Antrag: Frauenpolitik in Niedersachsen: Quo vadis? - Frauenressort ausbauen!

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Landtag stellt fest:

Im Zuge der so genannten Verwaltungsmodernisierung wollen CDU und FDP in Niedersachsen im Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit die Abteilung Z "Zentrale Aufgaben" in eine Referatsgruppe umwandeln und der Abteilung 4 "Gesundheit" unterstellen. Außerdem soll im kommenden Jahr die Leitungsstelle der Abteilung 2 "Frauen" eingespart werden. Nach dem bevorstehenden Wechsel der jetzigen Stelleninhaberin in den Ruhestand soll nach vorliegenden Planungen die Stelle nicht wieder besetzt werden und die bisherige Abteilung 2 der Abteilung 3 "Jugend und Familie" zugeordnet werden.

Mit Vollzug dieser organisatorischen Maßnahmen würde die Frauenpolitik in Niedersachsen in der Landesverwaltung einen erheblichen Bedeutungsverlust erleiden. Die Möglichkeiten zur Entwicklung und Umsetzung einer auf Gleichstellung ausgerichteten Frauenpolitik werden erheblich erschwert und Frauenpolitik wird als eigenständiges Politikfeld von hoher gesellschaftlicher Bedeutung weder den Erwartungen von Frauen noch den Anforderungen einer modernen Gesellschaftspolitik gerecht.

Der Landtag möge beschließen:

Der Landtag fordert die Landesregierung auf, ein Gleichstellungskabinett zu bilden. In diesem Kabinettsausschuss sind Fragen der Gleichstellung ressortübergreifend aufzugreifen und zu erörtern.

Die Abteilung 2 "Frauen" im Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit soll nicht aufgelöst, sondern in Ausstattung und Kompetenz nach dem Ausscheiden der Abteilungsleiterin im Jahr 2010 aufgestockt werden. Um einem weiteren Bedeutungsverlust der Frauenpolitik in Niedersachsen entgegen zu wirken, muss der Aufgabenbereich allein schon aus diesem Grunde eine Auf- und keine Abwertung erfahren

Begründung

Mit Auflösung des bisher selbstständigen Ressorts "Frauen" und der geplanten Eingliederung dieses  Aufgabenbereiches in die Abteilung "Jugend und Familie" gibt die Landesregierung den Versuch auf, professionell und angemessen auf die Benachteiligungen von Frauen in Niedersachsen zu reagieren und sich aktiv für die Gleichstellung der Frau in Niedersachsen einzusetzen. Mit den beschriebenen Organisationsmaßnahmen wird Frauenpolitik seitens der Landesregierung nunmehr endgültig zur untergeordneten Nebensächlichkeit erklärt. Dieses Vorgehen widerspricht in eklatanter Weise den Anforderungen an eine moderne Frauen- und Gesellschaftspolitik.

So haben beispielsweise die Anhörungen zur Novellierung des Niedersächsischen Gleichberechtigungsgesetzes (NGG) (DS 16/281) deutlich gemacht, dass die angestrebte Gleichstellung von Männern und Frauen mittels Gender Mainstreaming, d.h. jedes Gesetz und jede Maßnahme daraufhin zu untersuchen, wie sie sich auf Männer und Frauen auswirken, in den niedersächsischen Ministerien ins Stocken geraten ist. Von daher ist es umso wichtiger, dass sich eine kompetente Fachabteilung dieser Querschnittsaufgabe annimmt, Gender Mainstreaming konsequent umgesetzt wird und ein Gleichstellungskabinett sich vor allem der Aufgabe annimmt, Maßnahmen zur Frauenförderung in der Innen-, Justiz-, Bildungs-, Wirtschafts-, Finanz- und Umweltpolitik zu benennen und ressortübergreifende Kriterien zur Verbesserung der Situation von Frauen zu entwickeln. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und des sich abzeichnenden Fachkräftemangels in Wirtschaft und Wissenschaft muss sich der Stellenwert von Frauenpolitik aber vor allem daran messen lassen, wie die institutionellen Rahmenbedingungen für eine gleichberechtigte Teilhabe am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben aussehen.

