Antrag: Frühe Sprachförderung intensivieren - Bildungschancen verbessern

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Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Hannover, den 08.04.05


Der Landtag wolle beschließen:
Entschließung
Die frühe Sprachförderung hat eine entscheidende Bedeutung, um die Bildungschancen von Kindern aus zugewanderten Familien und von Kindern aus sozial benachteiligten Verhältnissen und ihre gesellschaftliche Integration zu verbessern.
Der Landtag kritisiert deshalb Kürzungen bei der Sprachförderung und fordert die Landesregierung auf, das Konzept für die vorschulische Sprachförderung weiterzuentwickeln und die Sprachförderung in den Kindertagesstätten und den Grundschulen zu intensivieren:
1. Die Sprachförderung für Drei- bis Sechsjährige in den Kindergärten wird deutlich ausgeweitet. Die Mittel des Landes hierfür werden schrittweise bis 2010 so aufgestockt, dass Sprachförderung in allen Kindergartengruppen durchgeführt werden kann, in denen der Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund und Kindern aus sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen mindestens 20 Prozent beträgt.
2. Das Kultusministerium entwickelt auf Grundlage der Evaluation der bereits durchgeführten Maßnahmen zur Sprachförderung in Kindertagesstätten und Grundschulen ein integriertes Sprachförderkonzept mit folgenden Zielsetzungen:
a) Die Sprachfördermaßnahmen vor der Einschulung werden auf ein Jahr verlängert und von den Kindertagesstätten durchgeführt.
b) Die Feststellung der deutschen Sprachkenntnisse im Rahmen der Schulanmeldung wird entsprechend vorverlegt.
c) Das Land stellt die notwendigen Mittel für Fachkräfte zur Verfügung, die die Sprachfördermaßnahmen in den Kindertagesstätten durchführen, und sorgt für die weitere Qualifizierung von Erzieherinnen und Erziehern sowie anderen pädagogischen Fachkräften.
3. In der Grundschule wird die Förderung der Sprachentwicklung von Kindern aus zugewanderten Familien und von Kindern aus sozial benachteiligten Verhältnissen fortgeführt. Die Grundschulen entwickeln und evaluieren hierfür geeignete Konzepte.
4. Für so genannte "Quereinsteiger" und "Quereinsteigerinnen", die im Laufe des Schuljahres mit erheblichen Sprachdefiziten in die Schule kommen, ist eine ausreichende Sprachförderung sicher zu stellen.
5. Das Land fördert Bildungsangebote für Eltern mit dem Ziel, die Sprachförderung der Kinder durch die Eltern zu unterstützen. Es unterstützt insbesondere das Angebot von Sprachkursen für Eltern in den Schulen, die auch von ihren Kindern besucht werden.
Das Land setzt sich durch intensive Werbemaßnahmen für die Teilnahme der Eltern ausländischer Herkunft an Sprachkursen ein.
Begründung
Kinder aus zugewanderten Familien sind im niedersächsischen Bildungssystem noch immer deutlich benachteiligt. Mehr als 20% der Jugendlichen mit Migrationshintergrund verlassen die Schule ohne Abschluss. Sie haben damit auch auf dem Arbeitsmarkt nur geringe Chancen. Diese Bildungsbenachteiligung der Schüler und Schülerinnen aus zugewanderten Familien führt zu einer folgenreichen sozialen Ungerechtigkeit und behindert die wirtschaftliche Entwicklung. Darüber hinaus kann sich unser Land auch vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung nicht leisten, dass ein so großer Teil der Kinder und Jugendlichen schlecht ausgebildet wird.
Die frühe Förderung der Sprachentwicklung hat eine entscheidende Bedeutung für die späteren Bildungschancen. Insbesondere Kinder aus zugewanderten Familien und aus sozial benachteiligten Verhältnissen bedürfen deshalb einer intensiven Sprachförderung schon in den Kindertagesstätten.
