verlängert und in Gorleben weiter macht, befördert sie eine erneute tief greifende Spaltung der Gesellschaft. Sie will ausgerechnet die ältesten und unsichersten Atomkraftwerke weiter laufen lassen. Sie gefährdet die Erfolge, die beim Ausbau der erneuerbaren Energien gemacht wurden. Sie unterstützt gegen alle ordnungspolitischen Regeln einer sozialen Marktwirtschaft die monopolistisch strukturierten großen Stromkonzerne. Sie gefährdet die industriepolitische Pole - Position der Bundesrepublik bei Erneuerbaren Energien und Effizienztechnologie. Sie nimmt den neu gegründeten klein- und mittelständischen Unternehmen die Planungssicherheit und gefährdet damit Investitionen in einer Wachstumsbranche.

Unsere Generation muss eine Lösung für die sichere Lagerung von dem radioaktivem Atommüll finden, der bereits produziert wurde. Unsere Generation kann und muss die Produktion weiterer Müllmengen verhindern. Nach den Erfahrungen in der Asse ist zweifelhaft, ob es auf der Welt Orte gibt, die für mehr als eine Million Jahre keinen Kontakt zur Biosphäre haben. Deshalb müssen wir ein Verfahren einleiten, das nach menschlichem Ermessen die größtmögliche Sicherheit für eine verantwortbare Lösung bietet.

Wenn Minister Sander meint, er könne in Gorleben einfach weitermachen indem er zusätzlich eine Begleitgruppe installiert, muss man deutlich sagen: Minister Sander hat das Wesen von Bürgerbeteiligung in einer Demokratie nicht begriffen. Wenn man Bürgerinnen und Bürger beteiligt, muss das Verfahren ergebnisoffen sein. Nur über einen solchen Prozess wird man zu einer Lösung kommen, die über Parteigrenzen und Wahlperioden hinweg getragen wird.

Fraktionsvorsitzender

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[1] "Ziel war es, für ein geplantes Endlager im Salzstock Gorleben die entsprechenden Techniken und die wissenschaftlich-technischen Daten zu ermitteln und bereitzustellen. Der Salzstock Gorleben war in der Eignungsuntersuchung. Wir von der GSF sollten im Forschungsbergwerk Asse die entsprechenden Technologien und wissenschaftlichen Untersuchungen durchführen",
gsf, Schachtanlage Asse Vortrag: "Zeit der Forschungs- und Entwicklungsarbeiten", 2001.

[2] Bei dem "Clausthaler Kolloquium zur Endlagerung" erklärte Eberl, die in der Asse erzielten Ergebnisse "bildeten dann eine Grundlage für die von der Bundesregierung 1979 in Angriff genommenen Erkundungsarbeiten für ein Endlager auch wärmeentwickelnder hochradioaktiver Abfälle im Salzstock Gorleben",
Lux, K.-H. (Hrsg): Clausthaler Kolloquium zur Endlagerung 2003 und Ehrenkolloquium zum 65. Geburtstag von Prof. Dr.-Ing. Klaus Kühn. - 8. und 9. Mai 2003, TU Clausthal.

Schriftenreihe Professur für Deponietechnik und Geomechanik, Institut für Aufbereitung und Deponietechnik, TU Claustahl, Heft Nr. 14, Claustahl 2003

[4] "Das Salzbergwerk Asse bei Wolfenbüttel ist für die Endlagerung von radioaktiven Abfallstoffen vorgesehen. Im Einvernehmen zwischen der Bundesregierung und der Landesregierung soll dieses Bergwerk jedoch in erster Linie als Versuchsanlage für Gorleben dienen",  4. Teilgenehmigung für die Errichtung des AKW Brokdorf

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