Innerhalb der Bundesregierung sind für die Koordinierung spezifischer Fragen verschiedene Zirkel eingerichtet worden, um sich im Hinblick auf Wirkungsweise und Zielsetzung bestimmter Maßnahmen auszutauschen und abzustimmen. Ein Gleichstellungskabinett auf Landesebene könnte auf diese Art und Weise sicherstellen, dass Gleichstellungspolitik in den Ministerien von vorn herein in den Mittelpunkt gerückt wird.

Gerade die jüngsten Entwicklungen im Zuge der Finanzkrise haben gezeigt, wie wichtig die Verbesserung der Arbeitsmarktsituation von Frauen im Hinblick auf gleiche Bezahlung und die Wahrnehmung von Aufstiegschancen ist.  

Seit Regierungsantritt vor fast sieben Jahren ist es Schwarz-Gelb nicht gelungen, Antworten auf die aktuellen Herausforderungen zu finden, wie zum Beispiel das Berufswahlverhalten von jungen Frauen mit der Zielsetzung zu verändern, Mädchen für naturwissenschaftliche und technische Berufe zu begeistern. Dies könnte durchaus gelingen, indem vor allem MINT-Berufe (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) frauen- und familienfreundlicher gestaltet werden.

Des weiteren hätte die  Landesregierung soeben  die Chance gehabt, neben den Tarifparteien als Arbeitgeber mit einer Überarbeitung der Eingruppierungskriterien des Öffentlichen Dienstes dem Appell der 18. Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen, -minister, -senatorinnen und -senatoren der Länder (GFMK) nachzukommen und die geschlechterungerechte Bezahlung von Frauen- und Männerberufen bei den Tarifgesprächen zur Entgeltordnung zu beheben. Doch die Landesregierung hat ihre Möglichkeiten auch hier nicht genutzt und kommt über lediglich kosmetische Veränderungen bislang nicht hinaus.

Eine angemessene Frauenpolitik orientiert sich an den vielfältigen Lebensentwürfen von Frauen in verschiedenen Lebenslagen und hat eine neue Verhältnisbestimmung zwischen Frauen und Männern zum Ziel. Mit der Abschaffung des selbständigen Ressorts "Frauen" ist jedoch zu befürchten, dass die Sprach- und Ideenlosigkeit immer stärker zum Kennzeichen der schwarz-gelber Frauenpolitik wird.

Seit gut zehn Jahren findet in Niedersachsen ein Roll-Back in der Frauenpolitik Niedersachsens statt. Die SPD demontierte das 1990 unter Rot-Grün errichtete Frauenministerium, teilte es 1998 dem Ministerium für Soziales und Jugend zu und sorgte schon damit  für einen erheblichen Macht- und Gestaltungsverlust. Seit 2002 befleißigt sich die schwarz-gelbe Landesregierung aus der Frauenpolitik Familienpolitik zu machen. Unter der Ressortführung Ursula von der Leyens vollzog die schwarz-gelbe Landesregierung die weitgehende Abschaffung von Gleichstellungsbeauftragten. Mit ihrem aktuellen Novellierungsentwurf zum Niedersächsischen Gleichberechtigungsgesetzes (NGG) leisten die Regierungsfraktionen einen weiteren Beitrag, die Bedeutung des Gesetzes zu verkennen.

Mit dem weiteren Abbau von Kompetenzen in der Frauenpolitik durch die Auflösung der Abteilung 2 "Frauen" droht die dringend erforderliche gesellschaftliche und politische Sensibilisierung bei der Gleichstellung von Frauen in Niedersachsen ins Abseits zu geraten. Die Benachteiligung von Frauen wird weiter zunehmen.  

Fraktionsvorsitzender

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