Es ist unverantwortlich, dass die Landesregierung die Mittel für Sprachförderung in den Kindergärten gekürzt und auf Kindertagesstätten beschränkt hat, in denen der Anteil der besonders förderbedürftigen Kinder mehr als 50% beträgt. Ein großer Teil der förderbedürftigen Kinder bleibt deshalb zur Zeit von der gezielten Sprachförderung im Kindergarten ausgeschlossen. Es ist dringend erforderlich, dass die Fördermittel des Landes so erhöht werden, dass zusätzliche Fachkräfte für die Sprachförderung mindestens in allen Kita-Gruppen finanziert werden, in denen der Anteil der förderbedürftigen Kinder 20% und mehr beträgt. In einem ersten Schritt sollen hierfür im Jahr 2006 6 Mio. € und bis 2010 schrittweise bis 30 Mio. € jährlich zusätzlich zur Verfügung gestellt werden. Diese Mehrkosten lassen sich aus einem Abbau der Eigenheimzulage finanzieren. Auf mittlere Sicht lassen sie sich z.T. dadurch gegenfinanzieren, dass spätere Fördermaßnahmen und Klassenwiederholungen überflüssig werden und Warteschleifen in der Berufsbildung abgebaut werden können. Zudem erhöhen sich die Vermittlungschancen der besser ausgebildeten Jugendlichen auf Lehrstellen und auf dem Arbeitsmarkt. Auch dies reduziert Kosten und senkt die Jugendarbeitslosigkeit.
Auch die derzeitigen Sprachfördermaßnahmen vor der Einschulung sind unzureichend. Eine Förderdauer von einem halben Jahr bzw. – wegen der Ferien in dieser Zeit – von faktisch nur 20 bis 22 Wochen reicht nicht aus. Zudem finden die Fördermaßnahmen z.T. während der Öffnungszeit der Kitas statt. Die teilnehmenden Kinder werden dann aus den Kita-Gruppen gerissen. In mindestens 10% der Fällen müssen die Kinder aufwändig zu anderen Orten gefahren werden. Die Ressourcen werden so nicht effektiv genutzt.
In den Grundschulen müssen im zweiten Schulhalbjahr, wenn die Lehrkräfte die vorschulischen Sprachfördermaßnahmen durchführen, die schulischen Fördermaßnahmen drastisch reduziert werden. Ein kontinuierliches Förderkonzept über das ganze Schuljahr ist deshalb an den Grundschulen nicht möglich.
Die von den Kindergärten bereits seit dem ersten Kindergartenjahr angebotenen und die von den Schulen durchgeführten vorschulischen Sprachfördermaßnahmen werden im letzten Halbjahr vor der Einschulung parallel angeboten. Etliche Eltern melden deshalb ihre Kinder sogar während der vorschulischen Sprachfördermaßnahmen vom Kindergarten ab.
Wenn die Verantwortung für die Sprachfördermaßnahmen vor der Einschulung auf die Kindertagesstätten übertragen wird, können diese ein integriertes Konzept für die ab dem ersten Kindergartenjahr angebotene Sprachförderung und für die verpflichtenden Sprachförderkurse vor der Einschulung entwickeln und auch beide von denselben Fachkräften durchführen lassen. Die Übertragung der Zuständigkeit auf die Kindertagesstätten entspräche tatsächlich dem Verständnis, die Kindertagesstätten zu Bildungsstätten auszubauen.
Die Sprachentwicklung der Kinder kann jedoch nicht allein von den Kindertagesstätten gefördert werden, sondern dies muss auch durch die Eltern geschehen. Deshalb sollen einerseits Familienbildungsangebote ausgebaut werden, mit denen Eltern darin unterstützt werden, die Sprachentwicklung ihrer Kinder zu fördern. Zum anderen soll das Land massiv für die Einrichtung von Sprachförderkursen für zugewanderte Eltern (z.B. Programm: "Mama lernt deutsch") und für die Teilnahme an diesen Kursen werben. Vor allem Mütter werden besonders gut erreicht, wenn die Sprachkurse in den Schulen angeboten werden, die auch von ihren Kindern besucht werden.
Sprachförderung vor der Schule schafft die notwendige Grundlage, damit alle Kinder am Unterricht teilnehmen können. Sie ersetzt aber keine weitere Sprachförderung in der Schule, denn dort werden die Kinder mit Fachsprachen konfrontiert, für deren Erwerb sie Unterstützung benötigen. Die Stundenkontingente für Sprachförderung an den Schulen müssen deshalb im bisherigen Umfang gesichert werden.
Zudem ist für Schülerinnen und Schüler, die im Laufe des Schuljahres ohne ausreichende Sprachkenntnisse in die Schulen kommen, eine ausreichende Sprachförderung sicher zu stellen, damit diese Kinder und Jugendlichen ihren Begabungen entsprechend ihre Schulausbildung fortsetzen können.
Fraktionsvorsitzender

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