Antrag: Fortführung des Förderprogramms und Weiterentwicklung der Projekte zur Verhinderung von sexuellem Kindesmissbrauch

Fraktion der SPD
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Landtag stellt fest:

In Niedersachsen gibt es einen großen Bedarf an Präventionsangeboten für Personen mit pädophilen Neigungen.

Seit dem Jahr 2011 fördert das Land Niedersachsen zwei Projekte zur Prävention von Pädophilie. Zum einen das Präventionsprojekt Pädophilie Dunkelfeld (PPD) an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), das gezielt Personen therapiert, die sich zu Kindern und Jugendlichen hingezogen fühlen, aber bisher nicht straffällig geworden sind (sogenannte Dunkelfeldtäter). Zum anderen das Präventionsprojekt sexueller Missbrauch (PsM) an der Universitätsmedizin Göttingen (UMG), das sich neben den Dunkelfeldtätern auch an Personen richtet, die bereits straffällig geworden sind (sogenannte Hell- und Graufeldtäter).

Ziel der Projekte ist es, diesen Personen in Wohnortnähe therapeutische Hilfe zu bieten, damit sie keine Übergriffe (mehr) auf Kinder oder Jugendliche begehen. Sie schließen auf diese Weise eine Lücke im medizinischen Versorgungssystem, da es bisher kaum Angebote für Personen mit pädophilen Neigungen gibt. Die Projekte leisten so einen wichtigen Beitrag zur Verhinderung von sexuellem Kindesmissbrauch. Das Therapieangebot ist dabei anonym, kostenlos und unterliegt der ärztlichen Schweigepflicht. Mehr als 500 Personen haben seit dem Start der Projekte Kontakt zur MHH und UMG aufgenommen. An der MHH bestehen bereits aufgrund der großen Nachfrage Wartelisten mit Betroffenen, die sich einer Therapie unterziehen möchten.

In diesem Zusammenhang fordern wir die Landesregierung auf,

  1. sich dafür einzusetzen, dass die Finanzierung pädophiliepräventiver ambulanter Therapien in die Regelversorgung der gesetzlichen Krankenkassen überführt wird.
  2. die Förderung für die Präventionsprojekte PPD und PsM für weitere drei Jahre fortzuführen.
  3. die Projekte dahin gehend weiterzuentwickeln, dass Weiterbildungsmaßnahmen für Ärzte, Betreuer und Angehörige erarbeitet und angeboten werden.
  4. darauf hinzuwirken, dass die Projekte ihre Öffentlichkeitsarbeit und Vernetzung mit anderen Partnern (z. B. der Charité) ausbauen.
  5. die Präventionsprojekte PPD und PsM bis 2016 umfassend zu evaluieren.
  6. weitere Standorte bzw. Kooperationen in der Fläche für das präventionsorientierte Beratungsangebot für Pädophilie zu prüfen und darauf hinzuwirken, dass es bei den niedergelassenen Ärzten und psychologischen Psychotherapeuten in Niedersachsen bekannt gemacht wird.

Begründung

Nach Schätzungen des Forschungsleiters der Charité Berlin, Prof. Dr. Baier, verspürt ein Prozent aller Männer zwischen 18 und 75 Jahren auf Kinder gerichtete sexuelle Neigungen. Nicht alle diese Männer begehen sexuelle Übergriffe gegenüber Kindern. Diejenigen, die ein Problem- und Unrechtsbewusstsein haben, müssen die Möglichkeit der Behandlung erhalten, damit so wenige Kinder wie möglich Opfer sexueller Gewalt werden. Die Präventionsprojekte PPD und PsM leisten in dieser Hinsicht mit ihren unterschiedlichen Ansätzen und ihrer unterschiedlichen Klientel eine wichtige Arbeit zur Verhinderung von sexuellem Kindesmissbrauch. In gut einem Jahr (bis Dezember 2013), so die Stellungnahme z. B. der MHH, haben 596 Personen Kontakt zum PPD Hannover aufgenommen, davon 317 aus dem Dunkelfeld. 100 Personen haben davon das umfangeiche diagnostische Programm durchlaufen, 62 Personen wurde ein therapeutisches Angebot gemacht.

Die Weiterführung und Evaluierung der Projekte ist vor diesem Hintergrund  sinnvoll und notwendig, um die diagnostische und therapeutische Arbeit im pädophilen Bereich präventiv weiterzuentwickeln. Der weitere Förderbedarf dokumentiert sich allerdings auch anhand der stetig hohen Resonanz und wachsenden Wartelisten für frei werdende Therapieplätze. Die Projekte werden dementsprechend gut von den Betroffenen wahrgenommen.

Neben der therapeutischen Arbeit haben die Erfahrungen aus der bisherigen dreijährigen Projektlaufzeit gezeigt, dass darüber hinaus ein hoher Bedarf für die Beratung von Ärztinnen und Ärzten, Betreuerinnen und Betreuern sowie Angehörigen für Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen besteht. Die Projekte sollten dementsprechend ergänzt werden.

Ziel der Weiterentwicklung ist es, das spezielle Beratungsangebot für Pädophile in Niedersachsen in der Fläche bekannt zu machen und für eine möglichst wohnortnahe Versorgung den Aufbau weiterer Standorte bzw. Kooperationen (z. B. mit Osnabrück oder Lüneburg) zu prüfen, sodass vor Ort eine Anlaufstelle existiert, die für eine schnelle Vermittlung ambulanter Therapien sorgt.

Zur Implementierung in das medizinische Versorgungssystem ist die wissenschaftliche Auswertung notwendig. Der Nachweis therapeutischer, in diesem Falle präventiver, Wirksamkeit bei pädophilen Neigungen ist die Voraussetzung für die Aufnahme in die Regelfinanzierung. Diese kann der Landesregierung als Basis für zukünftige Gespräche mit den entsprechenden Kostenträgern dienen, die es für eine Übernahme der pädophiliepräventiven ambulanten Therapien zu gewinnen gilt.

 

Für die Fraktion der SPD                                                         Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

 

Grant Hendrik Tonne                                                                Anja Piel

Parlamentarischer Geschäftsführer                                        Fraktionsvorsitzende

 

Für die Fraktion der SPD

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

     

Grant Hendrik Tonne

Parlamentarischer Geschäftsführer

     

Anja Piel

Fraktionsvorsitzende

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