Antrag: Energiewirtschaft zukunftsfähig gestalten – Kohlekraftwerke konterkarieren den Klimaschutz

 

Hannover, den 30.05.07

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Landtag stellt fest:

Sollte die Energiewirtschaft ihre Ankündigung umsetzen können, bis zum Jahre 2018 bundesweit bis zu 39 neue Steinkohlekraftwerke mit einer Kapazität von 40.000 MW und 6 neue Braunkohlekraftwerke zu bauen, wird Deutschland seine Klimaschutzverpflichtungen weit verfehlen. Was die Bundesregierung als großen Erfolg ihres letztjährigen Energiegipfels feiert, ist tatsächlich das worst-case-Szenario des Klimaschutzes in Deutschland: Statt die Emissionen des Klimakillers CO2 zu senken, würde die Stromwirtschaft ihre Emissionen bis zum Jahre 2020 jährlich um 30 – 50 Mio. Tonnen erhöhen. Gleichzeitig würden Investitionen in neue Kohlekraftwerke die veraltete Struktur unserer Energieversorgung für Jahrzehnte zementieren.

Statt den auf europäischer Ebene vereinbarten CO2-Reduktionszielen durch effizienteren Primärenergieeinsatz (Kaft-Wärme-Koppelung) und Ausbau erneuerbarer Energien endlich Taten folgen zu lassen, sollen den Energiemultis völlig überhöhte Kontingente an C02-Emissionsrechten auch für den Zeitraum 2008-2012 kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Diese Politik ist ursächlich für den faktischen Zusammenbruch des Emissionshandels in Deutschland.

Auch die Landesregierung betätigt sich als willfähriger Erfüllungsgehilfe der Energiemultis, die entgegen allen Klimaschutzerfordernissen auch in Niedersachsen derzeit in Wilhelmshaven, Stade und Dörpen neue Steinkohlekraftwerke planen, indem sie die geplanten Standorte im Landesraumordnungsprogramm absichert.   

Der Landtag fordert die Landesregierung daher auf:

  1. Den Bau neuer Kohlekraftwerke ohne Kraft-Wärme-Koppelung oder CO2-Abscheidung im Landesraumordnungsprogramm als mit den Klimaschutzzielen unvereinbar grundsätzlich auszuschließen.
  2. Die bestehenden landesrechtlichen Hemmnisse für den Ausbau der Kraft-Wärme-Koppelung abzubauen und den Ausbau der Nahwärmeversorgung wirksam zu fördern.
  3. Mit einer Bundesratsinitiative darauf hinzuwirken, die Menge der CO2-Zertifikate im Nationalen Allokationsplan für den Zeitraum 2008 – 2012 insgesamt wirksam zu begrenzen, keine Sonderregelungen für besonders stark emittierende Kraftwerkstechnologien vorzusehen und 10% zu versteigern. Ab 2012 müssen die CO2-Emissionsrechte zu 100% versteigert werden.
  4. Im Bund für eine Änderung Bundesemissionsschutzgesetzes einzutreten, um die Obergrenzen der CO2-Emissionen neu genehmigter Kraftwerke auf 365 Gramm pro Kilowattstunde erzeugten Stroms zu begrenzen.

Begründung:

"Wer heute noch neue Kohlekraftwerke baut, muss sich im Klaren sein, dass eine solche Politik uns langfristig teuer zu stehen kommt", kommentiert EU-Umweltkommissar Stavros Dimas die deutschen Kraftwerkspläne. Nur wenige Wochen nachdem sich die deutsche EU-Ratspräsidentschaft mit dem Ziel, die Treibhausgasemissionen bis zum Jahre 2020 EU-weit um 20% zu senken, als europäischer Musterschüler beim Klimaschutz inszeniert hat, herrscht in Berlin wieder "business as usual": Kraftwerksplanungen, die zu einer Erhöhung des C02-Ausstoßes um rund 30 Millionen auf 350 Millionen Tonnen bis zum Jahre 2020 führen werden, finden die ungeteilte Zustimmung des Bundesumweltministers. Der Patenonkel von Eisbär Knut nimmt offenbar nicht zur Kenntnis, dass sich Deutschland verpflichtet hat, seine CO2-Emissionen bis 2020 um 40% gegenüber dem Referenzwert von 1990 zu senken. Bei einem Anteil von derzeit rund 42% an den gesamten CO2-Emissionen müssten die Kohlendioxidemissionen der Stromwirtschaft bis zum Jahr 2020 auf maximal 210 Millionen sinken, wenn die deutschen Klimaschutzverpflichtungen wirklich eingelöst werden sollen. Die vom Umweltbundesamt zur Begrenzung des Klimawandels für erforderlich gehaltene Reduktion der klimarelevanten Emissionen um 80% bis zum Jahre 2050 wäre bei neuen Kohlekraftwerken mit einer Laufzeit zum Teil über das Jahr 2050 hinaus völlig undenkbar.

