Antrag: Frauen bewegen Geschichte – Kerncurricula anpassen!

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Landtag stellt fest:

Im aktuellen Kerncurriculum für das Gymnasium Schuljahrgänge 5 – 10 wird das Prinzip Gender Mainstreaming nicht ausreichend berücksichtigt. Unter den zu behandelnden 59 historisch bedeutsamen Persönlichkeiten kommen nur acht Frauen vor – zwei dieser Frauen sind Göttinnen.

Eine Ausbildung der historischen Identität, insbesondere von Schülerinnen, kann so nicht stattfinden. Hier verfestigt sich der Eindruck, Geschichte sei ausschließlich von Männern gemacht - Männer sind die gesellschaftlich und politisch Handelnden, Frauen arrangieren sich mit den von Männern geschaffenen Lebens- /Rahmenbedingungen. Diese, wenn auch jeweils subjektiven Eindrücke, können sich auf das politische Interesse der Schülerinnen an sich negativ auswirken und ihre (Nicht-) Teilhabe an politischen Prozessen beeinflussen.

Sehr oft waren jedoch gerade die Frauen in der Geschichte die tatsächlich Aktiven, wie z.B. die Frauenrechtlerinnen Clara Zetkin und Alice Salomon, die Feministin Simone de Beauvoir und die "Mütter des Grundgesetzes" Elisabeth Selbert, Friederike Nadig, Helene Weber und Helene Wessel. Den Blick auf diese Rollen von Frauen in der Geschichte zu lenken ist wichtig, um den Mädchen ein politisches Selbstverständnis zu ermöglichen.

Im Hinblick auf eine gleichberechtigte Gesellschaft ist es jedoch ebenso notwendig, ein ausgeglichenes Geschichtsbild zu vermitteln. Das heißt, Jungen dafür zu sensibilisieren, dass auch Frauen – und nicht nur Männer – in verschiedensten Bereichen von Politik und Gesellschaft von entscheidender Bedeutung waren und ihr Wirken bis heute prägend ist. 

Der Landtag fordert die Landesregierung auf:

Die Landesregierung wird aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass die Kerncurricula für das Fach Geschichte umgehend dahingehend geändert werden, weitere Frauen als Akteurinnen in der Geschichte aufzunehmen und dabei alle im Lehrplan vorgesehen Epochen zu berücksichtigen.

Hier ist sicherzustellen, Frauen und ihre verschiedenen Rollen in der Geschichte angemessen zu berücksichtigen.

Begründung

Geschichte wird und wurde von Menschen gemacht, nicht nur von Männern, sondern eben auch von Frauen. Deshalb gebührt den vielen Frauen, die "Geschichte geschrieben haben" in den Lehrplänen für das Fach Geschichte eine besondere Beachtung. Die von insgesamt 59 Persönlichkeiten in den Kerncurricula zu berücksichtigenden acht Frauen spiegeln die Bedeutung und Beteiligung von Frauen in der Geschichte definitiv nicht wider. Hätte es Isabella I. von Kastilien oder Elisabeth I. von England nicht gegeben, wäre Amerika vielleicht erst Jahrhunderte später entdeckt worden oder Shakespeare wäre ein unbekannter Dichter geblieben. Indira Gandhi und Golda Meir setzten als Premierministerinnen entscheidende sozialgesellschaftliche und außenpolitische Akzente.

Weitere bedeutende Frauen sind z.B.:

  • Olympe de Gouges, französische Revolutionärin, Frauenrechtlerin und Verfasserin der "Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin", die in Frankreich volle Gleichberechtigung für Frauen forderte.
  •  Dorothee Schlözer, bereits im 18. Jahrhundert in Göttingen zur ersten Professorin einer Universität in Deutschland ernannt.
  • Hannah Arendt, in Hannover geborene Gesellschafts- und Politikwissenschaftlerin, die sich vor dem Hintergrund ihrer eigenen Geschichtserfahrung als Jüdin im Nationalsozialismus vor allem mit politischen Herrschaftstheorien und philosophischen Grundsatzfragen auseinandersetzte. 
  • Maria Montessori, italienische Ärztin und Reformpädagogin, die als Begründerin der Montessoripädagogik der individuellen Entwicklungsförderung von Kindern entscheidende Impulse verlieh.  

Diese Reihe lässt sich durch die verschiedenen Epochen ohne Weiteres bis heute fortführen.

Neben der namentlichen Benennung dieser Frauen, ist es von größter Wichtigkeit, den Schülerinnen und Schülern zu vermitteln, dass Frauen in der Geschichte oft nur im Verborgenen aktiv waren, da patriarchale Strukturen die gesellschaftlichen Einflussmöglichkeiten von Frauen an sich behindert haben und diese deshalb kaum sichtbar werden konnten. Selbst die die Frauenbewegung prägenden Frauen, die in Deutschland 1919 schließlich das Frauenwahlrecht durchgesetzt haben, trafen sich lange Zeit in typischen Frauenplauder- und Stickrunden, da sie ansonsten überhaupt keine Möglichkeit hatten, sich offiziell zu versammeln.

Das Bildungsministerium hat im Zusammenhang mit der Diskussion um die Erhöhung des Frauenanteils im Kerncurriculum für die Gymnasialstufen 5-10 aufgrund einer Petition vorgebracht, Lehrerinnen und Lehrer könnten jenseits des Kerncurriculums weitere Aspekte der Geschichte, so auch die Rolle von Frauen, behandeln. Genau dies ist tatsächlich jedoch kaum möglich: Das sogenannte "Turboabi" und die dadurch zunehmende Überforderung sowohl von Lehrenden als auch Lernenden lässt dafür realistisch betrachtet keinerlei Zeit. 

Geschichte und Geschichtsbewusstsein sind identitätsstiftend! Eine entsprechende Berücksichtigung bedeutsamer geschichtlicher Frauenpersönlichkeiten in den Kerncurricula Geschichte ist unverzichtbarer Bestandteil einer Gesellschaft, die Gleichberechtigung von Männern und Frauen gesetzlich in ihrer Verfassung verankert hat und sich von ihrem demokratischen Selbstverständnis her hieran ausrichtet.

Fraktionsvorsitzender

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