Vor allem beim Emissionshandel baut die Bundesregierung hohe Schutzzäune um die veraltete Kohle-Technologie auf: Stein- und vor allem Braunkohlekraftwerke werden im Gesetzentwurf der Berliner Koalitionsfraktionen (Bundestagsdrucksache 16/5240) großzügig mit Verschmutzungsrechten ausgestattet. Mit der geplanten kostenlosen Ausgabe von 453 Millionen Emissionszertifikaten wird sich an der aktuellen Situation eines faktisch nicht funktionierenden Zertifikatehandels auch über 2008 hinaus substanziell nichts ändern. Nur bei Kosten von ca. 40 Euro pro Tonne CO2, jenen Kosten also, die nach Berechnungen von Experten für die angepeilten Klimaschutzziele durchschnittlich anfallen, können die Marktmechanismen im Sinne des Klimaschutzes wirken. Der Staat hat die Verantwortung, dafür die erforderlichen Rahmenbedingungen mit einer entsprechenden Ausgestaltung der nationalen Allokationsplanes zu setzen.

Der Emissionshandel allein wird die Energiekonzerne jedoch nicht dazu bewegen können, statt der geplanten Steinkohlekraftwerke in neue Gaskraftwerke – möglichst mit Kraft-Wärme-Koppelung – und effiziente dezentrale KWK-Anlagen zu investieren. Deshalb ist es erforderlich, die maximalen C02-Emissionen neuer Kraftwerke auch auf gesetzlichem Wege zu reglementieren. Eine Begrenzung auf 350 g Kohlendioxid pro Kilowattstunde elektrischer Energie ist mit modernen Gaskraftwerken problemlos erreichbar. Bestehende deutsche Kohlekraftwerke stoßen demgegenüber im Durchschnitt rund 750 g CO2/kWh aus.

Statt den Energiekonzernen für die Planung neuer Kohlekraftwerke in Wilhelmshaven, Stade und Dörpen durch die Ausweisung entsprechender Vorranggebiete im Landesraumordnungsprogramm im vorauseilenden Gehorsam den Weg zu ebnen, muss die Landesregierung endlich ihren Klimaschutzverpflichtungen gerecht werden. Neue Kohlekraftwerke in Niedersachsen müssen daher mit einem entsprechenden Ausschluss im Landesraumordnungsprogramm verhindert werden.  

Konventionelle Großkraftwerke geben in der Regel rund 50% der eingesetzten Primärenergie ungenutzt als Wärme in die Umwelt ab. Mit der Nutzung dieser Wärme in der Kraft-Wärme-Koppelung kann der Wirkungsgrad auf 90 – 95% gesteigert und damit klimaschädigende Emissionen deutlich verringert werden. Da Wärme – im Gegensatz zu Strom – nicht über weitere Entfernungen transportierbar ist, ist die Wärmeabnahme in unmittelbarer Nähe zur KWK-Anlage ein wesentliches Hemmnis für den weiteren Ausbau der Kraft-Wärme-Koppelung. Bisher können die Kommunen in Niedersachsen den Anschluss an die Nahwärmeversorgung nur auf vertraglichem Wege festschreiben. Statt dieses aufwendigen Verfahrens muss den Kommunen mit einer entsprechenden Änderung der Niedersächsischen Bauordnung die Möglichkeit gegeben werden, den Anschluss an die Nahwärmeversorgung im Bebauungsplan festzuschreiben. Darüber hinaus muss der Ausbau der Nahwärmeversorgung wirksam gefördert werden.  

Der Ausbau der Kraft-Wärme-Koppelung stärkt zudem mittelständische Unternehmen und kommunale Stadtwerke. Dieses trägt dazu bei, die kostentreibenden Monopolstrukturen der Stromversorgung in Deutschland zunehmend aufzubrechen, während diese Strukturen mit neuen Kohlekraftwerken zementiert werden. 

Fraktionsvorsitzender

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